In den kommenden fünf Jahren wird die Zinszusatzreserve der Lebensversicherer von ungefähr 81 Milliarden auf knapp 156 Milliarden Euro steigen. Analyst Dr. Carsten Zielke kommt in seiner aktuellen „Versicherungsstudie 2020“ zu diesem Ergebnis.
Damit bleibt die Liquiditätslage der Lebensversicherer auch absehbar weiter angespannt.
Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bund der Versicherten e. V. (BdV), dazu:
„Die Zinszusatzreserve explodiert. Es ist unklar, wie sie finanziert werden soll. Die Konsequenz sind Lebensversicherer ohne genügend Solvenz und Lebensversicherte als Spielball von Interessen.“
Die Zinszusatzreserve, zu deren Bildung die Unternehmen angesichts der Niedrigzinsphasen seit 2011 verpflichtet sind, soll Kalkulationsfehler der 80er- und 90er-Jahre ausgleichen. Finanziert wird sie laut BdV, indem die Versicherer den Kunden Überschüsse vorenthalten.
In diesem Jahr müssen allein 15,3 Milliarden für die ZZR aufgebracht werden, in 2021 dann 14,1 Milliarden. Bis 2024 hat sich der Reservepuffer schließlich um 75 Milliarden Euro erhöht. In einem unveränderten Niedrigzinsumfeld ist dies kaum zu schaffen.
Wenn einem Unternehmen dies nicht gelingt, wird es zu einem Fall für den Sicherungsfonds. Allerdings hat die Sicherungsfonds Protektor Lebensversicherungs-AG als Auffanggesellschaft derzeit nur 1,04 Milliarden Sicherungsvermögen, welches per Gesetz auf 2,08 Milliarden erhöht werden kann. Inklusive „freiwilliger Selbstverpflichtung“ lässt sich dieses, wenn alle Unternehmen mitmachen, auf circa 10 Milliarden erhöhen. Alleine aber die zusätzlichen Gelder der ZZR für dieses Jahr übersteigen alles, was im Sicherungsfonds jemals ankommen wird.
Axel Kleinlein sagt:
„Wir haben uns im letzten Jahr dafür starkgemacht, dass eine Entschärfung bei der ZZR eintritt. Doch die Lebensversicherer haben die dadurch gegebene Chance nicht genutzt, um glaubhafte Lösungen zu entwickeln. Die Cheflobbyisten der Lebensversicherer tun weiterhin so, als hätten sie alles im Griff. Tatsächlich haben sie aber keine Ahnung, wie sie die zusätzlichen Reserve-Zuführungen der nächsten Jahre bezahlen sollen.“
Der Verkauf an eine Run-Off-Plattform oder die Abwicklung von Lebensversicherungsbeständen im Protektor sind dann zu erwarten.
BdV fordert bessere Wechselrechte
Wenn Bestände auf den Protektor übertragen oder auf eine Run-Off-Plattform überführt werden, fordert der BdV bessere Wechselrechte für die Versicherten. Damit sollen diese die Chance erhalten, den nötigen Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer aufrecht zu erhalten.
Gemeinsam mit den Vermittlervertretern vom Bundesverband Finanzdienstleistung AfW hat der BdV bereits im letzten Jahr praktikable Lösungen erarbeitet, wie man die Rechte der Versicherten stärken kann.
https://www.experten.de/2020/07/09/bdv-vergibt-sfcr-transparenzsiegel-an-lebensversicherer-branche-driftet-auseinander/
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Die Solvenzquoten sind vielfach sehr hoch und die kontinuierlichen Rückflüsse aus der Zinszusatzreserve (ZZR) stützen die Ertragslage der Lebensversicherer. Auf der anderen Seite muss die Branche hohe stille Lasten in den HGB-Bilanzen verarbeiten.
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