Das LG Köln hat mit seinem Urteil vom 09.04.2018 (Az.: 26 O 360/16) entschieden, dass durch einen Smalltalk über die Gesundheit keine Beratungspflicht des Versicherungsvermittlers entsteht.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jens Reichow, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer bestand ein Lebensversicherungsvertrag nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. In Bezug auf die Berufsunfähigkeitsversicherung bestand folgende Vereinbarung:
„Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Er muss innerhalb von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Wird uns die Berufsunfähigkeit später als sechs Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt, so entsteht der Anspruch auf die Versicherungsleistungen erst mit Beginn des Monats der Mitteilung, es sei denn, der Ansprucherhebende kann mangelndes Verschulden an der Verspätung nachweisen.“
Im Lauf der Zeit beantragte der Versicherungsnehmer bei dem Versicherer mehrere Policendarlehen und später eine Unterbrechung der Beitragszahlungspflicht, welche auch genehmigt und mehrfach verlängert wurde. Anschließend kam es telefonisch am 07.08.2014 zu einer Leistungsbeantragung wegen Berufsunfähigkeit. Hieraufhin gab der Versicherer ein Anerkenntnis ab und leistete für den Zeitraum ab dem 01.08.2014 die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente.
Anschließend macht der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer Schadensersatzansprüche geltend. Er behauptet bereits seit 2008 an schweren Depressionen erkrankt zu sein und den Versicherungsfall nicht vorher geltend gemacht zu haben, weil er das Bestehen der Zusatzversicherung vergessen hätte. Er habe aber auch vor August 2014 dem Versicherungsvertreter des Versicherers gegenüber von seinen gesundheitlichen Problemen berichtet, wenn er diesen ab und zu zufällig in der Stadt getroffen habe. Der Versicherungsnehmer ist der Meinung, hieraufhin hätte man ihn auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung hinweisen müssen.
Entscheidung
Das LG Köln hat die Klage (Az.: 26 O 360/16) abgewiesen und somit einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers verneint.
Nach Ansicht des Gerichts sind keine Schadensersatzansprüche erkennbar, wenn nicht feststeht, dass der Versicherungsvermittler dienstlich oder privat zuverlässig Kenntnis von einer bestehenden Berufsunfähigkeit beziehungsweise zumindest von einer naheliegenden Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers erlangt hat.
Nicht ausreichend für eine solche Kenntnis sind zufällige Treffen mit dem Versicherungsnehmer, in welchen dieser angibt es gehe ihm gesundheitlich nicht gut. Aus dieser Äußerung drängt sich dem Versicherungsvermittler nicht die Möglichkeit einer Berufsunfähigkeit auf. Dies wäre für eine Beratungs- und Hinweispflicht allerdings notwendig gewesen. Gerade bei einer Kenntniserlangung im privaten Bereich hat der Versicherungsvermittler lediglich eingeschränkte Kenntnis über die Vertragssituationen des Versicherungsnehmers zur Verfügung und kann eine umfassende und angemessene Beratung nicht vornehmen. Somit kann diese auch nicht dann von ihm erwartet werden.
Fazit
Nach dem Urteil des LG Köln gibt es durchaus hohe Anforderungen an das Entstehen der Beratungspflicht. Ein bloßer Smalltalk reicht hierfür nicht aus. Außerdem kann aus bloßen gesundheitlichen Problemen nicht zwingend auf eine Berufsunfähigkeit geschlossen werden.
Gerade aber wenn es sich bei dem Versicherungsvermittler um einen Versicherungsmakler handelt, so sollte er sich jedoch bewusst sein, dass von ihm als treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers gegebenenfalls höhere Anforderungen als an einen Versicherungsvertreter zu stellen sind. Versicherungsvermittler sollten daher durchaus kritisch hinterfragen, wenn Versicherungsnehmer sie mit für den vermittelten Versicherungsschutz gegebenenfalls relevanten Informationen konfrontieren.
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