Der Sparkassen Innovation Hub, die Berliner id-fabrik sowie die Strategie- und Managementberatung zeb, fokussiert auf die europäische Finanzindustrie, veröffentlichen eine neue Studie zum Stand des InsurTech-Marktes in Deutschland. Angefangen bei den InsurTechs und etablierten Versicherungen, über die BigTechs bis zu den Plattformanbietern der Zukunft, liefern die Autoren anhand von neun Thesen eine aktuelle Diskussionsgrundlage und geben Aufschluss darüber, wie die Versicherungswelt transformiert wird.
Die interaktive Studie, die durch Analysen, einzelne Case Studies und externe Expertenstimmen angereichert ist, untersucht die wesentlichen Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre und erscheint im Rahmen des heutigen All-Digital-Thementages der Symbioticon, Hackathon und Tech-Festival der Sparkassen-Finanzgruppe.
Der große Umbruch steht noch bevor
Demnach führten Neo-Versicherungen trotz ihrer neuen Service-Angebote und Popularität bisher noch nicht zu tatsächlichen Machtverschiebungen im deutschen Versicherungsmarkt.
B2B-orientierte InsurTechs sind als Partner und Dienstleister für Versicherer insgesamt erfolgreicher, Fast-Following hat sich bei Letzteren inzwischen als Unternehmensstrategie etabliert. BigTechs und neue Plattformen bieten auch im Versicherungssegment das Potenzial, die Branche aufzuwirbeln.
Versicherungsunternehmen und InsurTechs stehen gleichermaßen vor der Herausforderung, ihre Rolle innerhalb von Ökosystemen zu definieren: Etwa als zentraler Plattformanbieter, Produkt- oder Technologielieferant.
Gestern: Shift zu B2B-Angeboten, Produktangebot wird breiter und komplexer
Zwei Drittel der zwischen 2010 und 2016 gestarteten InsurTechs hatten mit ihren Services einen Fokus auf den B2C-Bereich. Inzwischen sehen die Studienautoren jedoch eine klare Schwerpunktverlagerung: Lediglich 30 Prozent der ersten B2C-InsurTechs sind heute noch unverändert aktiv. Der Anteil der B2B-Anbieter hat sich währenddessen von 28 auf 55 Prozent verdoppelt.
Horst Kleinlein, Senior Partner bei zeb, erläutert den Trend:
Die ersten InsurTechs scheiterten größtenteils daran, ihre neuen Service-Angebote für Endkunden zu monetarisieren. B2B-orientierte Startups konnten sich hingegen als Vorreiter etablieren. Sie skalieren Technologien, um Prozesse in das digitale ‚Heute‘ zu heben. Hierbei treten sie als Partner und Dienstleister für etablierte Versicherer auf.
Auch das Produktportfolio der InsurTechs wird breiter und anspruchsvoller: 40 Anbieter kommen mittlerweile auf 90 Produkte in über 20 Produktkategorien, unter anderem auch in komplexeren Segmenten, wie dem Gewerbeversicherungsbereich oder in der Kranken- und Altersvorsorge.
Heute: Fast-Following als Unternehmensstrategie etablierter Versicherer
Fakt ist: Die etablierten Versicherer holen auf, steuern mit eigenen digitalen Firmenausgründungen dagegen und investieren insbesondere in die Verbesserung der Beratung und in den Ausbau der digitalen Kundeninteraktion.
Auch bei der digitalen Produktverfügbarkeit schließt sich die Lücke: Die 25 größten Versicherer bieten mittlerweile mehr als 70 Prozent der wesentlichen Kompositprodukte digital an.
Thomas Kempf, Geschäftsführer der id-fabrik, ergänzt:
Das Fast-Following hat sich als Unternehmensstrategie für Versicherer etabliert und die erste Hektik hat sich gelegt. Was heute wie eine Entwarnung für die etablierten Anbieter aussieht, kann allerdings auch als Ruhe vor dem Sturm bezeichnet werden. Nicht nur die InsurTechs, sondern auch die erfolgreichen Fast-Follower sind hier Konkurrenten.
Morgen: BigTechs als Partner und Konkurrenz, Plattformen sorgen für Neuordnung
Ein härterer Einstieg der BigTechs in die Versicherungsbranche sowie der Trend zur Plattformökonomie haben das deutliche Potenzial, die Branche auf- und herumzuwirbeln. Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.
Jens Rieken, Leiter des Sparkassen Innovation Hubs, weiß:
Wer es schafft, die Komplexität aus Produkten und Endkundeninteraktion zu reduzieren, wird sich auf digitalen Kanälen durchsetzen. Was für Sparkassen und Banken gilt, trifft auch auf Versicherungen zu: Das Damokles-Schwert der BigTechs rückt immer näher.
Das Bedrohungspotenzial ist indes nicht gleich hoch: Während Microsoft und Facebook eher als Partner auftreten, könnten sowohl Amazon als auch Google in Zukunft eine dominante Vermittlerrolle einnehmen.
Zudem werden Plattformen die Branchen umsortieren. Versicherer stehen deshalb vor der Aufgabe, ihre eigene Rolle innerhalb von Ökosystemen zu definieren. Sie müssen entscheiden, ob sie etwa als zentraler Plattformanbieter, Produkt- oder Technologielieferant agieren wollen.
Rieken meint:
Sollten es die etablierten Versicherer nicht schaffen, Plattformen mit hohem Kundenmehrwert und Interaktionsquoten zu entwerfen, werden sie in die Rolle reiner Produktgeber zurückgedrängt. Schnittstellenfähigkeit und branchenübergreifende Kooperationen sind existenziell.
Zur Studie:
Der Sparkassen Innovation Hub, Think Tank und zentrale Anlaufstelle für FinTechs innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe, und die Berliner id-fabrik, Ideenschmiede der öffentlichen Versicherer, entwerfen seit April 2020 gemeinsam digitale Lösungen für den Versicherungsvertrieb. Zusammen mit zeb, spezialisiert auf die Beratung europäischer Banken, Sparkassen und Versicherer, untersuchten die Autoren die Veränderungen im Versicherungsumfeld der letzten zehn Jahre (2010-2020), mehr als 50 InsurTechs sowie die aktuelle und zukünftige Rolle der BigTechs und neuer Plattformanbieter.
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