Begriffe wie Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter oder Versicherungsvermittler werden nicht nur in der Umgangssprache häufig synonym verwendet. Auch innerhalb der Versicherungsbranche werden diese Begrifflichkeiten des Öfteren vermischt. Dabei ist eine strenge Unterscheidung der Begrifflichkeiten schon aufgrund der verschiedenen Rechte und Pflichten der Vermittlertypen, die sich dahinter verbergen, geboten.
Ein Beitrag von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Gewerblichen Schutz und Informationstechnologierecht, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Mit der Frage, ob ein Versicherungsvertreter als Mehrfirmenvertreter auf seiner Webseite mit einer unabhängigen Beratung werben darf, obwohl er über keine Erlaubnis als Versicherungsmakler oder Versicherungsberater verfügt, hat sich das OLG Hamburg in seinem aktuellen Hinweisbeschluss befasst (OLG Hamburg, Hinweisbeschluss v. 27.02.2023 – 5 U 114/20).
Diesem Berufungsverfahren vor dem OLG Hamburg ist bereits ein erstinstanzliches Verfahren vor dem LG Hamburg vorangegangen (siehe: LG Hamburg, Urteil vom 25.06.2020, Az. 327 O 445/19).
Können Mehrfachagenten mit Unabhängigkeit werben?
Die von der Kanzlei Jöhnke & Reichow vertretene Klägerin ist Versicherungsmaklerin gemäß § 34d Abs. 1 Ziff. 2 GewO und in das Vermittlungsregister eingetragen. Sie macht einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG gegen die beklagte Gesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts = Gbr) geltend. Deren Gesellschafter verfügen unter anderem über eine gewerbliche Zulassung als Versicherungsvertreter gemäß § 34d Abs. 1 GewO, nicht jedoch als Versicherungsmakler.
Letztere warben auf ihrer Webseite mit „unabhängiger Beratung“ rund um das Thema Versicherungen. Die klagende Versicherungsmaklerin und die Kanzlei Jöhnke & Reichow waren der Ansicht, dass diese Begriffsverwendung irreführend sei.
Denn als Versicherungsvertreter – gleich ob als Einfirmenvertreter oder als Mehrfirmenvertreter – stehe man, anders als ein Versicherungsmakler, rechtlich im Lager der Versicherung und nicht im Lager des Versicherungsnehmers. Dieses ergibt sich bereits aus dem Gesetz und den weiteren Pflichten des Versicherungsvertreters.
Eine Unabhängigkeit bestehe demnach auch nicht, selbst wenn es sich um vorliegend um einen Mehrfachagenten handelt, welcher für mehrere Versicherungsunternehmen tätig wird. Die Verwendung des Begriffes „Beratung“ suggeriere beim Versicherungsnehmer jedoch, dass es sich um einen Versicherungsberater gemäß § 34d Abs. 2 GewO handle, der sein Honorar für die beratende Tätigkeit direkt vom zukünftigen Versicherungsnehmer erhalte und somit allein in dessen Lager stehe.
Eine Zulassung als Versicherungsberater nach § 34 d Abs. 2 GewO oder als Versicherungsmakler bestehe bei den Gesellschaftern allerdings gerade nicht. Somit sei nach Ansicht der klagenden Versicherungsmaklerin die werbende Aussage geeignet, eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG hervorzurufen und damit einen Unterlassungsanspruch gem. § 8 UWG zu begründen.
Dagegen wandten die Gesellschafter der beklagten Gesellschaft ein, dass sie als Mehrfachagenten sehr wohl unabhängig seien. Denn sie beraten und vermitteln Produkte von mehr als 100 Versicherern (über den Finanzdienstleister TELIS FINANZ Vermittlung AG, welcher ebenfalls über eine Erlaubnis als Versicherungsvertreter verfügt, nicht jedoch über eine Erlaubnis als Versicherungsmakler). Keiner dieser Versicherer gebe Vorgaben oder nehme Einfluss auf die Geschäfte oder die Beratungen der Gesellschaft, sodass kein Interessenkonflikt zu befürchten sei.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Versicherer der Gesellschaft bei Vertragsabschluss eine Provision zahle. Denn auch der Versicherungsmakler könne im Lager des zukünftigen Versicherungsnehmers stehen, obwohl er von der Versicherung bei Abschluss eine Courtage erhalte und somit zwischen Makler und Versicherer eine rechtliche Beziehung bestünde.
Nach Auffassung der beklagten Versicherungsvertreterin würden Mehrfachagenten während der Beratung die Aufgabe eines Versicherungsmaklers wahrnehmen, erst bei Vertragsanbahnung werde die Vertretertätigkeit ausgeübt.
Auch die Tatsache, dass die Versicherungsvertreter nicht immer Angebote aller Versicherungen unterbreiten können, spreche nicht gegen eine Unabhängigkeit. Denn bei mehr als 100 Versicherern könne auch ein einzelner Makler nicht jeden Versicherer anbieten.
Zudem habe die klagende Versicherungsmaklerin nicht ausreichend dargelegt, dass überhaupt eine für den Unterlassungsanspruch notwendige Wettbewerbssituation zwischen ihr und der Gesellschaft bestehe. Weiterhin sei die Klage zu unbestimmt, da die alleinige Berufung auf das Fehlen der Makler- beziehungsweise Beratererlaubnis dem Begründungserfordernis nicht genüge.
Nachdem bereits das Landgericht Hamburg weitestgehend zu Gunsten der Versicherungsmaklerin entschied, äußerte sich das Oberlandesgericht Hamburg in seinem Hinweisbeschluss zu dem Urteil der ersten Instanz dahingehend, dass es das Urteil des LG Hamburg bestätigen wird. Das OLG Hamburg riet den Beklagten, dass die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgenommen werden sollte, da keine Aussicht auf Erfolg des Rechtsmittels der Beklagten bestünden.
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