Die Äußerungen von Exekutivdirektor Dr. Frank Grund auf der BaFin-Jahrespressekonferenz in Bonn zum Thema Provisionen in der Lebensversicherung kommen nicht überraschend.
Ein Kommentar von VOTUM-Vorstand Martin Klein
Bereits in ihrem Fokusreport März 2022 hat die Aufsicht angekündigt, ein Rundschreiben konsultieren zu wollen, um Aufsichtsstandards für eine ‚angemessene‘ Vertriebsvergütung bei Lebensversicherungsunternehmen zu etablieren.
Hierbei handelt es sich um eine klare Kompetenzüberschreitung der BaFin. Nur weil man dem Kind mit dem Begriff ‚Richtwert‘ einen neuen Namen gibt, bedeutet dies nicht, dass sich die Zuständigkeiten ändern.
Derartige regulative Markteingriffe benötigen in jedem Fall eine konkrete gesetzliche Grundlage und können nicht allein der Willkür der Aufsichtsbehörde überlassen werden.
Dies wird im Übrigen offensichtlich am Beispiel der Krankenversicherung: Die Provisionsgrenzen in der PKV haben mit § 50 VAG eine eindeutige gesetzliche Grundlage. Es kann daher nicht sein, wenn von der Aufsicht versucht wird, am Gesetzgeber vorbei, solche Grenzen in der Lebensversicherung per Rundschreiben einzuführen. Die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit muss auch die BaFin beachten und die jetzige Regierung hat mit ihrem Koalitionsvertrag klar vorgegeben, dass ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung nicht zur Diskussion steht.
Die Ausgangssituation hat sich gegenüber der schon in den vergangenen Jahren geführten Diskussion in keiner Weise verändert. Auch die damaligen Untersuchungen haben gezeigt, dass es keine Marktverwerfungen gibt, die einen derartigen Eingriff notwendig machen. Das verfassungsrechtliche Gutachten des ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Dr. Papier hat die rechtliche Situation eindeutig und umfassend dargelegt und dies wurde auch von den politischen Entscheidungsträgern nachvollzogen.
Es gibt daher keine Rechtsgrundlage für ein aufsichtsrechtliches Handeln unter Umgehung des Gesetzgebers! Die nunmehr von Herr Dr. Grund herangezogenen Marktuntersuchungen belegen erneut keine Missstände im Bereich der Provisionsvergütung. Es handelt sich hierbei um Daten zu den Effektivkosten der Lebensversicherer. Von diesen Daten kann keinesfalls automatisch auf problematische Provisionshöhen oder aber etwaig notwendige Begrenzungen geschlossen werden.
Auch die gebetsmühlenartig vorgetragene Behauptung, dass die Kosten insbesondere bei den fondsgebundenen Lebensversicherungen zu hoch sind und damit die Rendite schmälern, treffen nicht zu. Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hat in ihrem im April veröffentlichten „costs and past performance report 2022“ die Renditen von fondsgebundenen Lebensversicherungen in den zurückliegenden fünf Jahren untersucht. Sie kommt dabei zu durchaus erfreulichen Werten, welche deutlich über denen von klassischen Lebensversicherungsprodukten liegen. Die geringfügig höhere Nettokostenquote von Fondspolicen führen daher tatsächlich nicht zu geringeren Renditen, so dass auch insoweit eine Schieflage im Markt nicht zu beobachten ist.
Es ist zudem für alle erfahrenen Marktteilnehmer nachvollziehbar, dass ein einheitlicher Provisionsrichtwert den unterschiedlichen Vertriebsmodellen im Markt ohnehin nicht gerecht werden kann. Die sehr eigenständige Vermittlung von Versicherungsprodukten über große Mehrfachagenten und Maklerpools bindet weniger Ressourcen des Versicherungsunternehmens als der Vertrieb über die eigene Ausschließlichkeit, was sich auch in differenzierten Provisionssätzen abbildet.
Unterschiedliche Vertriebswege können nicht durch einheitliche Richtwerte nivelliert werden. Auch hier ist die BaFin daher an das Rechtsstaatsprinzip gebunden. Das Grundgesetz gibt klar vor, dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 GG auch dann vorliegt, wenn versucht wird, ungleiche Tatbestände gleich zu behandeln.
Die BaFin ist daher gut beraten, wenn sie von den Plänen ihres angekündigten Rundschreibens Abstand nimmt.
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