Pflichtverletzung des PKV-Kunden. Darf der Versicherer außerordentlich kündigen?
Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte sich mit der Frage zu befasst ob eine Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers, die bei einem fast 35 Jahre andauernden Vertragsverhältnis zu einem Schaden des privaten Krankenversicherers führt, eine außerordentliche Kündigung des Vertrages durch den Versicherer rechtfertigt.
Dabei hatte das Gericht auch zu klären, ob schwerwiegende Vertragsverletzungen der mitversicherten Ehefrau des Versicherungsnehmers eine außerordentliche Kündigung des gesamten Versicherungsvertrages rechtfertigen (OLG Nürnberg, Urt. v. 09.07.2020 – 8 U 49/20).
Der Sachverhalt
Der Kläger unterhält seit 1984 bei dem beklagten Versicherer eine private Krankenversicherung. Die Ehefrau des Versicherungsnehmers war mitversichert. Diese reichte über mehrere Jahre gefälschte Rechnungen, denen keine tatsächlichen Aufwendungen zugrunde lagen, zur Erstattung bei der Beklagten ein, woraufhin der Versicherer Leistungen erbrachte.
Der klagende Versicherungsnehmer beantragte 2013 die Erstattung von Kosten für die Anschaffung einer Brille. Hierfür erhielt der Kläger von dem Versicherer 155 Euro. Sodann gab der Kläger die Brille beim Optiker zurück. Hierüber hatte er die Beklagte jedoch nicht informiert.
Der Versicherer erklärte 2019 die fristlose, außerordentliche Kündigung des gesamten Versicherungsvertrages mit Ausnahme der Pflegepflichtversicherung.
Das Landgericht gab der Klage des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung bezüglich des Versicherungsschutzes des Klägers statt.
Die Kündigung sei nur bezüglich der Ehefrau wirksam gewesen. Gegen dieses Urteil legte der Versicherer Berufung zum OLG Nürnberg ein.
Zum Urteil
Die zulässige Berufung des Versicherers hatte jedoch keinen Erfolg. Zu Recht habe das Landgericht die Kündigung des Versicherungsvertrages in Bezug auf den Kläger für unwirksam gehalten und der entsprechenden Feststellungsklage stattgegeben.
Der streitgegenständliche Krankenversicherungsvertrag unterliege grundsätzlich der Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung seitens des Versicherers.
Soweit § 206 Abs. 1 S. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) für Krankheitskostenversicherungen, die die Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG erfüllen, jegliches Kündigungsrecht des Versicherers ausschließe, sei diese Vorschrift teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie nur die Kündigung wegen Prämienverzugs verbiete, während eine Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des § 314 BGB möglich sei, so das Gericht.
Lediglich im Bereich der Pflegepflichtversicherung bleibe es wegen § 110 Abs. 4 SGB XI dabei, dass jegliche Kündigung des Versicherers ausgeschlossen sei. Dies habe das Landgericht zutreffend erkannt und wurde auch durch die Parteien nicht bezweifelt.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Pflege-Finanzausgleich? Griff nach längst gescheitertem Rezept aus der Mottenkiste
Die Rufe nach einem Finanzausgleich zwischen der umlagefinanzierten Sozialen Pflegeversicherung und der kapitalgedeckten Privaten Pflegepflichtversicherung zeigen, dass die SPV kein eigenes Konzept zur Lösung der demografischen Herausforderungen hat. Benötigt wird eine Strukturreform – mit mehr Eigenvorsorge und Generationengerechtigkeit.
Rechtsmissbräuchlichkeit in Verbindung mit dem DSGVO-Auskunftsanspruch
Ist ein Auskunftsanspruch aus der Datenschutz-Grundverordnung rechtsmissbräuchlich, wenn damit nicht primär datenschutzrechtliche Zwecke, sondern andere Ziele wie die Informationen über Prämienanpassungen verfolgt werden? Darüber hatte das Oberlandesgericht Nürnberg zu befinden.
ottonova launcht Studierendentarif Study Smart
Der neue Studierendentarif inklusive Pflegepflichtversicherung bietet Vorteile einer privaten Krankenversicherung auf dem Preisniveau einer gesetzlichen Krankenversicherung.
Fast jeder zweite Bundesbürger privatversichert
Schon das fünfte Jahr in Folge wechseln mehr Menschen aus der gesetzlichen in die private Krankenversicherung als umgekehrt. Im Saldo ergab sich 2022 ein Plus von 30.300 Versicherten zu Gunsten der PKV. Das ist sogar noch etwas mehr als im Vorjahr.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.