Es ist mit Sicherheit gut, dass die Europäische Union den Kontinent zum Musterschüler in Sachen Klimaschutz machen will. Und da in unserem Wertesystem Gewinnstreben oben auf der Liste steht, ist es wohl richtig, dass Brüssel den Finanzsektor in die Pflicht nimmt. Dieses ambitionierte Regulierungsprojekt gilt ab heute, dem 10. März 2021.
Ein Kommentar von Dr. Bernhard Maasjost, Geschäftsführer der der pma: Finanz- und Versicherungsmakler GmbH.
So geht es auch um die Pflicht, in der Anlageberatung die „Nachhaltigkeitspräferenzen" der Kunden abzufragen. Grundlage ist das EU-Papier vom 6. Dezember 2019, welches die Finanzberater dazu verpflichtet, Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken zu kommunizieren und für die Transparenz von Nachhaltigkeitsaspekten bei Anlageprodukten zu sorgen.
Die gesetzliche Aufgabenstellung ist klar formuliert. Doch erneut wird in der gesetzlichen Regulierungswut nicht festgelegt, wie dieses Vorhaben in der Praxis umgesetzt werden soll. Der Berater muss nun nicht nur die Präferenz zu Produkten abfragen, er muss künftig auch über die Nachhaltigkeitsfaktoren der Produkte berichten.
Konkret bedeutet das: Finanzmarktteilnehmer, von Banken über Vermögensverwalter und Finanzvertriebe bis hin zu Versicherungsvermittlern, sind ab dem 10. März 2021 dazu verpflichtet, den Verbrauchern Informationen über die Auswirkungen von möglichen Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren zugänglich zu machen.
Informationspflicht zu ökologisch nachhaltigen Investitionen
Diese Informationspflicht gilt insbesondere bezogen auf ökologisch nachhaltige Investitionen und solche Finanzprodukte, die mit dem Hinweis auf ökologische Merkmale beworben werden (Art. 5 und 6 Verordnung (EU) 2020/852).
Wie Vermittler und Makler an belastbare Informationen gelangen sollen, ist noch völlig unklar. Wer kann überschauen, was in einem Fonds tatsächlich enthalten ist? Kinderarbeit? Kriegswaffengeschäfte? Kohleförderung? Darf sich der Makler allein auf die Angaben des Fondsanbieters verlassen?
Es fehlen sowohl die technischen Regulierungsstandards, die Details zur Umsetzung enthalten, als auch eine Anpassung der Delegierten-Verordnung (EU) 2017/2359 zum Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten. Diese werden erst im kommenden Jahr kommen. Und jetzt? Ich meine, wir sollten uns in der Branche nicht davon abhalten lassen, uns mit der Offenlegungsverordnung zu befassen, um erste Entscheidungen zu treffen.
Transparenz der Produkte ist wichtig
Wir müssen die kommenden Monate als Übergangsphase betrachten und gleichzeitig den Druck auf Anlageanbieter erhöhen, die Produkte transparent darzulegen. Aktuell ist es noch sehr schwer, unseren Maklern Unterstützung anzubieten, da viele Details der Verordnung noch im Ungenauen liegen.
Wir betrachten die aktuelle Situation pragmatisch aus der Perspektive des Poolanbieters.
Die Finanzdienstleister werden auf die Informationen zurückgreifen müssen, die von der Restwirtschaft geliefert und von den Produktgebern wie Banken, Versicherungs- oder Kapitalanlagegesellschaften sowie Pools – und für die Antragsstrecken auch von den Produktvergleichern und Ratingagenturen – zusammengetragen werden können.
Für den einzelnen Makler bedeutet das aktuell, nach „Treu und Glauben“ zu handeln.
Mangel an klaren Regelungen
Mittelfristig müssen wir unseren Maklern Orientierung und Unterstützung geben. Ich finde es richtig, dies ins Portfolio der Finanzdienstleistung aufzunehmen. Doch damit kommen neue und zusätzliche Aufgaben auf die Berater zu. Ich kritisiere jedoch, dass diese Aufgaben mangels klarer Regelungen aktuell kaum zu lösen sind.
Derzeit herrschen Orientierungs- und Planlosigkeit in der Praxis vor. Die Produktgeber stellen noch nicht ausreichende Informationen zur Verfügung – denn keiner weiß wirklich, was gefragt ist. Es ist ein ‚übersichtliches‘ Chaos.
Was beim Kunden ankommt: Kopfschütteln und Durcheinander. Als pma: haben wir die Vielschichtigkeit und die großen Herausforderungen der neuen Richtlinien frühzeitig erkannt. Darum sind wir Gründungsmitglied des „Arbeitskreis Finanzvermittlung und Nachhaltigkeitsfaktoren“.
Branchenübergreifende DIN-Norm für Nachhaltigkeitsfaktoren
Unser Ziel ist es, eine branchenübergreifende DIN-Norm zu erarbeiten, die Aussagen über Nachhaltigkeitsfaktoren vergleichbar machen soll. Durch unsere Initiative werden wir einen Standard definieren, der dem Berater einen Überblick ermöglicht und hilft, Transparenz herbeizuführen, um so eine Basis für eine angemessene Beratung unter diesen gesetzlichen Regelungen zu schaffen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
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