Kaum Verbesserung in der Pflegeleistung

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Ab Januar 2022 treten einige Veränderungen der Pflegeleistungen in Kraft. Dies betrifft unter anderem die Pflegesachleistung, die Kurzzeitpflege, die Bezuschussung der Pflegeheimkosten und die digitalen Pflegeanwendungen.

Klingen die Veränderungen zunächst nach einer Entlastung für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige, sieht die Realität für Betroffene anders aus, erfuhr pflege.de im Gespräch mit Betroffenen.

Höherer Zuschuss zu Pflegeheimkosten: Staffelung laut pflegender Angehörigen ungerecht

Im neuen Jahr bekommen Bewohner eines Pflegeheims einen höheren Leistungszuschlag zu ihrem Eigenanteil. Der Zuschlag erhöht sich mit der Länge des Pflegeheimaufenthalts und kann nach drei Jahren auf bis zu 70 Prozent ansteigen. Damit sollen vor allem langjährige Bewohner vor einer zu großen finanziellen Belastung geschützt werden. Was auf den ersten Blick nach einer großen Entlastung klingt, ist in der Realität aber aus Betroffenensicht wenig spektakulär. Kirstin Puchner, pflegende Angehörige und Mitglied des pflege.de Angehörigenbeirats merkt dazu an:

Die Kosten für einen Pflegeheimaufenthalt bleiben die gleichen, egal wie lange dieser ist. Eine Staffelung der Entlastung ist daher ungerecht. Bezieht man die Tatsache mit ein, dass in der Realität die meisten Heimbewohner bereits nach einem Jahr im Heim versterben, liegt die Vermutung nahe, dass darauf bei der Staffelung spekuliert wurde. Denn der Zuschuss erhöht sich ja erst nach zwei Jahren merklich.

Puchner fügt noch hinzu, dass jedes Jahr zum 01.07. neue Verträge ausgehandelt werden, so dass die Pflegeheimkosten stetig steigen. Mit Blick auf die Inflation sei es unglaublich, dass eine Erhöhung der Entlastung nicht ebenso regelmäßig stattfinde.

Erhöhung der Pflegesachleistungen: Nur Tropfen auf den heißen Stein

Mit dem neuen Jahr 2022 soll die Angehörigenpflege zuhause finanziell mehr unterstützt werden. Daher wurde eine Erhöhung der Pflegesachleistungen um 5 Prozent beschlossen. Die Infografik zu Erhöhung der Pflegesachleistungen zeigt, wie viel Geld dies konkret bei dem jeweiligen Pflegegrad bedeutet. Isabella Schüling, Pflegefachkraft, Pflegeberaterin und pflegende Angehörige sieht in dieser Erhöhung nur einen Tropfen auf den heißen Stein. So meint sie zum Anstieg der Pflegesachleistungen beispielsweise bei Pflegegrad 2:

Hier ist eine Differenz von 35 Euro. Wer die Stundensätze der ambulanten Pflegedienste kennt, weiß, dass dies noch nicht einmal eine Stunde der Versorgung mehr im Monat deckt.

Keine Erhöhung des Pflegegeldes: Forderungen von pflegenden Angehörigen ignoriert

Im Gegensatz zu den Pflegesachleistungen gibt es keine Erhöhung des Pflegegeldes ab Januar 2022. Isabella Schüling empfindet eine solche Erhöhung aber für dringend notwendig. Trotz Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium sah die Politik hier keinen Handlungsbedarf. Isabella Schüling meint dazu:

Wieder mal ein derber Schlag ins Gesicht der vielen Pflegenden in Deutschland.

Den psychischen und physischen Kraftakt, der eine Pflege zuhause bedeutet, mit Geldleistungen und sozialen Sicherung wertzuschätzen, habe die Politik laut Schüling wieder einmal verpasst. Auch Claus Fussek, prominenter Pflegeexperte, Pflegekritiker und pflegender Angehöriger aus München, spricht sich für eine Erhöhung des Pflegegeldes aus. Er sieht dies aber auch kritisch und meint dazu:

Die Verwendung des Pflegegeldes muss allerdings kontrolliert werden, da nach meiner Erfahrung dieses Geld leider nicht immer auch bei den betroffenen pflegebedürftigen Menschen ankommt.

Seiner Meinung nach braucht es kreative und vor allem vielfältige Lösungen, damit die Pflege zuhause besser gelingen könnte. Die müssen aber von der Kommune und den Menschen vor Ort selbst kommen. Als Stichwort nennt er an der Stelle Nachbarschaftshilfe, Wohnen und Leben im Quartier oder präventive Hausbesuche: „Solidarität, Zivilcourage, ethische Haltung und Eigenverantwortung sind Voraussetzungen für einer zivilisierte Gesellschaft. Pflege geht uns früher oder später alle an und muss eine der zentralen Schicksalsfragen der Gesellschaft werden!“