Die SHB Versicherung aus Königswinter kümmert sich seit 100 Jahren als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit um die Sicherheit ihrer Mitglieder aus dem Lebensmittelgewerbe.
Dr. Alfred Mathy & Wolfgang Riecke, Vorstände der SHB, gehen im Interview auf die Anforderungen einer Branche ein, die im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig ist.
Auf die Schnelle denken dabei viele an REWE, EDEKA, Aldi oder Lidl. Neben den bekannten großen Supermarktketten leisten insbesondere viele kleine und mittlere Produzenten einen wichtigen Beitrag, um den täglichen Bedarf abzudecken. Dabei können die Produktionsstätten der Bäckereien, Metzgereien, Käsereien, Gärtnereien, Landwirte, Brauereien – um nur einige zu nennen – unterschiedlicher nicht sein.
Regionalität, Frische und kurze Lieferwege werden immer beliebter. Gleichzeitig steigt der Qualitätsanspruch – insbesondere durch Nachhaltigkeit – enorm. Hinzu kommt teilweise der globale Wettbewerb, der die Margen drückt.
Andererseits erlebte die Lebensmittelbranche durch die Corona-Pandemie einen regelrechten Boom und verzeichnete immense Zuwächse, trotz mancher Lieferengpässe. Wie wirkt sich all das auf die Risiken und deren Absicherung aus?
Die SHB konzentriert sich auf die Absicherung vieler kleiner Produzenten. Wie sind die Unternehmen bislang durch die Krise gekommen?
Wolfgang Riecke: Als Versicherer des Bäckerhandwerks stehen wir nunmehr seit 100 Jahren als Spezialversicherer unseren Mitgliedern partnerschaftlich zur Seite. Die Pandemie und das Unwetter vom 14.07.21 sind nicht spurlos an unserer Zielgruppe vorbeigegangen, das belegen schon die unzähligen Anfragen im Bereich der Betriebsschließungen und Elementarschäden.
Gerade im Bereich der Elementarschäden konnten wir unbürokratisch und kurzfristig mit unseren Sachverständigen direkt vor Ort unseren Versicherungsnehmern helfen.
Wie sich dies alles auf die Fortführung des jeweiligen Geschäftsbetriebs auswirken wird, können wir derzeit noch nicht abschätzen.
Auf welche Bereiche der Lebensmittelhersteller konzentrieren Sie sich mit Ihren Deckungskonzepten?
Wolfgang Riecke: Unseren Mitgliedern des Bäcker- und Lebensmittelhandwerks bieten wir die auf sie individuell abgestimmte, optimale Absicherung. Hierbei zeichnet sich unser Angebot durch die Erfahrung aus der traditionellen Verbundenheit mit der Bäckerbranche aus.
Dr. Alfred Mathy: Darüber hinaus werden wir uns in Zukunft auch intensiv auf die privaten Kunden und gewerblichen Kunden im Maklermarkt ausrichten. Dazu passen wir gerade unsere internen Prozesse und die IT-Landschaft an die besonderen Anforderungen an.
Die Betriebe müssen bestimmte Hygienevorschriften und Gesetze einhalten. Hat Corona die Risiken der Betriebe verschärft?
Dr. Alfred Mathy: Die Betriebe im Bereich der Lebensmittelindustrie haben bereits aus ihrem originären Betrieb heraus strikte Anforderungen an die Einhaltung der Hygienevorschriften und werden im Rahmen von regelmäßigen Kontrollen schon immer überprüft. Die Pandemie hat daher auf diese Vorschriften aus unserer Sicht keine verschärfte Auswirkung.
Welche Versicherungen sind für Lebensmittelproduzenten, auch für die klein(st)en, unverzichtbar?
Wolfgang Riecke: Hier bieten wir unseren Kunden mit der SBS Top Police eine Multirisk-Police inklusive einer dynamischen Betriebsschließungsklausel sowie einer weitreichenden Absicherung. Die Police beinhaltet die Komponenten der Inhaltsversicherung, Ertragsausfallversicherung, Glasbruchversicherung, Transportversicherung, Betriebs-Haftpflichtversicherung, Elektronikversicherung sowie einer Maschinenversicherung. Das Ganze zu einem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis im Marktvergleich.
Wie unterscheiden sich zum Beispiel die Anforderungen von Händlern gegenüber Produzenten?
Wolfgang Riecke: Grundsätzlich sind aus unserer Sicht Lebensmittelunternehmer im hohen Maße verpflichtet, die Voraussetzungen für eine sehr gute Lebensmittelhygiene und die Abgabe sicherer Lebensmittel darzustellen.
Die Betriebshygiene für Händler wie Produzenten wird maßgeblich durch die vor Ort gegebenen baulichen Gegebenheiten, insbesondere durch eine ausreichende Größe und Trennung verschiedener Produktions- und Lagerbereiche bestimmt.
Daraus ergeben sich zwangsläufig, nicht zuletzt gerade im Bereich der Feuerbetriebsunterbrechung, besondere Anforderungen an Brandschutzeinrichtungen. Somit ergeben sich aus unserer Sicht nur marginale Unterschiede zwischen Händlern und Produzenten im Bereich der Lebensmittelindustrie.
Wie dürfen wir uns eine professionelle Risikoanalyse für diese Zielgruppen vorstellen?
Wolfgang Riecke: Gerade im Bereich der Multirisk-Absicherung gilt es, den Bäcker vor Ort zu betreuen und sich die Örtlichkeiten genau anzusehen. Dabei sind neben der elektronischen Ausstattung die Bausubstanz sowie die Lagerräume genau zu bewerten. Gerade im Hinblick auf das Thema einer Betriebsunterbrechung gilt es im Gespräch mit dem Kunden, einen fundierten nachvollziehbaren Stand zu ermitteln.
Welche Rolle spielen Produkthaftung oder auch das Cyberrisiko mittlerweile?
Dr. Alfred Mathy: Beide Punkte sind in der heutigen Zeit aus unserer Sicht als existenzbedrohend anzusehen. Insbesondere das Cyberrisiko sehen wir auf der Seite unserer Kunden sowie auch auf der Seite der Versicherer als bedeutendes Risiko an. Aktuelle Beispiele im Markt zeigen, dass hier weiterhin in der datenbasierten Landschaft von Unternehmen, welche auf digitalen Informationen basiert, ein enormes Risiko besteht.
Diese Cyberrisiken stellen ein bedeutendes und gleichzeitig nur sehr schwer quantifizierbares operationelles Risiko dar. Die Schadenursachen zielen auf Integrität, Verfügbarkeit sowie Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten oder Prozessen ab und werden durch Cyberangriffe von außen oder eigene Mitarbeiter initiiert. Hier ist es gerade für kleine und mittlere Unternehmen besonders wichtig, im Fall der Fälle eine Hilfestellung von Spezialisten zu haben.
Lieferketten und der Onlinehandel digitalisieren auch die Ernährungsbranche. Welche Konsequenzen berücksichtigen Sie bei der Absicherung?
Wolfgang Riecke: Im Rahmen unserer SBS Top Police haben wir eine Absicherung im Bereich des Datenschutzes sowie aller elektrotechnischen/elektronischen Anlagen eingebaut. Zudem bieten wir in anderen Bereichen eine Absicherung für den Bereich der Cyberrisiken an.
Wie digital muss sich ein moderner Versicherer in diesem Umfeld heute positionieren?
Dr. Alfred Mathy: Das deutlich veränderte Kundenverhalten und die Anforderungen der unterschiedlichen Vertriebswege zeigen, dass die Prozesse sich diesen Anforderungen anpassen müssen. Wenn man sich die Punkte „on demand“ oder das Thema Multikanal anschaut, sieht man, dass unter anderem die Digital Natives hohe Anforderungen an Versicherer und deren Produkte sowie Services stellen. Diesen neuen Anforderungen müssen wir uns als Service-Versicherer stellen und auch anpassen.
Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich mit Ihren Kunden gemacht?
Wolfgang Riecke: Im Rahmen unserer heterogenen Kundenstruktur sehen wir die ganze Bandbreite an Auseinandersetzungen mit diesem Thema. Aus unserer Sicht zeigt sich, dass mit einer digitalen Gesamtstrategie die Tradition des Bäcker und Lebensmittelhandwerks im hart umkämpften Markt erhalten werden kann und somit der Bäcker für die Zukunft aufgestellt ist.
Neben der Vereinfachung von bestehenden Arbeitsprozessen sowohl in der Herstellung als auch im Verkauf gilt es mehr denn je, Kunden mit neuen Marketingaktivitäten zu begeistern und zu erreichen. Dies gilt nicht zuletzt auch für das Thema Social Media, zum Beispiel Instagram oder andere bekannte Plattformen.
Stichwort „digitale Touchpoints“: Welche Trends stellen Sie fest?
Wolfgang Riecke: Die Möglichkeiten, unsere Kunden und Vermittler zu erreichen, sind im Zuge der Digitalisierung vielfältiger und komplexer geworden: Klassische Kommunikationswege reichen schon lange nicht mehr aus. Die Corona-Krise hat die digitale Kundenkommunikation noch einmal auf ein neues Niveau angehoben.
Schon lange versuchen Versicherer ihre digitalen Kunden- und Vermittlerkontakte zu erhöhen, denn je mehr Touchpoints, umso besser ist die Markenerkennung und die digitale Reichweite im hart umkämpften Versicherungsmarkt. Der digitale Kontaktweg wird weiterhin an Bedeutung gewinnen und geht einher mit der Erwartung einer schnellen „Response-Zeit“ auf Fragen des Kunden oder des Vermittlers.
Zugleich bleibt aus unserer Sicht der Wunsch nach einem persönlichen Ansprechpartner bestehen; dies gilt insbesondere bei komplexeren Versicherungsangelegenheiten. Die Herausforderung wird für unser kleines Haus also sein, den Kunden/Vermittler im richtigen Moment mit der richtigen Ansprache auf dem richtigen Kanal zu erreichen.
Worauf muss ein*e Versicherungsmakler*in bei der Beratung achten?
Dr. Alfred Mathy: Nicht zuletzt seit der Pandemie haben sich Makler, Vertreter und Versicherer mehr denn je mit digitalen Lösungen rund um Onlineberatung, Datenverwaltung und Vertrieb beschäftigt. Makler bemühen sich um digitale Lösungen, Kunden werden vermehrt über digitale Distanz hinweg beraten und die Digitalisierung der gesamten Branche ist im vollen Gang.
Wie unterstützen Sie Ihre Vertriebspartner*innen?
Dr. Alfred Mathy: Im Zuge der Neuausrichtung und Implementierung einer neuen Systemlandschaft werden wir uns neben bekannten Themen wie Maklerportal, digitale Abschlussstrecke und Schadenmeldung auch die digitale Kommunikation mit den Vertriebspartnern ansehen. Das Ganze immer unter dem Aspekt Customer Experience.
Welche Pläne verfolgen Sie mittel- und langfristig?
Wolfgang Riecke: Im Zuge der Neuausrichtung der SHB Versicherung bezeichnen wir uns gerne, als Start-Up mit 100-jähriger Anlauferfahrung und einem gewachsenen Kundenbestand sowie ausreichendem Eigenkapital.
Wir stellen uns aktuell in Königswinter komplett neu auf, das bedeutet eine neue IT-Landschaft, neue Prozesse sowie eine vollständige Überarbeitung der vorhandenen Produkte im Bereich Hausrat, Haftpflicht, Unfall und Wohngebäude. Im Bereich der Multirisk-Lösung (SBS Top) möchten wir die SHB Versicherung als ersten Ansprechpartner im Maklermarkt mit herausragendem Service für den Bereich des Lebensmittelhandwerks etablieren.
Darüber hinaus gilt es, das Geschäftsfeld neben den Privatkunden für kleine und mittlere Gewerbetreibende auszubauen und das Unternehmen auf die Anforderungen im Maklermarkt auszurichten. Gleichzeitig möchten wir über den Ökosystemansatz unseren Kunden einen Servicemehrwert bieten. Somit gilt es auch, die SHB Versicherung vom reinen Kostenerstatter zum Servicedienstleister zu entwickeln.
Als ersten Schritt in diesem Ökosystem werden wir Anfang 2022 unseren Kunden, nicht zuletzt durch unsere nun im Haus vorhandene langjährige Erfahrung im Rechtsschutzmarkt, eine umfängliche Pay-per-Use-Lösung für den Bereich der rechtlichen Beratung und Mediation anbieten.
Herr Dr. Mathy, Herr Riecke, vielen Dank für das Gespräch.
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