Unternehmen erwarten Automatisierungsboom

Unternehmen erwarten Automatisierungsboom
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Jedes zweite Unternehmen in Deutschland setzt auf mehr Automatisierung und eine bessere Produktqualität, um die Effizienzdefizite in der Unternehmensorganisation auszugleichen.

60 Prozent treiben Digitalisierungsprojekte mit den größten Quick-Win-Aussichten sowie die Automatisierung von Prozessen voran. Das sind die Ergebnisse der Studie „Potenzialanalyse Operative Effizienz“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut.

Corona-Pandemie verstärkt Druck

Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit durch mehr Effizienz ist ein Dauerthema für Unternehmen. Und durch die weltweite Corona-Pandemie verstärkt sich der Druck noch mehr. Denn die ökonomischen Auswirkungen sind enorm.

Effizienzgewinne in Form von Einsparungen und Optimierungen entlang der Wertschöpfungskette werden in dieser Situation für viele Unternehmen noch wichtiger, um die Auswirkungen der Krise zu meistern.

Schon vor der weltweiten Pandemie mit ihren drastischen Folgen hatte sich die Konjunktur deutlich abgekühlt. Akute Handelskonflikte sowie politische Krisenherde haben Aktienmärkte in Unruhe gebracht und Absatzchancen geschmälert. Die zu Jahresbeginn von Instituten und der Bundesregierung gestellte Prognose zur Wiederbelebung der Konjunktur wurde revidiert. Dafür sorgen neben den aktuellen Entwicklungen die deutlich gestiegenen Arbeitskosten im abgelaufenen Jahr.

Entscheider fahren in Zeiten von Corona zwar zunächst überwiegend auf Sicht. Frühzeitige Investitionen dürften jedoch bei der Bewältigung der Lage helfen und die operative Effizienz perspektivisch noch wichtiger werden.

Urs M. Krämer, CEO von Sopra Steria, sagt:

„Zahlreiche Unternehmen haben ihre digitalen Investitionsschwerpunkte strategisch klug gesetzt. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren unter anderem große Summen in Digitalisierung und den Umbau ihrer Geschäftsmodelle investiert. Das kann sich in der Corona-Pandemie positiv auswirken, denn sie beschleunigt jetzt die digitale Transformation. In der folgenden Normalisierungsphase ist zu erwarten, dass sich sichtbare Verbesserungen in Form von neuem Geschäft, schnelleren Abläufen, geringeren Kosten oder vereinfachtem Arbeiten einstellen.“

Effizienzprogramme: Unternehmen fahren mehrgleisig

Bereits vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie war für 41 Prozent der Unternehmen eine höhere Umsatzrendite im eigenen Unternehmen ein Ziel mit hoher Priorität. Das Personal soll beispielsweise weniger Arbeitszeit mit nicht wertschöpfenden Aufgaben verbringen.

22 Prozent der Unternehmen wollen die sogenannte „Accountability“ steigern. Jeder zweite befragte Entscheider erwartet einen Automatisierungsboom, auch weil das Potenzial neuer Technologien derzeit nicht ausgeschöpft wird. Sechs von zehn Unternehmen treiben Digitalisierungsprojekte mit den größten Quick-Win-Aussichten sowie die Automatisierung von Prozessen voran.

71 Prozent der Unternehmen wollen in diesem Zuge ineffiziente Abläufe durch neue ablösen. Jedes zweite geht hierzu methodisch auf Spurensuche, um Effizienzbremser zu beseitigen.

Jens Rohde, Experte für digitales Prozessmanagement von Sopra Steria Next, dazu:

„Viele Geschäftsprozesse laufen heute IT-unterstützt ab. Durch Datenspuren ist es viel leichter zu ergründen, wie sich ein Prozess beschleunigen oder der Aufwand reduzieren lässt. Wer Arbeitsabläufe frühzeitig digitalisiert und automatisiert hat, verschafft sich bei ad hoc erforderlichen Maßnahmen zur Reorganisation von Prozessen aufgrund der Pandemie mehr Möglichkeiten. Sie können per Fernzugriff oder teilautomatisiert weiterlaufen. Auch die Priorisierung von Ressourcen geht bei transparenten Prozessen deutlich leichter von der Hand.“

Allerdings sind Digitalisierung und Prozessverbesserungen nur zwei in einer ganzen Reihe von Maßnahmen. So stellt mehr als jedes zweite Unternehmen die Produkt- und Leistungspalette auf den Prüfstand.

Ziele sind eine Vereinheitlichung und ein verstärkt modularer Aufbau. Spartensilos sollen aufgebrochen werden. Outsourcing verliert für bestimmte Aufgaben etwas an Bedeutung. Nearshore- und Offshore-Dienstleister bleiben aber wichtig, wenn sich Alternativen wie Robotic Process Automation (RPA) nicht eignen, beispielsweise beim Auslagern komplexer Prozesse und ganzer Geschäftsbereiche, die nicht Kerngeschäft sind.

Der Mensch als entscheidender Faktor

Abseits der klassischen Rationalisierungsprogramme und losgelöst von Corona investieren vor allem verarbeitende Industrie sowie öffentliche Verwaltung und Energieversorger bewusst auch in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Rund jeder dritte Entscheider möchte im normalen Unternehmensalltag den Krankenstand senken. Dieser hatte 2018 mit durchschnittlich 18,5 Fehltagen pro Arbeitnehmer einen neuen Höchststand erreicht, ergab der Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen im Dezember.

Um Fehltage zu reduzieren, investieren branchenübergreifend 38 Prozent der Unternehmen und Verwaltungen in das betriebliche Gesundheitsmanagement, bei Behörden und Versorgern sind es 58 Prozent. Dazu gehören beispielsweise Angebote zur Prävention typischer Erkrankungen, aber auch die Entwicklung professioneller Abläufe im Falle von Krisen.

Für zwei von drei Entscheidern ist zudem Wertschätzung ein zentraler Hebel, damit das eigene Unternehmen insgesamt effizienter arbeitet. 40 Prozent wollen die Mitarbeiterzufriedenheit steigern. Sie bauen beispielsweise Hierarchien ab, Teams sollen eigenverantwortlicher und damit schneller handeln können. Zudem sollen Abteilungsgrenzen überwunden werden.

Urs M. Krämer erläutert:

„Akzeptanz ist ein entscheidender Faktor für mehr Effizienz. Wenn Unternehmen Abläufe und Teile des Geschäfts automatisieren wollen, müssen sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erklären, dass sie auch in Zukunft gebraucht werden, und sie für diese neuen Aufgaben qualifizieren.“

Allerdings haben die Unternehmen an dieser Stelle noch viel Arbeit vor sich: Nur 17 Prozent der befragten Entscheider sehen derzeit, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Automatisierung als Entlastung von Routinearbeit wahrnehmen statt als Jobkiller, zeigt die Studie.