Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsberatung

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Nachhaltigkeit ist DAS große Thema unserer Tage. Es ist auch regulatorisch aktuell für die Branche ein Megathema. Besonders für die Produktgeber im Investmentbereich, aber auch bei den Versicherungsgesellschaften. Wo stehen wir aber in Bezug auf die Vermittlerschaft? Was kommt auf sie zu? Eine Positionsbestimmung.

Ein Beitrag von Norman Wirth, Rechtsanwalt Wirth–Rechtsanwälte Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Über Sinn und Unsinn von Nachhaltigkeit muss hier sicherlich nicht mehr viel gesagt werden. Wer noch immer meint, dass dieses Thema nur etwas für vermeintlich „links-grün versiffte Spinner“ sei und es immer noch um das OB ginge, möge endlich aufwachen oder aber sich jedenfalls aus der Diskussion über das WIE heraushalten.

Norman Wirth, Rechtsanwalt, Wirth–Rechtsanwälte Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB © Wirth–Rechtsanwälte Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Fakt ist, dass es inzwischen auch gesetzgeberischer Wille ist, dass gigantische Geldströme in nachhaltige Investments umgeleitet werden. Dem zugrunde liegen unter anderem die von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedeten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals), das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 und insbesondere der Aktionsplan der EU zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (Financing Sustainable Growth). Um der weitverbreiteten Fehlvorstellung entgegenzutreten, dass es bei Nachhaltigkeit nur um die Klimakrise geht: Die 17 UN-Ziele umfassen auch Themen wie Geschlechtergleichstellung, Bekämpfung der weltweiten Armut, Frieden oder auch hochwertige Bildung.

Aber kommen wir von den globalen Bedürfnissen und Zielen hin zu den Niederungen der nationalen beziehungsweise europäischen Regulierung. Und für Versicherungsvermittler*innen (mit Zulassung nach § 34 d Gewerbeordnung) wie auch für Finanzanlagenvermittler*innen (mit Zulassung nach § 34 f Gewerbeordnung) begann regulatorisch dieses Thema mit der EU-Transparenzverordnung (TVO, auch Offenlegungsverordnung genannt).

EU-Transparenzverordnung

Diese Verordnung ist am 10. März 2021 in Kraft getreten. Für Produktgeber hatte sie schon erhebliche Auswirkungen in Bezug auf nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten. Für Finanzberater*innen eher geringere, sodass ich hier gern von dem kleinen Gruß aus der Küche des europäischen Gesetzgebers spreche (das Hauptgericht kommt noch – darüber weiter unten mehr).

Die beiden maßgeblichen Finanzberaterverbände Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e. V. und VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V. haben praxisnah und leicht umsetzbar die konkreten Pflichten zusammengefasst, die aus der Transparenzverordnung erfüllt werden müssen. Ich hatte das Privileg, hieran maßgeblich mitzuarbeiten.

Es wurden konkrete, kurze und verständliche Texte für die praktische Anwendung zusammengestellt. Das ist alles leicht umsetzbar!

Erwähnt werden sollte, dass die Pflichten nach der Transparenzverordnung bei der Vermittlung von Finanzanlageprodukten und/oder Versicherungsanlageprodukten gelten. Es ist aber nicht eindeutig geregelt, ob Finanzanlagenvermittler mit Zulassung nach § 34 f GewO von den Pflichten mit umfasst sind. Vom Wortlaut der Verordnung her ist das nicht der Fall. Vom Sinn und Zweck her: doch. Es handelt sich sehr eindeutig um einen Redaktionsfehler des Gesetzgebers, der sicher absehbar behoben wird. Es ist daher auch 34f-Vermittlern mit Nachdruck die Antizipation der Pflichten aus der TVO zu empfehlen.

Die Pflichten für Sie aus der TVO unterscheiden zwischen:

  • Informationspflichten im Rahmen des eigenen Internetauftritts und
  • vorvertraglichen Informationspflichten im Rahmen der Beratungsdokumentation.

Wenn die Verpflichtung aus Kundeninformationen auf der eigenen Internetseite besteht, gilt: Keine Internetseite – keine Pflicht. Es besteht auch keine Pflicht, hierfür extra eine Internetseite einzurichten. Die Informationen können im Impressum oder auch einem extra Nachhaltigkeits-Reiter, Nachhaltigkeits-Info-Button, einer „Nachhaltigkeitsinformation“ oder Ähnliches dargestellt werden. Eine Einarbeitung in die Kundenerstinformation ist aus Praktikabilitätsgründen nicht zu empfehlen.

Sinnvoll ist es sicherlich, die Kunden erst einmal grundsätzlich auf der Homepage über das Thema Nachhaltigkeitsrisiken zu informieren. Hier ein Formulierungsvorschlag aus der Verbändeempfehlung:

„Als Nachhaltigkeitsrisiken (ESG-Risiken) werden Ereignisse oder Bedingungen aus den drei Bereichen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) bezeichnet, deren Eintreten negative Auswirkungen auf den Wert der Investition beziehungsweise Anlage haben könnte. Diese Risiken können einzelne Unternehmen genauso wie ganze Branchen oder Regionen betreffen.

Was gibt es für Beispiele für Nachhaltigkeitsrisiken in den drei Bereichen?

  • Umwelt: Infolge des Klimawandels könnten vermehrt auftretende Extremwetterereignisse ein Risiko darstellen. Dieses Risiko wird auch physisches Risiko genannt. Ein Beispiel hierfür wäre eine extreme Trockenperiode in einer bestimmten Region. Dadurch könnten Pegel von Transportwegen wie Flüssen so weit sinken, dass der Transport von Waren beeinträchtigt werden könnte.
  • Soziales: Im Bereich des Sozialen könnten sich Risiken zum Beispiel aus der Nichteinhaltung von arbeitsrechtlichen Standards oder des Gesundheitsschutzes ergeben.
  • Unternehmensführung: Beispiele für Risiken im Bereich der Unternehmensführung sind etwa die Nichteinhaltung der Steuerehrlichkeit oder Korruption in Unternehmen.“

Weitere Formulierungsempfehlungen und Erläuterungen zur TVO, auch für die Beratungsdokumentation, sind auf den Websites der beiden oben genannten Verbände, AfW und VOTUM, zu finden.

Wie geht es nun weiter?

Zum 2. August 2022 treten erweiterte Beratungspflichten in Kraft. Dafür kam es in diesem Jahr zu Änderungen der Delegierten Verordnungen zu IDD und MiFID 2. Es kommen damit Pflichten, Nachhaltigkeitspräferenzen abzufragen und ESG-Faktoren im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen. Dabei gilt ganz allgemein:

  • Anlegerschutz steht immer im Vordergrund (vor Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele des Kunden)
  • Vermittler*innen müssen erst Anlageziele definieren und dann die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen
  • Vermittler*innen müssen eine genaue Übersicht über die Nachhaltigkeitsgrade von Versicherungsanlageprodukten geben können
  • Greenwashing muss auf jeden Fall vermieden werden
  • Vermittler*innen müssen Aufzeichnungen über die Nachhaltigkeitsziele der Kunden führen

Dafür, wie diese neuen Pflichten konkret ab dem 2. August 2022 im Beratungsgespräch umgesetzt werden können, gibt es bisher noch keine sinnvolle Empfehlung. Es sind aber unter anderem mehrere Brancheninitiativen dabei, hier – am Ende hoffentlich miteinander – einen Branchenstandard zu entwickeln. Zu nennen sind hier insbesondere das FNG – Forum nachhaltige Geldanlagen, die Branchen-Initiative Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung und das GSN – German Sustainability Network.

Jeweils beteiligt sich auch der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, unterstützt hierbei auch durch das Know-how von Wirth–Rechtsanwälte und anderen guten Partnern, und bemüht sich als integratives Bindeglied, im Interesse der Vermittlerschaft zu agieren.

Bild: © Wirth–Rechtsanwälte Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB