Die Abgrenzung zwischen haupt- und nebenberuflicher Tätigkeit des Versicherungsvertreters hat eine erhebliche Bedeutung bei einer Vielzahl von rechtlichen Fragestellungen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich nunmehr mit Urteil vom 26. Mai 2017 (Az. 16 U 61/16) mit der genauen Abgrenzung zwischen haupt- und nebenberuflicher Tätigkeit des Versicherungsvertreters zu befassen. Das OLG wandte dabei die sogenannte „Übergewichtstheorie“ an.
Sachverhalt vor dem OLG Düsseldorf
Ein Versicherungsvertreter war für eine Unternehmerin zunächst nebenberuflich zur Vermittlung von Versicherungen und im Hauptberuf in der Stahlindustrie tätig. Nach einigen Jahren wechselte er durch Agenturvertrag mit der Unternehmerin in ein hauptberufliches Agenturverhältnis. Auf eigenen Wunsch schloss er mit der Unternehmerin schließlich einen Agenturvertrag für nebenberufliche Agenturinhaber und wechselte zurück in den nebenberuflichen Status.
Die Parteien streiten, ob ab diesem Zeitpunkt tatsächlich nur ein nebenberufliches Versicherungsvertreterverhältnis vorlag. Die getroffenen Vereinbarungen während der hauptberuflichen Tätigkeit behielten nämlich ihre Gültigkeit. Während seiner Tätigkeit gewann der Versicherungsvertreter mehrfach Wettbewerbe der Unternehmerin, welche für hauptberufliche Vermittler ausgelegt waren. Er erhielt trotz der Umstellung auf eine nebenberufliche Tätigkeit weiterhin seine Provision nach der Provisionstabelle für hauptberufliche Vermittler. Auch erhielt er jährlich Schreiben über die Vertriebsziele für hauptberufliche Vermittler.
Nachdem die Unternehmerin das Vertragsverhältnis kündigte, verlangte der Versicherungsvertreter nunmehr von ihr gem. § 89b Handelsgesetzbuch die Zahlung eines angemessenen Handelsvertreterausgleichs.
OLG Düsseldorf zur Abgrenzung zwischen haupt- und nebenberuflicher Tätigkeit des Versicherungsvertreters
Ein Ausgleichsanspruch aus § 89b HGB ist gemäß 92 b Abs. 2 Satz 1 HGB ausgeschlossen, wenn der Unternehmer den Handelsvertreter ausdrücklich als Handelsvertreter im Nebenberuf betraut hat.
Ob ein Versicherungsvertreter haupt- oder nebenberuflich tätig ist, bestimmt sich gemäß § 92b Abs. 3 HGB nach der Verkehrsauffassung. Eine nebenberufliche Betrauung allein macht einen Handelsvertreter nicht zu einem Nebenberufler, wenn dieser nach der Verkehrsauffassung tatsächlich hauptberuflich tätig ist, insbesondere die Vertretertätigkeit einen hauptberuflichen Umfang angenommen hat. Der nebenberuflich betraute Handelsvertreter, der tatsächlich hauptberuflich tätig ist, trägt die Beweislast für die vorliegende Hauptberuflichkeit, wenn er nach der Vertragsbeendigung einen Ausgleichsanspruch geltend macht. Die Art des Hauptberufs spielt bei der in § 92 Abs. 3 HGB angesprochenen Verkehrsauffassung keine Rolle.
Gemäß der sogenannten „Übergewichtstheorie“ kann Handelsvertreter im Hauptberuf nur sein, wer überwiegend als solcher tätig ist und aus dieser Tätigkeit den überwiegenden Teil seines Arbeitseinkommens bezieht. Dabei überwiegt die Bedeutung des Zeitelementes.
Kein Ausgleichsanspruch wegen nebenberuflicher Tätigkeit des Versicherungsvertreters
Den Versicherungsvertreter stuft das OLG nach den im Rahmen der Übergewichtstheorie dargelegten Abgrenzungskriterien als Nebenberufler ein. Deshalb spricht ihm das OLG Düsseldorf den Ausgleichsanspruch aus § 89 b HGB ab. Entsprechend der erfolgten schriftlichen Betrauung mit nebenberuflichen Handelsvertretertätigkeiten nimmt das OLG an, dass der Versicherungsvertreter nicht im Hauptberuf für die Unternehmerin tätig war.
Der darlegungs- und beweisbelastete Versicherungsvertreter hatte nicht vorgetragen, in welchem zeitlichen Rahmen er für die Unternehmerin tätig war (feste Bürozeiten, festgelegte Erreichbarkeit für Klienten etc.). Auch zum Verhältnis seiner Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Handelsvertreter und seinen sonstigen Einkünften hatte er sich nicht geäußert.
Dass er trotz Umstellung auf eine nebenberufliche Tätigkeit weiterhin wie zur Zeit als hauptberuflicher Handelsvertreter nach der Provisionstabelle für hauptberufliche Vermittler verprovisioniert wurde, begründet laut OLG keine hauptberufliche Tätigkeit. Schließlich können auch nebenberufliche Handelsvertreter sehr erfolgreich agieren. Auch seine Tätigkeit in Hauptberufler-Wettbewerben und die weitergeleiteten Schreiben über die Vertriebsziele für hauptberufliche Agenturpartner reichen als Indizien nicht aus.
Fazit
Das Urteil macht deutlich, dass bei Anwendung der „Übergewichtstheorie“ zur Abgrenzung zwischen haupt- und nebenberflicher Tätigkeit die Übergänge fließend sind. Auf Seiten des Unternehmers bestehen daher erhebliche Risiken. Selbst bei gleichbleibendem Umfang der Handelsvertretertätigkeit kann sich die Gewichtsverhältnisse durch eine Änderung des Umfangs der bisherigen Haupttätigkeit ändern. Im Streitfall empfiehlt es sich daher frühzeitig eine rechtliche Beratung durch einen im Vertriebsrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufzusuchen.
Rechtsanwalt Jens Reichow, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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