Nachhaltige Geldanlagen: Greenwashing oder echter Gamechanger?

© tanaonte – stock.adobe.com

Ob Umweltkatastrophen, Pandemien oder Kriege – in den vergangenen Jahren ließen Krisen das Bewusstsein für Klimaschutz oder ethische und soziale Themen immer weiter steigen. Dieser Trend macht auch vor der Geldanlage nicht halt: Viele Menschen wollen ihr Geld inzwischen nicht mehr nur gewinnbringend anlegen, sondern mit ihrem Investment gleichzeitig auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leisten.

Norman Argubi, unabhängiger Finanzberater, Volljurist und Vorstand, finanz-center AG © finanz-center AG

Das investierte Vermögen soll dann beispielsweise indirekt dazu beitragen, Nachhaltigkeitsziele beim Klimawandel zu erreichen. Anlageprodukte mit den Zusätzen ESG (Environmental, Social, Governance) oder SRI (Socially Responsible Investment) versprechen Verbrauchern, ihren Fokus auf Umweltfreundlichkeit, soziale Aspekte und ethisch agierende Unternehmen zu legen. Doch immer wieder kommt der Verdacht auf, dass nicht alle vermeintlich nachhaltigen Anlageprodukte diese Versprechen auch wirklich halten.

Keine verbindlichen Kriterien

Da sich ESG-Anlagen aktuell besonders gut verkaufen, bringen die meisten Anbieter inzwischen nachhaltige Finanzprodukte heraus. Brancheninsider gehen allerdings immer wieder mit Greenwashing-Vorwürfen an die Öffentlichkeit: Um vom ESG-Trend zu profitieren, würden viele Investmentgesellschaften Produkte als nachhaltig deklarieren, die diesen Namen eigentlich nicht verdient hätten. Auch umweltschädigende Erdölkonzerne oder ethisch fragwürdige Rüstungsunternehmen lassen sich immer wieder in nachhaltigen Fonds finden – für viele Verbraucher stellt dies einen eklatanten Widerspruch dar.
Was genau unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ zu verstehen ist, ist allerdings nirgendwo verbindlich festgelegt. Laut EU-Regelung kann beispielsweise jedes Finanzprodukt als nachhaltig bezeichnet werden, wenn der Anbieter offenlegt, nach welchen Kriterien er diese Nachhaltigkeit für sich selbst definiert. Dadurch weist am Ende jeder ESG-Investmentfonds unterschiedliche Kriterien auf – sehr zum Ärger der Verbraucher, denen transparente Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Die sogenannte Taxonomie-Verordnung der EU, die Anfang 2022 in Kraft getreten ist, soll dies nun ändern. Sie will einheitliche Standards festlegen, nach denen Nachhaltigkeit EU-weit definiert werden soll. Dadurch soll besser vergleichbar werden, wie nachhaltig Finanzprodukte tatsächlich sind. Noch sind allerdings nicht alle Kriterien
vollständig definiert und einige gelten schon als stark umstritten: So sieht die EU beispielsweise Erdgas und Atomkraft als nachhaltig an. Während Befürworter dieser Entscheidung die Atomenergie beispielsweise als umweltfreundliche Alternative zur Kohleenergie sehen, weigern sich Gegner aufgrund des ungelösten Problems der Endlagerung des radioaktiven Abfalls, von Nachhaltigkeit zu sprechen.

Was genau unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ zu verstehen ist, ist allerdings nirgendwo verbindlich
festgelegt. Laut EU-Regelung kann beispielsweise jedes Finanzprodukt als nachhaltig bezeichnet werden, wenn der Anbieter offenlegt, nach welchen Kriterien er diese Nachhaltigkeit für sich selbst definiert.

Alles Definitionssache

Da Nachhaltigkeit ein sehr komplexes Thema darstellt, gibt es oftmals kein eindeutiges „Richtig“ und „Falsch“. Wie das Beispiel der umstrittenen Atomkraft zeigt, kommen verschiedene Menschen zu unterschiedlichen Einschätzungen. Inzwischen haben sich deshalb verschiedene Vorgehensweisen etabliert, mit denen Anbieter von Finanzprodukten definieren, was sie unter Nachhaltigkeit verstehen.
Einige Investmentgesellschaften legen beispielsweise anhand von Positivkriterien genau fest, welche Branchen sie als nachhaltig ansehen, und nehmen nur diese in ihre Fonds auf. Das sind dann beispielsweise nur Unternehmen, die sich mit erneuerbaren Energien beschäftigen.

Diese Fonds bilden allerdings lediglich einen kleinen Wirtschaftsbereich ab. Thematisch breiter aufgestellte Fonds definieren hingegen oftmals Negativkriterien, mit denen sie festlegen, dass sie besonders umweltschädigende oder moralisch nicht vertretbare Branchen wie Waffen, Tabak oder Öl ausschließen. Doch jeder Anbieter entscheidet unterschiedlich, welche Wirtschaftszweige er ausklammern
möchte. Was der eine eventuell moralisch verwerflich findet, ist für den anderen kein Ausschlusskriterium. Andere Anbieter gehen wiederum nach dem sogenannten Best-in-Class-Ansatz vor – sie schließen grundsätzlich keine Unternehmen aus ihren Produkten aus, sondern wählen aus jeder Branche den jeweils nachhaltigsten Vertreter. Dahinter steckt der Gedanke, Unternehmen zu motivieren, nachhaltiger
und sozialer zu werden, auch wenn sie beispielsweise ein Erdölkonzern sind. Viele Verbraucher führt dieser Bewertungsansatz allerdings in die Irre, weil sie in der Regel davon ausgehen, dass diese Unternehmen von nachhaltigen Finanzprodukten grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Überblick verschaffen

Während früher oftmals nur Rentabilität, Sicherheit und Liquidität ausschlaggebende Entscheidungsfaktoren darstellten, ist Nachhaltigkeit inzwischen zu einem wichtigen vierten Kriterium geworden – eine begrüßenswerte Entwicklung. Dabei müssen Anleger in der Regel auch nicht an Rentabilität einbüßen, denn ethische Geldanlagen schneiden oftmals genauso gut ab wie Finanzprodukte, bei denen keine ESG-Kriterien angewandt werden. Damit Verbraucher am Ende allerdings nicht getäuscht werden und auf Greenwashing hereinfallen, sollten sie sich nicht nur auf die wohlklingenden Werbeversprechen der Anbieter verlassen, sondern sich zusätzlich auch selbst informieren. Wer sich vorab Gedanken macht, was er unter Nachhaltigkeit versteht, kann seine eigenen Kriterien mit denen der Anbieter abgleichen.

Eine erste Orientierungshilfe können dabei die Einschätzungen von Ratingagenturen darstellen, die unterschiedliche Siegel für nachhaltige Finanzprodukte vergeben. Doch die Agenturen definieren ebenfalls oftmals nach vollkommen verschiedenen Kriterien. Wer den immensen Rechercheaufwand nicht auf sich nehmen möchte, kann stattdessen auch auf die Unterstützung eines Experten zurückgreifen. Finanzberater haben einen guten Überblick über den Markt der ESG-Anlagen und können passende Investments vorschlagen, die genau die Aspekte berücksichtigen, die den Anlegern besonders wichtig sind.

Über den Autor: Als Volljurist und unabhängiger Finanzberater informiert Norman Argubi, Vorstand der finanz-center AG, seit mehr als 30 Jahren über sinnvolle Investitionen und Vermögensverwaltung. Mit seinem Unternehmen verfolgt er das Ziel, Privatpersonen über verschiedene Anlagemöglichkeiten aufzuklären und so für finanzielle Sicherheit und eine Steigerung des Kapitals zu sorgen. Dabei richtet sich Norman Argubi nach den individuellen Voraussetzungen und Wünschen des Kunden und verfolgt als oberstes Ziel die langfristige Zufriedenheit seiner Kunden. Der Experte empfiehlt als Geldanlage vor allem Sachwerte wie beispielsweise Immobilien oder Aktien. In seinen drei bislang veröffentlichten Sachbüchern informiert Norman Argubi Verbraucher zudem über Tipps und Tricks rund um die Themen Geldanlage und Immobilienfinanzierung

Bild (2): © finanz-center AG