Die Corona-Pandemie wird nach Einschätzung von Euler Hermes zu einer tiefen Rezession bei Welthandel und Weltwirtschaft führen – und in der Folge zu einer weltweiten Pleitewelle.
So dürften die Insolvenzen 2020 global zum vierten Mal in Folge steigen. Aber mit einem von 20 Prozent in bisher ungekanntem Ausmaß. Im Vergleich: 2019 lag dieser noch bei 8 Prozent.
Beim Welthandel drohen Verluste von 3,5 Billionen US-Dollar. Das bedeutet ein Minus beim Volumen der gehandelten Waren und Dienstleistungen von 15 Prozent. Beim Wert der Waren ist der Rückschlag mit Minus 20 Prozent sogar noch schwerer.
Das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) steckt durch die Corona-Pandemie mit voraussichtlich -3,3 Prozent in der größten Rezession seit dem 2. Weltkrieg.
Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Allianz und Euler Hermes, sagt:
„2020 versprach ursprünglich eigentlich ein eher ruhiges Jahr zu werden. Zwar mit einigen geopolitischen Unsicherheiten, einem weiterhin schwelenden Handelskonflikt – aber auch mit einem zarten Wachstum bei Welthandel und Weltwirtschaft. Ein Jahr des 'Durchmogelns'. Eigentlich. Doch dann kam Corona. Ein schwarzer Schwan wie aus dem Lehrbuch – und plötzlich war alles anders: Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste, von Exportkrise, über ein Beben an den Finanzmärkten, Ölpreisschock bis hin zu einem praktisch weltweiten Konsumschock. 2020 bricht die Weltwirtschaft nach unseren aktuellen Prognosen voraussichtlich doppelt so stark ein wie in der Finanzkrise. Die Verluste sind so hoch wie die Wirtschaftskraft (BIP) von Deutschland und Japan zusammen. Das hinterlässt Spuren wie bei einem Meteoriteneinschlag, die nicht von heute auf morgen wieder verschwinden.“
Diese Entwicklung bleibt auch für die Unternehmen nicht folgenlos. Noch nie gab es zeitgleich in so vielen Ländern und in so vielen Branchen einen so heftigen Einbruch.
Insofern ist es aktuell in den meisten Fällen nicht möglich, alternative Abnehmer oder alternative Absatzmärkte zu finden, um den Einbruch abzufedern.
20 Prozent mehr Pleiten für 2020 erwartet
Derzeit wird in Deutschland die Wirtschaft nach dem Stillstand durch die Eindämmungsmaßnahmen zwar wieder hochgefahren, aber die Schwierigkeiten sind damit längst nicht vorbei. Mit einer Kontraktion des deutschen BIP von -8,9 Prozent rutscht auch die deutsche Wirtschaft in eine Rezession. Deshalb prognostizieren die Euler Hermes Volkswirte auch in Deutschland mindestens 10 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahr.
Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz, dazu:
„Auf die Unternehmen rollt weltweit eine regelrechte Pleitewelle zu. Wir gehen weltweit 2020 aktuell von rund 20% mehr Insolvenzen aus – damit ist der Anstieg mehr als drei Mal so hoch wie vor der Coronapandemie erwartet (+6%). Neben den USA (+25%) ist insbesondere Europa im Auge des Sturms (+19%). In dieser Situation ist es extrem wichtig, für Unternehmen und Wirtschaft Vertrauen zu schaffen. Deshalb ist der nun vereinbarte gemeinsame Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft, Unternehmen und ihre Mitarbeiter elementar – insbesondere auch für den Mittelstand. Der Handel wird dadurch stabilisiert. Das ist eine wichtige Grundlage dafür, dass die deutschen Unternehmen in einer verhältnismäßig guten Ausgangslage sind für einen Aufschwung nach der Krise.“
Ohne die staatlichen Maßnahmen in vielen Ländern würden die Euler-Hermes-Volkswirte von einem noch wesentlich höheren Anstieg der Insolvenzen ausgehen. In Deutschland profitieren Unternehmen neben dem Schutzschirm auch von zahlreichen Liquiditätsmaßnahmen – vieles davon in Form von Krediten.
Ron van het Hof erklärt:
„Die Liquiditäts- und Stabilisierungsmaßnahmen sind ein enorm wichtiger erster Schritt, um die Wirtschaft schnell zu stabilisieren. Die Kehrseite dieser Medaille ist allerdings, dass die Schuldenlast für viele Unternehmen deutlich größer sein wird als vorher. Damit die Unternehmen von diesen Schuldenbergen nicht erdrückt werden, müssen in einem zweiten Schritt deshalb Lösungen gefunden werden, wie und in welchem Zeitraum die Unternehmen diese Schulden anschließend wieder abbauen oder sie restrukturieren können. Das Problem ist aktuell zwar zunächst aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.“
Vorsicht vor Zombie-Unternehmen
Für Unternehmen, die schon vor Corona in finanziellen Schwierigkeiten waren, wird es durch die Corona-Pandemie indes immer schwieriger, sich aus dem Abwärtsstrudel zu befreien. Allein in der Eurozone gibt es schätzungsweise 13.000 sogenannte „Zombie-Unternehmen“ mit Gesamtumsätzen von rund 500 Milliarden Euro. Sie haben sich durch die andauernde Niedrigzinsphase noch über Wasser halten können. Doch durch Corona könnte es für viele eng werden.
Viele Unternehmen im textilen Einzelhandel hängen beispielsweise seit Jahren am seidenen Faden und die Elektronikbranche kämpft ebenfalls schon lange mit zahlreichen Problemen. Auch in der Metall- oder Automobilbranche war die Lage durch strukturelle Herausforderungen schon vor Corona vielerorts schlecht. Dort sind die Auswirkungen durch das Virus dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Welthandel: Aktueller Einbruch nur temporär
BIP wächst nur um 1,75 Prozent
Inflationssorgen auf neuem Rekordhoch
Ukraine-Konflikt führt zu steigenden Insolvenzen
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Israel/Iran-Konflikt: „Märkte unterschätzen geopolitische Risiken“ - Warnung vor Eskalation und Preisauftrieb
Der Angriff Israels auf den Iran hat die Finanzmärkte in eine Fluchtbewegung versetzt. Doch für Mark Dowding von RBC BlueBay Asset Management ist dies nur ein Vorgeschmack: Steigende Ölpreise, anhaltender Handelskonflikt und eine unterschätzte Inflation könnten bald stärker durchschlagen. Was Anleger jetzt beachten sollten…
Privates Kapital für Europa: Versicherer unterstützen Pläne für EU-Label
Die EU will privates Kapital mobilisieren – mit einem neuen Label für Finanzprodukte. Doch was genau steckt dahinter, und warum setzen Versicherer dabei auf die Lebensversicherung?
Lithium-Akkus in Flammen: Wenn E-Bikes zur Gefahr werden
Sie sind leise, schnell und praktisch – doch laut aktuellen Daten von QBE steigt mit der Nutzung von E-Bikes auch die Brandgefahr rasant. 27 Prozent aller registrierten Lithium-Ionen-Brände im Vereinigten Königreich im Jahr 2024 gehen auf E-Bikes zurück. Noch beunruhigender: Die Zahl dieser Brände hat sich binnen zwei Jahren verdoppelt.
Schweiz: Felssturz in Blatten mit außergewöhnlicher Dimension
Mit versicherten Schäden in Höhe von rund 300 Millionen Franken war auch das Jahr 2024 ein überdurchschnittliches Schadenjahr für den Schweizer Elementarschadenpool. Wie der Pool mitteilt, sind die Unwetterereignisse im Juni und Juli 2024 in den Kantonen Wallis und Tessin für den Großteil der Schadensumme verantwortlich.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.