Wie Atomkraft einen Schatten auf die grüne Zukunft wirft

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Aktuell befindet sich die in Deutschland schon fast totgeglaubte Atomkraft wieder einmal im
Mittelpunkt der Diskussion. Hierbei geht es jedoch nicht um die geplante Abschaltung der letzten drei Meiler, die momentan noch Strom produzieren, sondern um eine mögliche Laufzeitverlängerung.

Thomas Schoy, Mitinhaber und Geschäftsführer, PIN Privates Institut für Energieversorgung GmbH

Aufgrund der derzeitigen Energiekrise in Europa, ausgelöst durch den Ukraine-Konflikt und die Differenzen mit Russland, wollen einige Politikerinnen und Politiker die Kraftwerke noch über das Jahresende hinaus weiterlaufen lassen. Gerade vonseiten der CDU, CSU und FDP kommen immer wieder Forderungen, die Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung nicht von vorneherein auszuschließen. Hier steht vor allem ein Streckbetrieb im Zentrum der Vorschläge, durch den die bestehenden Uranvorräte über einen möglichst langen Zeitraum noch nutzbar bleiben sollen, bis eine neue Lieferung ankommen könnte. Dieses Vorgehen würde erlauben, die bestehenden Uranvorräte noch über das Jahresende hinaus weiter zu nutzen. Dabei geht von der Atomkraft jedoch ein unkalkulierbares Risiko für die Gesellschaft aus. Unfälle wie in Tschernobyl oder Fukushima haben dies in der Vergangenheit mehrfach bewiesen. Europas größtes Kernkraftwerk in der Ukraine droht währenddessen zu einer Kriegswaffe zu verkommen.

Wirklich klimaneutral?

Vor kurzem noch stufte die Europäische Union Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als nachhaltig ein. Besonders als Übergangslösung sollen sie helfen, den aktuellen Klimawandel zu verlangsamen. Dazu passt auch das Vorurteil, dass es sich bei Kernkraft um eine klimafreundliche Variante der Stromerzeugung handelt. Dabei erweist sich Kernkraft nicht als so nachhaltig wie von einigen angenommen. Während der eigentlichen kernphysischen Spaltung entsteht zwar kein Kohlenstoffdioxid, aber in der Gesamtrechnung tauchen trotzdem einige Posten auf: im Zusammenhang mit dem Uranabbau, der Herstellung der
Brennelemente oder in Bezug auf den Bau des Kraftwerks.

Gleichzeitig produziert dieser Energielieferant einen radioaktiven Müll, für den es immer noch keine Endlagerlösung gibt und der die Menschheit noch einige Generation lang begleitet. Erst nach ungefähr 200.000 Jahren hat der Atommüll die Strahlung von natürlichem Uran. Verglichen mit der
Menschheitsgeschichte lässt sich hier nicht von einem Problem mit kurzer Dauer sprechen.

Von Monstern und Ungetümen

Vor dem Ukraine-Konflikt stand die nachhaltige Energiewende in Deutschland weit oben auf der politischen Agenda. Nun möchte der Landtag in München mit Atomkraft über den Winter kommen und so Stromengpässe vermeiden. Isar 2 sollte eigentlich zum Jahresende abgeschaltet und durch vier Gaskraftwerke ersetzt werden. Um die bayerische Bevölkerung und Industrie durch die kalte Jahreszeit zu bringen, braucht es während der momentanen Gasknappheit jedoch vermutlich eine Verlängerung der Laufzeit beispielsweise durch einen Streckbetrieb. Dabei hätte das Bundesland dieses prekäre Szenario sehr wahrscheinlich in diesem Ausmaß vermeiden können, wenn es nicht den flächendeckenden Ausbau von Windkraftanlagen und Stromtrassen vehement blockiert hätte. Diese hätten erlaubt, den bis heute ungenutzten Strom aus den Offshore-Windparks im Norden an Verbraucherinnen und Verbraucher im Süden der Bundesrepublik weiterzuleiten. Noch immer gelten Windräder allerdings als Verspargelung der Landschaft oder Zuständige verunglimpfen Hochspannungsleitungen als Monsterbauwerke. Vermutlich aus Angst vor den Wählerinnen und Wählern trat die Politik im Freistaat beim Ausbau lange auf die Bremse.

Blick über den Rhein

Während die deutsche Politik nach Fukushima versuchte, einen entscheidenden Schritt zu einer nachhaltigeren Zukunft zu machen, bauen viele europäische Länder weiter Atommeiler. Im Besonderen die Franzosen mit ihren 58 Reaktoren an 18 Standorten produzieren fast ihren kompletten Strom mit der Kernspaltung. Somit fühlte sich Frankreich in Zeiten des Ukraine-Konflikts und der reduzierten Gaslieferungen aus Russland Anfang des Jahres noch recht sicher und unabhängig. Nun machen sich erste Zweifel breit. Seit einigen Monaten sorgen technische Ausfälle und Temperaturschwierigkeiten beim Kühlwasser für Versorgungslücken.

Fast die Hälfte der Kraftwerke steht still und kann somit nicht ihren Teil zur Stromproduktion beitragen. Viele der älteren Modelle befinden sich derzeit in der Wartung und bei der neusten Reihe existieren augenscheinlich Korrosionsschänden. Gleichzeitig sorgen die momentanen Hitzewellen dafür, dass sich die als Kühlwasser dienenden Flüsse zu stark aufheizen und somit zum Schutz von Fauna und Flora nicht genutzt werden dürfen. Diese Vorgabe hat die französische Republik sogar für einige Meiler schon aufgehoben. Aktuell muss die Grande Nation ihren Stromverbrauch durch den Import von Energie ausgleichen. Hier unterstützte Deutschland in den letzten Monaten seinen europäischen Partner. Besonders die Überschüsse von Wind- und Solarenergie sorgen für einen großen Teil der Exporte und halfen somit dabei, dass in Frankreich nicht das Licht ausgeht und die Bäcker weiter ihre Baguettes
backen können. Der Winter rückt immer näher und bald zeigt sich daher, welche Rolle der Atomkraft auch innerhalb der Bundesrepublik in dieser Energiekrise zukommt. Weitere Informationen finden Sie auch auf www.privates-institut.com.

Bild (2): © PIN Privates Institut für Energieversorgung GmbH