Finanzielle Freiheit oder Hamsterrad

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Ein internationaler Vergleich zeigt: Finanzielle Unabhängigkeit ist für Menschen über Landesgrenzen hinweg ein elementarer Aspekt von Freiheit. Sowohl in Europa als auch den USA liegt ihre Bedeutung fast gleichauf mit Grundrechten wie freier Meinungsäußerung und Bewegungsfreiheit.

Auf dem Weg zu finanzieller Freiheit bleiben jedoch vor allem die Menschen in Deutschland konservativ: In keinem anderen Land beziehen so viele Menschen ihr Einkommen aus einem Angestelltenverhältnis – nur die wenigsten legen ihr Geld gewinnbringend an.

Zu diesem Ergebnis kommt der zweite, internationale Teil des Financial Freedom Reports 2021 der Lebensversicherung von 1871 a. G. München (LV 1871), der im Oktober in Zusammenarbeit mit YouGov durchgeführt wurde.

Laut Hermann Schrögenauer, Vorstand der LV 1871, würde die Ergebnisse ihrer Umfragen klar machen: Den Menschen in Deutschland ist Selbstständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit zwar besonders wichtig, aber sie tun zu wenig dafür. Wer von einem selbstbestimmten Leben träumt, müsse seine Finanzen selbst in die Hand nehmen und darf sich nicht allein auf den Staat verlassen, so Schrögenauer.

Schon die Ergebnisse des ersten Studienteils vom April 2021 würden zeigen, dass sich nur wenige Bundesbürger auf dem Weg zu finanzieller Freiheit befinden. Finanzielle Ziele würden in Deutschland bescheiden gesteckt werden; alternative Lebensentwürfe jenseits von „festangestellt bis zum Ruhestand“ könne sich kaum jemand vorstellen. Bloß kein Risiko eingehen laute die Devise. Dabei würde die Mehrheit ihr Geld mit renditeschwachen Anlagen verschenken und bei der Altersabsicherung allein auf den Staat bauen. Der internationale Vergleich zeige einmal mehr, wo es in Deutschland noch hakt.

Freiheitsverständnis: finanzielle Unabhängigkeit gleichauf mit Grundrechten

„Finanzielle Unabhängigkeit“, „freie Meinungsäußerung“ sowie „Bewegungsfreiheit“ werden über Landesgrenzen hinweg am stärksten mit Freiheit verbunden. In Deutschland steht selbstbestimmtes Handeln über allem (77 Prozent), darauf folgt freie Meinungsäußerung (75 Prozent); finanzielle Unabhängigkeit liegt auf dem dritten Platz (69 Prozent).

Kurios: Gerade in den USA, wo Finanzgurus den größten Zulauf erhalten, spielt finanzielle Unabhängigkeit als Aspekt von Freiheit anscheinend eine geringere Rolle (58 Prozent). Ganz anders in Norwegen: Hier steht finanzielle Unabhängigkeit (75 Prozent) sogar noch vor freier Meinungsäußerung (68 Prozent).

Unterschiedliche Vorstellungen beim Begriff „Finanzielle Freiheit“

Die meisten Bundesbürger verstehen unter finanzieller Freiheit „Unabhängigkeit in allen Lebenslagen“ (65 Prozent). Auch im Ländervergleich liegt Deutschland bei diesem Wert mit Italien (65 Prozent) an der Spitze. In den USA und Großbritannien verbindet man mit finanzieller Freiheit vor allem Emanzipation von Gehalt (GB: 44 Prozent, USA: 43 Prozent) und Arbeit (GB: 40 Prozent, USA: 36 Prozent). In Polen wird finanzielle Freiheit noch häufig mit Reichtum und Sparen (37 Prozent) und stark mit der Erfüllung von Träumen verbunden (57 Prozent).

Deutschland bleibt Land der Angestellten

Schaut man sich die Einkommensquellen an, zeigt sich jedoch, dass insgesamt noch zu wenig getan wird, um finanzielle Freiheit zu erreichen. So beziehen in Deutschland nur 15 Prozent der Befragten ein Einkommen aus Geldanlagen oder Krediten; in Polen sind es sogar lediglich 2 Prozent.

Die Menschen in Deutschland arbeiten im internationalen Vergleich auch mit Abstand am häufigsten in einem Angestellten-Verhältnis (66 Prozent). Noch dazu legen die meisten Bundesbürger ihr Geld falsch an. Aktuellen Statista-Zahlen zufolge nutzt fast jeder zweite in Deutschland Girokonto und Sparbuch zur Geldanlage – in der Niedrigzinsphase die denkbar schlechteste Wahl. Nur 17 Prozent der Menschen hierzulande investieren in Aktien – in den USA hingegen sind es mit 55 Prozent mehr als dreimal so viel.

Während sich der Faktor Geschlecht insgesamt kaum auf die Ergebnisse der Studie auswirkt, zeigen sich bei den Einkommensquellen starke Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Über Landesgrenzen und Kontinente hinweg beziehen Männer weit häufiger Einkommen aus Mieteinnahmen und Geldanlagen oder Krediten als Frauen. Besonders beim Thema Geldanlage gibt es bei Frauen international Nachholbedarf.

Wunschalter für den Renteneintritt: Deutschland konservativ

Gefragt nach dem gewünschten Renteneintrittsalter zeigen sich die meisten Bundesbürger bescheiden. Zwar können sich 58 Prozent der Menschen in Deutschland vorstellen nur bis 60 zu arbeiten und liegen damit international an der Spitze. Von der Rente vor dem 50. Geburtstag (9 Prozent) oder gar früher (mit 40 Jahren: 1,6 Prozent; mit 30 Jahren: 1,7 Prozent) träumen jedoch nur wenige. In Polen hingegen wünschen sich vergleichsweise viele Menschen (21 Prozent), mit 50 Jahren in den Ruhestand zu gehen, bei 40 Jahren sind es in den USA immerhin noch 5 Prozent. Beide Länder bilden jedoch auch beim Wunsch, lebenslang zu arbeiten, die Spitze (USA: 7 Prozent; Polen: 6 Prozent; Deutschland: 3 Prozent). Hier scheint es selbstbestimmtere Vorstellungen beim Thema Renteneintritt zu geben.

Finanzielle Freiheit bedeutet selbstbestimmtes Leben

In Zeiten von Minuszinsen und wackelndem Rentensystem wird laut Schrögenauer Finanzplanung gleichbedeutend mit Lebensplanung. Finanzielle Freiheit gehe uns alle an, doch die typisch deutsche Mentalität – Bescheidenheit und Risikoscheu – würde vielen im Weg stehen, die sich finanzielle Unabhängigkeit wünschen.

Die Mehrheit der Bundesbürger verließe sich auf die vermeintliche Sicherheit der Festanstellung und die staatliche Altersvorsorge. Auch die Politik würde auf dem Gebiet mit Fantasielosigkeit glänzen und keine ausreichende Stütze bieten. Dabei sei die deutsche Wirtschaft stark, die Arbeitslosenquote niedrig und die Privatvermögen sind auf Rekordhoch, so Hermann Schrögenauer.

Der LV 1871 Vorstand ergänzt:

Die wenigsten Menschen werden in einen Zustand hineingeboren, in dem sie sich keinerlei Gedanken um ihre Finanzen machen müssen. Der Umgang mit Geld muss und kann erlernt werden – das ist ein essenzieller Schritt auf dem Weg in die finanzielle Freiheit. Dafür benötigt es unabhängige Berater, die Finanzplanung ganzheitlich denken, differenziert beraten und individuelle Lösungen anbieten.

Verbreitete Berührungsängste mit Finanzen müssen abgebaut und über Risiken und Möglichkeiten muss aufgeklärt werden. Denn die persönliche Finanzplanung gehöre laut Schrögenauer in vertrauenswürdige Hände.