Die Berufsunfähigkeits-Direktversicherung, Teil 1

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In den letzten Jahren wurde von immer mehr Lebensversicherern eine Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos in Verbindung mit einer betrieblichen Altersversorgung angeboten. Diese Vorsorgelösung sichert Arbeitnehmern gegenüber einem privaten Versicherungsvertrag wichtige Vorteile. Alexander Schrehardt von AssekuranZoom verdeutlicht in seiner Artikelserie worauf dabei zu achten ist.

Der Versicherungsschutz kann im Rahmen von Gruppenversicherungsverträgen mit rabattierten Beiträgen eingerichtet werden. Die Risikoprüfung beschränkt sich in Abhängigkeit von der Kollektivgröße entweder auf einen verkürzten Antragsfragenkatalog oder im Idealfall auf eine Dienstobliegenheitserklärung des Arbeitgebers.

Eine betriebliche Altersversorgung gegen Entgeltumwandlung wird vom Arbeitgeber mit einem Beitragszuschuss in Höhe von 15 Prozent des Umwandlungsbetrages subventioniert und der präferierte Durchführungsweg Direktversicherung kann im Unternehmen vergleichsweise einfach verwaltet werden.

Diese unstrittigen Vorteile einer betrieblichen Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos von Arbeitnehmern führten in der Vergangenheit dazu, dass diese Vorsorgealternative in vielen Fällen nach dem Gießkannenprinzip auf dem Markt verbreitet wurde. Dabei blieb eine ausreichende Aufklärung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern oftmals auf der Strecke.

„Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte!“

Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer, AssekuranZoom GbR

Dieses Zitat aus der Ballade „Die Bürgschaft“ des deutschen Lyrikers Friedrich Schiller kann sehr gut auf die betriebliche Altersversorgung projiziert werden. So tritt bei der Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung in einem Unternehmen der Arbeitgeber als dritte Vertragspartei bei.

Nachdem der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Versorgungsleistungen zusagt, sollte der Vermittler immer den Arbeitgeber als seinen Kunden sehen und ihn auch entsprechend beraten und aufklären.

Der Gesetzgeber hat im Betriebsrentengesetz normiert, dass der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen haftet.

Dieses Haftungsthema sollte nun nicht über-, aber eben auch nicht unterbewertet werden. So gibt es in der betrieblichen Altersversorgung, und dies gilt auch für die vermeintlich unproblematische BU-Direktversicherung, Fallstricke, über die der Vermittler den Arbeitgeber nachweislich aufklären sollte.

1. Aspekt: Die Versorgungsordnung des Arbeitgebers

Was ist eigentlich eine betriebliche Altersversorgung? Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorgemanagement GmbH, hatte diese Frage einmal wie folgt beantwortet: „Eine betriebliche Altersversorgung ist ein Schnittmengenmodell von Arbeits-, Sozial-, Steuer- und Zivilrecht.“

Diese Aussage hätte nicht treffender formuliert werden können. Es ist eben nicht ausreichend, nur einen Versicherungsvertrag abzuschließen und diesen als Direktversicherung zu deklarieren.

Grundlage einer jeden betrieblichen Altersversorgung ist die Versorgungszusage oder -ordnung des Arbeitgebers. Die betriebliche Altersversorgung in einem Unternehmen kann aber auch im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrags arbeitsrechtlich geregelt werden.

In der Versorgungsordnung müssen beispielsweise der versorgungsberechtigte Personenkreis, die Voraussetzungen für den Zugang zu einer betrieblichen Altersversorgung, wie zum Beispiel in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit im Fall einer Arbeitgeberfinanzierung, die Art der Finanzierung und natürlich die Versorgungsleistungen erfasst werden.

Vermittler sollten zwingend beachten, dass die Erstellung einer Versorgungszusage/-ordnung nicht Gegenstand ihrer Tätigkeit ist, sondern vielmehr eine unzulässige Rechtsberatung darstellt. Die Ausfertigung einer Versorgungszusage/-ordnung bleibt den Rechtsanwälten und Rentenberatern vorbehalten. Diese Klippe kann unproblematisch umschifft werden, da die führenden Gesellschaften mit Dienstleistungsgesellschaften kooperieren, die eine Versorgungszusage/-ordnung gegen ein in der Regel bescheidenes Honorar erstellen.

Invalidität = Berufsunfähigkeit?

Im Betriebsrentengesetz hat der Gesetzgeber normiert, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Leistungen wegen Alters, Invalidität oder der Hinterbliebenenversorgung im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung zusagen kann. Mit dieser Formulierung räumt der Gesetzgeber ein, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer auch nur Leistungen für den Fall einer Invalidität zusagen kann.

Das Bundesministerium der Finanzen hat die Möglichkeit einer Absicherung des Invaliditätsrisikos mit einer Direktversicherung mit seinem Schreiben vom 01.08.2006 steuerrechtlich flankiert. Doch es stellt sich die Frage, wie der Gesetzgeber den Begriff der Invalidität auslegt.

Eine Definition des Invaliditätsbegriffs sucht man im Betriebsrentengesetz vergebens. Vielmehr kann der Arbeitgeber nach Meinung führender Autoren den Begriff der Invalidität in seiner Versorgungsordnung frei definieren. Voraussetzung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt wird.

So könnte eine Invalidität des Arbeitnehmers beispielsweise als teilweise oder volle Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI oder auch als Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen eines Lebensversicherers definiert werden.

Sinnvollerweise sollte ein Gleichklang zwischen der Versorgungsordnung des Arbeitgebers und den Versicherungsbedingungen des korrespondierenden Versicherungsvertrages gegeben sein.

Das heißt, eine leistungspflichtige Invalidität des Arbeitnehmers sollte in der Versorgungsordnung als Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen des Versicherungsvertrages definiert werden.

Versäumnisse bei der Definition einer leistungspflichtigen Invalidität, zum Beispiel aufgrund einer fehlenden Versorgungsordnung oder einer mangelhaften Definition des Invaliditätsbegriffs, gehen dabei zulasten des Arbeitgebers.

2. Aspekt: AVB = AVB?

Bei der Einrichtung einer BU-Direktversicherung sollte der Vermittler beachten, dass die Bedingungswerke für Versicherungsverträge der betrieblichen Altersversorgung im Vergleich zu den AVB von Privatverträgen in einigen Punkten „schlanker“ ausgestaltet werden.

So wird man die regelmäßig für private Versicherungsverträge geforderte „Gelbe-Schein-Regelung“, das heißt eine Tarifleistung für den Fall einer längeren Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person, in den AVB für BU-Direktversicherungen vergeblich suchen.

Nachdem der Gesetzgeber im Betriebsrentengesetz Leistungen wegen Alters, Invalidität oder Tod des Arbeitnehmers als zulässige Versorgungsleistungen einer betrieblichen Altersversorgung benennt, muss Verträgen mit Leistungen im Fall einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die steuerliche Anerkennung verweigert werden.

Nachdem jedoch mindestens eine Gesellschaft eine BU-Direktversicherung mit einer Gelben-Schein-Regelung im Angebot hatte, hielt der Autor eine Anfrage beim Bundesministerium der Finanzen.

Mit seinem veröffentlichten Schreiben vom 19.02.2019 führte das Bundesministerium der Finanzen aus, dass „die Versicherung des Risikos einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit keine Absicherung des biometrischen Risikos Invalidität darstellt und folglich nicht einer betrieblichen Altersversorgung dient.“

Anders formuliert: Eine BU-Direktversicherung mit einer Gelben- Schein-Regelung erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG.

Doch bei einer BU-Direktversicherung muss nicht nur auf eine Absicherung des Arbeitsunfähigkeitsrisikos verzichtet werden. Auch Kapitalleistungen bei einem erstmaligen Eintritt einer Berufsunfähigkeit, Reha- und Wiedereingliederungshilfen, eine optionale Absicherung von schweren Krankheiten oder des Pflegefallrisikos sind nicht im Versicherungsschutz von BU-Direktversicherungen enthalten.

Hiervon bleibt unberührt, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit regelmäßig auch mit einer Pflegebedürftigkeit des Arbeitnehmers begründet werden kann.

 

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Den dritten und vierten Aspekt lesen Sie im folgenden Beitrag. 

Die Berufsunfähigkeits-Direktversicherung, Teil 2

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