Bußgeld für Digitalisierung: auch die bAV ist betroffen

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Zum 1. August 2022 wird in Deutschland die Europäische Richtlinie zu Arbeitsbedingungen (Richtlinie 2019/1152) insbesondere durch eine Novellierung des Nachweisgesetzes umgesetzt. Das Nachweisgesetz regelt, wie und wann die Unternehmen die „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ ihren Beschäftigten nachweisen müssen. Und zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen gehören und gehörten schon immer auch die Rahmenbedingungen einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) und übrigens auch die einer betrieblichen Krankenversicherung.

Ein Beitrag von Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH

Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin. Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH © Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH

Was bedeutet diese Novellierung des Nachweisgesetzes für Unternehmen?

  • Alle Musterarbeitsverträge müssen wegen der zahlreichen Änderungen zum 1. August 2022 für alle Neueinstellungen überarbeitet werden.
  • Es bleibt bei dem strengen Schriftformerfordernis und dem gleichzeitigen Verbot des Nachweises in elektronischer Form.
  • Daher müssen alle Prozesse, die zum Teil schon digital ablaufen, geprüft werden, ob sie gesetzeskonform sind.
  • Denn ab 1. August sind Verstöße gegen das Nachweisgesetz mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 2000 Euro bewehrt.

Ja. Sie lesen richtig: Schriftformerfordernis, strenges Schriftformerfordernis mit eigenhändigen Unterschriften auf Papier bleibt in Deutschland für den Nachweis von Arbeitsbedingungen das Maß aller Dinge. Und als neues Sahnehäubchen eine Bußgeldvorschrift. Was 1995, das Geburtsjahr des Nachweisgesetzes, noch normale Vorgehensweise war, ist mittlerweile „Steinzeit“. Auch die Pandemie und die Lockdowns waren ja Digitalisierungsbeschleuniger. Und für die „Fortschritts-Koalition“ schien das Vorantreiben der Digitalisierung ein wichtiges Anliegen zu sein.

Die EU hat in der Richtlinie eine Tür zur Digitalisierung geöffnet. Denn Artikel 3 eröffnet neben der Schriftform ausdrücklich die Option für eine elektronische Übermittlung. Denn in vielen europäischen Ländern ist die Digitalisierung weit fortgeschritten. Deutschland hat diese Option nicht genutzt. Digitale Nachweise bleiben kategorisch ausgeschlossen:

§ 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG [1]:
„Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.“

§ 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG:
„Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“

Der 1. August 2022 steht in wenigen Wochen vor der Tür. In vielen Unternehmen und bei den Arbeitsrechtlern herrscht gerade sichtlich Hektik. Großunternehmen sind da personell deutlich besser aufgestellt als kleine und mittelständische Unternehmen. Hier muss man durchaus Sorge haben, dass solche „Sonderthemen“ wie die betriebliche Altersversorgung „vergessen“ werden. Hier können Makler einen wertvollen Beitrag leisten und ihren Partnern in den Unternehmen den wichtigen Tipp geben, dass auch die betriebliche Altersversorgung berücksichtigt werden muss.

Und gerade in der bAV wird mittlerweile vieles digital angeboten: Arbeitgeberportale, digitale Beratungsstrecken, Entgeltumwandlung mit elektronischer Unterschrift, VVG-konformes Angebot in Textform, Versorgungsordnungen im Intranet und so weiter. Hier gilt es auch mit Blick auf die rechtskonforme und rechtssichere Umsetzung für die Unternehmen, die betreut werden, die eigenen Beratungsprozesse zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Anregungen zum Nachdenken

Es sind andere Bestandteile des Arbeitsentgelts, zum Beispiel die Betriebsrente, nachzuweisen. Diese Bestandteile sind jeweils getrennt anzugeben und auch deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachweisG). Heißt das, dass künftig bei Betriebsrenten zum Beispiel arbeitnehmerfinanzierte und arbeitgeberfinanzierte Bestandteile getrennt anzugeben und die jeweiligen Fälligkeiten (inklusive Wahlrechten) und Auszahlungsoptionen extensiv schriftlich niederzulegen sind? Gilt die Schriftform zum Beispiel für die Entgeltumwandlungsvereinbarung und die Versorgungsordnung? Schriftform, wenn man es genau nimmt, auch für das VVG-konforme Angebot, auf das häufig verwiesen wird und in dem wichtige „Nachweise“ erhalten sind?

Der Gesetzgeber hat leider die bAV von dieser Regelung gerade nicht ausgenommen. Und übrigens: Diese Informationen sind spätestens am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses als Niederschrift auszuhändigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 NachweisG).

Ganz neu ist, dass der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer eine Betriebsrente über einen Versorgungsträger zusagt, Name und Anschrift des Versorgungsträgers aufführen muss (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 NachweisG) – ausgenommen sind Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds. Mit anderen Worten: Bei der Versorgung über eine Unterstützungskasse greift diese neue Nachweispflicht.

Und noch etwas: Ändert sich etwas an den wesentlichen Vertragsbedingungen, dann muss das allen Beschäftigten spätestens am Tag, an dem die Änderung wirksam wird, schriftlich mitgeteilt werden. Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) hat für die bAV zum Beispiel auf Änderungen der Entgeltumwandlungsvereinbarungen (Erhöhung, Herabsetzen, Aussetzen) hingewiesen. Auch Änderungen einer bestehenden Versorgungsordnung sind betroffen. Es genügt nicht die Veröffentlichung, zum Beispiel im Intranet, sondern die neue Versorgungsordnung muss überdies noch allen Beschäftigten schriftlich mitgeteilt werden. Last, but not least: das Bußgeld. Rechtsanwalt Frank Wörner hat sich schon mit dieser Frage beschäftigt und sagt dazu:

Vielen Geschäftsführern ist gar nicht bewusst, dass ein Bußgeld im Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Geschäftsführer als Person verhängt wird, das heißt, er persönlich muss dieses Bußgeld tragen.

Und die Hürden zur Vermeidung einer Ordnungswidrigkeit sind hoch. Denn nach § 4 NachwG greift das Bußgeld, wenn die Anforderungen „nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig“ erfüllt sind. Da hilft nur tun, richtig tun und gut dokumentieren. Und hilft die D&O? Diese Frage ist mit „Nein“ zu beantworten, so Wörner. Denn dann entstehe kein Vermögensschaden des Unternehmens. Und in den Versicherungsbedingungen gehören regelmäßig Geldbußen zu den Ausschlusstatbeständen.

Das Gesetz wurde am 23. Juni 2022 verabschiedet. Damit ist der Startschuss für die sehr kurze Umsetzungsphase bis zum 1. August 2022 gefallen.

Anmerkungen: [1] Es wird im Folgenden auf die Neufassung des Gesetzes ab 1. August 2022 verwiesen.

Bild (2): © Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH