Die in der vergangenen Woche deutlich zurückgegangenen US-Inflationszahlen sorgten bei den Marktteilnehmern für eine freudige Überraschung und bescherten den Aktien- und Rentenmärkten eine wahre Erleichterungsrallye.
Ein Beitrag Michael Winkler, Leiter Anlagestrategie bei der St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Nach 8,2 Prozent im Vormonat und erwarteten 7,9 Prozent, überraschten die Oktoberdaten zur Inflation aus den USA mit 7,7 Prozent. In Folge dessen erholten sich die Aktienmärkte deutlich von ihren Tiefständen. Zyklische Regionen und Indizes, in denen traditionelle Aktien stärker vertreten sind, waren dabei die Outperformer – so zum Beispiel der DAX, Dow Jones und Euro Stoxx50.
Die Berichtsaison verläuft eher normal
Die US-Berichtsaison ist fast abgeschlossen und nahezu alle Unternehmen haben ihre Zahlen vorgelegt. Während der Energiesektor die Berichtsaison stützt und das starke Gewinnwachstum im zyklischen Konsum überraschte, schnitt der Dienstleistungssektor eher schwach ab.
Zwar laufen die USA weiterhin besser als Europa, aus der Sicht deutscher Investoren relativiert sich dies jedoch durch den US-Dollar-Effekt. Das Umsatzwachstum des S&P 500 von zwölf Prozent ist hauptsächlich auf die Währungs- und Inflationskomponente zurückzuführen – mit einem Gewinnwachstum von vier Prozent.
Während normalerweise 65 bis 70 Prozent der US-Unternehmen die Gewinnerwartungen übertreffen, liegt der aktuelle Wert bei gerade mal 60 Prozent. Folglich wurden die Aussichten für das vierte Quartal nach unten korrigiert. Für das zweite Quartal nächsten Jahres liegen die Gewinnerwartungen erstmals im negativen Bereich.
Demgegenüber hat die Berichtsaison in Europa gut begonnen. Der Stoxx 600 notierte ein Umsatzwachstum von 25 Prozent, abzüglich des Währungseffektes von fünf Prozent liegt er allerdings nur bei 20 Prozent – bei ebenfalls fallenden Margen. Auch bei den europäischen Unternehmen haben weniger als 60 Prozent die Erwartungen übertroffen – weshalb auch in Europa für das kommende Jahr negative Wachstumszahlen erwartet werden.
Kaufsignale an Rentenmärkten werden immer stärker
Die Inflationsdaten wirken auch positiv auf den Rentenmarkt – mit einem attraktiven Renditeniveau und immer mehr Kaufsignalen. Da die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen bereits unter 4 Prozent fiel, liegt der Renditehöhepunkt (mit 4,3 Prozent) wahrscheinlich bereits hinter uns. Wir sehen uns in unserer seit Wochen anhaltenden "bulligen" Haltung bestärkt.
Fazit
Da Renten die strategisch attraktivste Anlageklasse bleiben, erachten wir eine Erhöhung der Rentenquote als empfehlenswert und schließen uns der Euphorie an den Aktienmärkten derzeit nicht an.
Der konjunkturelle Abschwung ist in vollem Gang und die Notenbanken sind noch nicht am Ende der Zinserhöhungen angelangt, daher werden die hohen Geldmarktzinsen weiter bremsen und die konjunkturellen Bremsspuren erst Anfang nächsten Jahres sichtbar werden.
Da Aktienmärkte dem Trend folgen, denken wir, dass es auch in den nächsten Quartalen schwierig werden dürfte und erachten "bullige" Aktienhaltung als zu verfrüht. Vielmehr nutzen wir die aktuelle Euphorie-Phase, um uns defensiver zu positionieren und bauen die Aktienquote ab.
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