Lockdown pusht Digitalaufschwung

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Die Versicherer in Deutschland haben bei der Digitalisierung seit 2019 einen großen Sprung nach vorn gemacht. Ein Großteil war gezwungen, die Kundenkommunikation über Online-Kanäle aufzubauen oder weiterzuentwickeln. Jeder vierte Versicherer vermeldet zudem Aktivitäten bei der digitalen Transformation des Geschäfts.

Diese Erkenntnisse ergeben sich aus der Studie Branchenkompass Insurance 2021 von Sopra Steria in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut. Außerdem hat laut der Studie das Gros der Versicherer in den vergangenen zwei Jahren stark in die digitale Basisarbeit investiert.

Eine integrierte Kundendatenbank zählt entweder bereits zur Grundausstattung oder wird es bald. Nur so können Versicherer überhaupt Kundendaten aus unterschiedlichen Kanälen und Versicherungssparten zusammenführen und die Kundenkommunikation sowie die Produktlandschaft verbessern.

Rund die Hälfte (52 Prozent) der zirka 530 Versicherer in Deutschland bietet seinen Kunden zudem eine oder mehrere Apps zur Interaktion an. 2019 waren es 37 Prozent. Fast ebenso viele (51 Prozent) beraten bei Bedarf per Videochat – mehr als doppelt so viele wie vor zwei Jahren.

Die Investitionen in die kanalübergreifende Sicht auf die Customer Journey und die einfache Kommunikation via Video, Chat oder App würden laut Kai-Uwe Reiter, Leiter Insurance Consulting bei Sopra Steria vielen Versicherern bereits Vorteile verschafft haben.

Sie würden so beispielsweise Schäden von Flutopfern schneller regulieren können als mit ihren traditionellen Geschäftsprozessen, die noch viel Schriftverkehr vorsehen. Das steigere die Kundenzufriedenheit und drücke darüber hinaus die Schaden-Kosten-Quoten.

Digitale Geschäftsmodelle nehmen Formen an

Darüber hinaus lösen sich Versicherer mit den Investitionen in die Digitalisierung zunehmend vom klassischen Geschäftsmodell als Zahler in der Not, mit dem es immer schwieriger wird, genügend Wachstum zu erwirtschaften.

Dank Sensortechnologien und dem Einsatz von Machine-Learning-Verfahren soll künftig die Prävention für mehr Zählbares auf der Einnahmenseite sorgen. Die klassische Präventivberatung, beispielsweise zur Vermeidung von Umweltschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung, könnte durch datengetriebene Dienstleistungen wie sensorbasierte Warnungen oder Entscheidungen erweitert werden.

Erste Ansätze mit Telematiktarifen bei Kfz-Versicherungen, bei denen das von Sensoren gemessene Fahrverhalten den Beitrag bestimmt, gibt es schon länger. Mithilfe des Internets der Dinge (IoT) ließe sich dieser Ansatz datengetriebener Entscheidungen auf nahezu jedes andere Gut übertragen, so Kai-Uwe Reiter.

Ein Beispiel dafür ist der Gebäudeschutz: Das Fintech Luko überwacht mithilfe von Sensoren Türen, Wasserleitungen und Stromzähler, um letztlich Brände, Überschwemmungen oder auch Einbrüche zu verhindern.

Knapp die Hälfte der Versicherer ist überzeugt: Die aktuellen und kommenden digitalen Geschäftsmodelle werden nicht erst in ferner Zukunft Gewinne abwerfen. 44 Prozent der Befragten rechnen bis 2023 mit einem deutlichen Relevanzgewinn komplett digitaler Produkte.

Von einem radikalen Umschwenken auf rein digitale Geschäftsmodelle ist in absehbarer Zeit allerdings nicht in großem Umfang auszugehen.