Die Bundesregierung hat ein drittes Entlastungspaket auf den Weg gebracht. Die auf den ersten Blick gewaltig erscheinende Summe von 65 Milliarden Euro ist jedoch eine Mogelpackung: Mindestens 25 Milliarden Euro davon beziehen sich auf Vorhaben, die auch ohne Energiepreiskrise auf der Tagesordnung gestanden hätten.
Ein Kommentar von Dr. Tobias Hentze, Leiter des Clusters Staat, Steuern und Soziale Sicherung des Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Die Vertreter der Ampel-Koalition waren gestern voll des Lobes über ihr drittes Entlastungspaket: Von „Wumms“ war die Rede, von „Entschlossenheit“, die Bürger würden „dramatisch“ entlastet werden. Doch bei genauer Prüfung wird deutlich: „Dramatisch“ ist nur die Selbsteinschätzung der Koalition. Die Regierung macht viel Lärm um Selbstverständlichkeiten.
Dazu gehört beispielsweise die überfällige Anpassung des Kindergelds an die Inflation oder der Ausgleich der kalten Progression. Auch die steuerliche Freistellung der Rentenbeiträge ist keine spontane Entlastungsmaßnahme der Politik, sondern eine Vorgabe des Verfassungsgerichts. Und das Abarbeiten des Koalitionsvertrags – Stichwort Bürgergeld und Wohngeldreform – ist in dem Entlastungspaket fehl am Platz. Immerhin sind Einmalzahlungen an Rentner und Studenten richtig und konsequent, gleichzeitig aber auch das Eingeständnis, die Gruppen bisher vergessen zu haben.
Fragwürdige Pläne beim Strompreis, keine Pläne beim Gaspreis
So bleibt am Ende nicht viel von den 65 Milliarden Euro des Entlastungspakets übrig: Ein höherer Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger ist gut. Sinnvoll – wenn auch nicht zielgenau – ist der Versuch, mit 1,5 Milliarden Euro einen Nachfolger für das 9-Euro-Tickets zu ermöglichen – auch wenn dieser dann eher 49 statt neun Euro kostet.
Die Idee, Energieunternehmen mit extrem hohen Gewinnen in die Verantwortung zu nehmen, ist im Grundsatz richtig, der Weg, sogenannte „Zufallsgewinne“ abzuschöpfen, ist allerdings ordnungspolitisch fragwürdig und zudem mit ungewissen Einnahmen verbunden, die wiederum Bürger bei Stromkosten entlasten sollen. Der Umgang mit den hohen Gaspreisen wird gar in eine Expertenkommission weitergereicht.
Steuer- und abgabenfreie Lohnzahlungen bieten echte Chance auf Entlastung
Ob die Hilfsprogramme für die Unternehmen ausreichend sind, muss sich erst zeigen. Der Ansatz, bei Liquiditätsengpässen zu helfen, ist zumindest richtig. Steuerliche Schritte wie der Verzicht auf Steuervorauszahlungen wären noch eine sinnvolle Ergänzung zur Stärkung der Liquidität. Gleichzeitig setzt die Politik auf die Unternehmen, indem sie einmalige Lohnzahlungen von bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei stellt. Dieses Outsourcing zeigt, dass nicht politische Umverteilung, sondern unternehmerische Kraft das entscheidende Vehikel zur Bewältigung der Krise ist.
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