OLG München: Darlegungslast zur Schätzung des Ausgleichsanspruches

OLG München: Darlegungslast zur Schätzung des Ausgleichsanspruches
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Das Oberlandesgericht München äußerte sich mit Urteil vom 09. Februar 2017 (Az.: 23 U 4079/15) zur Frage der Darlegungslast zur Schätzung des Ausgleichsanspruches. Hier war insbesondere zur klären, in welchem Umfang der Versicherungsvertreter Angaben darlegen muss, auf deren Grundlage das Gericht gegebenenfalls eine Schätzung des Ausgleichsanspruches vornehmen kann.

Ausgangsfall

In dem Fall des OLG München bestand Streit zwischen einem Versicherungsvertreter und einem Versicherer. Der Versicherungsvertreter vermittelte für den Versicherer etliche Versicherungsverträge. Nach Beendigung des Handelsvertretervertrages machte der Versicherungsvertreter seine Ausgleichsansprüche geltend und legt dabei eine pauschale Schätzung der Höhe des Ausgleichsanspruchs vor.

Der Versicherer meint, dass eine pauschale Schätzung des Ausgleichsanspruches den Anforderungen an eine qualifizierte Anspruchsbezifferung nicht genügt. Der Versicherungsvertreter bringt hiergegen vor, dass den Versicherer eine sekundäre Darlegungslast trifft.

Versicherungsvertreter muss die geeigneten Grundlagen für die Schätzung eines Mindestausgleichsanspruchs darlegen

Laut OLG München trägt der einen Ausgleichsanspruch geltend machende Versicherungsvertreter die Darlegungs- und Beweislast für dessen Voraussetzungen. Dieser ist auch für die nach den „Grundsätzen“ anspruchsbegründenden Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig. Insofern ist der Versicherungsvertreter verpflichtet, geeignete, sich an den Grundsätzen orientierende Tatsachengrundlage darzutun, so dass eine Schätzung des Ausgleichsanspruches der Höhe nach gemäß §287 ZPO erfolgen kann.

Dem OLG München zufolge muss ein Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf allerdings einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während dem Prozessgegner die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und zuzumuten ist. Dabei obliegt es dem Bestreitenden im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen.

Infolgedessen trifft nach Ansicht des OLG München vorliegend den Versicherer keine sekundäre Darlegungslast bezüglich der erwirtschafteten Provisionen. Als Begründung wird hier eingeführt, dass der Versicherungsvertreter nicht außerhalb des Geschehensablaufs steht. Es sei daher die Aufgabe des Versicherungsvertreters, die Berechnungsgrundlagen nachvollziehbar darzulegen, auf denen dann das Gericht eine Schätzung des Ausgleichsanspruches vornehmen kann. Eine pauschale Schätzung genügt insoweit nicht.

Praxishinweis

Das OLG München legt in seiner Entscheidung die Darlegungslast zur Schätzung des Ausgleichsanspruchs dem Versicherungsvertreter auf. Demnach sind Versicherungsvertreter gehalten, geeignete, sich an den Grundsätzen orientierende Tatsachengrundlage darzutun. Anhand dieser Tatsachengrundlage soll dann eine Schätzung des Gerichts nach § 287 ZPO erfolgen können.

Viele Versicherungsvertreter dürften gerade nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erhebliche Schwierigkeiten haben, eine entsprechende Schätzungsgrundlage im gerichtlichen Verfahren darzulegen. Daher kann es aus der Sicht des Versicherungsvertreters prozessual sinnvoll sein, zusätzlich auch einen Auskunftsanspruch geltend zu machen, um an die entsprechenden Informationen für die Schätzungsgrundlage zu gelangen. Näheres zum Inhalt des Auskunftsanspruches ist unserem Artikel OLG München: Inhalt des Auskunftsanspruches des Versicherungsvertreters zur Vorbereitung seines Ausgleichsanspruches zu entnehmen.

Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

 

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