Wohngebäude: Urteil zur Leistungspflicht bei Sturmflut und Überschwemmung

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Mit Urteil vom 26.02.2020 (Az.: IV ZR 235/19) wies der BGH das Eingreifen eines Ausschlusses für Schäden durch Sturmflut ab, wenn die dadurch eingetretenen Schäden nicht unmittelbar durch eine Sturmflut verursacht wurden.

Die klagende Versicherungsnehmerin macht gegen die beklagte Versicherung Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung geltend. Das versicherte Hafenhaus liegt in einem Stadthafen der direkt in die Ostsee mündet.

Zusätzlich zur Wohngebäudeversicherung wurden die „Allgemeine Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur Feuerversicherung (ECB 2010)“ in den Versicherungsvertrag aufgenommen.

Björn Thorben M. Jöhnke, Rechtsanwalt, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

In der Nacht vom 04. auf den 05.01.2017 zog ein Tiefdruckgebiet über die Ostsee und infolge von Starkregen wurden an der Küste Wasserstände von bis 1,60m über dem mittleren Wasserstand erreicht.

Das Wasser konnte nicht abfließen und staute sich landeinwärts auf, woraufhin es am Standort des Hafenhauses ausuferte und das Grundstück überflutete.

Durch die Überflutung kam es zu einem Gebäudeschaden in Höhe von 13.504,89 Euro. Die Versicherung verweigerte die Deckung des Schadens mit Verweis auf den Ausschluss in ECB 2010 (siehe nachfolgend).

Rechtliche Würdigung

Der Versicherer hat geltend gemacht, dass in den ECB 2010 ein Ausschluss greifen würde, dieser lautet wie folgt:

„1. Versicherte Schäden

Der Versicherter leistet Entschädigung für versicherte Sachen die durch Überschwemmung oder Rückstau zerstört oder beschädigt werden […].

Nicht versicherte Schäden
a) Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch aa) Erdbeben; bb) Sturmflut.“

Vor dem BGH bestand kein Streit mehr darüber, ob eine Überschwemmung ursächlich für den Schaden wurde. Kern der rechtlichen Würdigung ist die Frage, ob die vorliegende Überschwemmung (vgl. KG Berlin v. 18.05.2018 – 6 U 162/17) unter den Begriff „Sturmflut“ zu fassen ist.

Sturmflut – Eine Frage der Auslegung

Der BGH wies die Ausführung der Versicherung zurück, nach dieser sei der vereinbarte Ausschluss in Ziff. 4 lit. a bb) ECB 2010 eingreifend und das Ausufern des Wassers als Sturmflut zu begreifen. Der BGH nahm eine Begriffsauslegung des Ausschlusses vor.

Bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an, der keine versicherungsrechtliche Spezialkenntnis besitzt. Ausschlüsse werden dabei eng ausgelegt. Dadurch dass der Versicherungsnehmer unter Umständen seinen Versicherungsschutz verlieren könnte, geht sein Interesse dahin, die Bedeutung des Wortes nicht weiter gegen sich gelten zu lassen, als es der erkennbare Sinn der Klausel gebietet.

Der Begriff der Sturmflut ist in den AVB nicht definiert. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sind Einstufungen einer Sturmflut nach DIN-Norm oder internen behördlichen Maßgaben außerhalb seiner Erwartungen.

Zur Auslegung des Begriffes wandte der BGH die im Duden definierte Beschreibung an. Demnach ist eine Sturmflut ein durch auflandigen Sturm bewirktes, außergewöhnlich hohes Ansteigen des Wassers an Meeresküsten und in Flussmündungen.

Ein verständiger durchschnittlicher Versicherungsnehmer muss nicht verstehen, dass auch solche Schäden ausgeschlossen sind, die mittelbar aufgrund einer Sturmflut eintreten. Vorliegend kam es durch den eingetretenen Rückstau im Hafen zu einer Erhöhung des Wasserstandes und sodann zu einer Überschwemmung im Hafenbereich. Die Schadensursache war nicht unmittelbar die Sturmflut.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Bei der Auslegung von Ausschlüssen gelten zugunsten der Versicherungsnehmer strengere Vorgaben. Es werden nur solche Umstände wirksam ausgeschlossen, die hinreichend klar und präzise umschrieben sind. Im Versicherungsfall kann die Leistungspflicht insbesondere bei Sturmflutschäden trotz eines Ausschlusses in Gänze erhalten bleiben.

Bei Schadensfällen im Sachversicherungsrecht sollte immer der jeweilige Einzelfall juristisch überprüft werden. Anhand bereits ergangener Rechtsprechung sollte geklärt werden, ob der eingetretene Schaden von der Versicherung, beziehungsweise den Versicherungsbedingungen gedeckt ist.