Die betriebliche Altersversorgung bei Kurzarbeit?

Die betriebliche Altersversorgung bei Kurzarbeit?
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Fachwissen ist wichtig, Gesundheit deutlich wichtiger! Deswegen verschiebt die Kanzlei Michaelis die Spezialworkshops zur betrieblichen Vorsorge am 16. April 2020 in Hamburg und am 23. April in Augsburg. Und Markus Kirner informiert aus gegebenen Anlass über die Auswirkungen von Kurzarbeit auf die betrieblichen Vorsorgesysteme.

Die Spezialworkshops werden vorbehaltlich einer deutlichen Entspannung der Situation am Donnerstag, den 18. Juni 2020, in Augsburg und am Mittwoch, den 24. Juni 2020, in Hamburg nachgeholt.

Betriebliche Altersversorgung bei Kurzarbeit

Da zu erwarten ist, dass manche Firmenkunden von den rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft getretenen vereinfachten Regelungen zum Zugang zu Kurzarbeitergeld Gebrauch machen werden/müssen, gibt Markus Kirner nachfolgend einige grundsätzliche Informationen, wie sich dies auf betriebliche Vorsorgesysteme auswirkt.

1. Arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung

Hat ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine durch ihn finanzierte Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erteilt, so muss er diese grundsätzlich erst einmal fortführen. Automatische Auswirkungen in Form einer Kürzung des Aufwands wären nur dann gegeben, wenn die bAV vom Arbeitsentgelt abhängig ist. Entscheidend wären in diesem Fall aber die Inhalte der jeweiligen Zusagen.

Allerdings wird ein Arbeitgeber, wenn sich seine wirtschaftliche Situation nachhaltig verschlechtert, die bAV-Zusagen nicht zwingend dauerhaft in unveränderter Form aufrechterhalten müssen, sondern kann durchaus dann auch eine Kürzung der Zusage in Betracht ziehen. Den Rahmen hierfür hat das Bundesarbeitsgericht geschaffen, dem Eingriff in bestehende Zusagen aber zum Schutz der Arbeitnehmer im Rahmen seiner „Drei-Stufen-Theorie“ auch Grenzen gesetzt.

Die dritte Stufe, die den Eingriff in noch nicht erdiente Anwartschaften (future service) beschreibt, setzt dabei sachlich-proportionale Gründe für den Eingriff voraus. Diese hat das BAG als willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte Gründe beschrieben, ohne sie jedoch eindeutig zu definieren, die zudem in der Sphäre des Arbeitgebers begründet sein müssen. Es wäre daher im Einzelfall zu prüfen, ob und wann derartige Gründe vorliegen. Noch weiter gehende Eingriffe setzten dann auch schwerwiegendere (triftige oder zwingende) Gründe voraus und bedürfen zudem der Prüfung durch ein Arbeitsgericht.

Sofern allerdings die Arbeit vorübergehend vollständig eingestellt wird (Kurzarbeit Null), hat dies auch Auswirkungen auf die bAV. Da hier dann der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber vorübergehend weg fällt, ruht auch die Beitragspflicht des Arbeitgebers für die betriebliche Altersversorgung. Jedoch können Versorgungsordnungen/Betriebsvereinbarungen/Tarifverträge hiervon abweichende Regelungen beinhalten.

Im Übrigen sind die Zeiten der Kurzarbeit bei den gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen vollständig zu berücksichtigen. Dies gilt selbst bei Kurzarbeit Null.

2. Entgeltumwandlung bAV

Bei der Entgeltumwandlung entscheidet grundsätzlich der Arbeitnehmer, ob er aufgrund des bei Kurzarbeit reduzierten Arbeitsentgeltes die vereinbarten Beiträge weiterhin aufbringen kann oder er die Entgeltumwandlung reduzieren/einstellen will. Zwar sieht § 1a BetrAVG eine einjährige Bindungsfrist des Arbeitnehmers an seine Entgeltumwandlungsvereinbarung vor, jedoch kann hiervon im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgewichen werden. Viele Versorgungsordnungen/Betriebsvereinbarungen sehen hier deutlich flexiblere Lösungen vor.

Zu beachten ist dabei aber, dass es bei Reduzierungen/Einstellungen der Entgeltumwandlung einer geänderten Entgeltumwandlungsvereinbarung bedarf. Ebenso ist der Arbeitnehmer darüber aufzuklären, dass sich hierdurch gegebenenfalls auch die Zuschüsse des Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung reduzieren. Die erfolgte Aufklärung sollte konsequenterweise auch dokumentiert werden durch entsprechende Protokolle.

Selbstverständlich ist es auch möglich, die Entgeltumwandlung zeitlich befristet zu reduzieren und nach Ende der Kurzarbeit automatisch wieder im ursprünglichen Umfang fortzuführen. Bei einer vorübergehenden Reduzierung auf 0,- Euro (=Beitragsfreistellung der Versicherung) ist aber zu beachten, dass hier gegebenenfalls Fristen zu beachten sind. Diese sind in den Versicherungsbedingungen geregelt und daher nicht einheitlich.

Besonders zu beachten ist die Situation bei Berufsunfähigkeitsversicherungen im Rahmen der bAV. Beitragsreduzierungen führen in der Regel zu deutlichen Leistungseinschränkungen. Die in letzter Zeit im Markt angebotenen Optionen einer Beitragsstundung bei Aufrechterhaltung des vollen Versicherungsschutzes bieten hier keine wirkliche Alternative. Denn sollte von dieser Option Gebrauch gemacht werden und die gestundeten Beiträge durch einen (zum Beispiel in Folge Stellenabbau) ausscheidenden Arbeitnehmer nicht nachentrichtet werden, scheidet die sog. versicherungsvertragliche Lösung (Mitgabe der Police) aufgrund der Regelungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG aus.

3. Betriebliche Krankenversicherung

Da betriebliche Krankenversicherung in der Regel durch den Arbeitgeber finanziert wird, bleibt auch diese Form der Vorsorge während der Kurzarbeit zunächst unverändert bestehen. Je nach Rechtsbegründungsakt für das Zustandekommen der Zusage bedarf es zur Einstellung einer einvernehmlichen Lösung, einer Änderungskündigung oder einer geänderten Betriebsvereinbarung.

Bei Kurzarbeit Null entfällt allerdings auch die Beitragspflicht des Arbeitgebers für die betriebliche Krankenversicherung, es sei denn, Versorgungsordnungen/Betriebsvereinbarungen sehen hiervon abweichende Regelungen vor.

4. Zeitwertkonten

Hat ein Arbeitgeber ein Zeitwertkontenmodell, ist dieses bei Kurzarbeit zumeist geschützt. Im Flexi-II-Gesetz ist geregelt, dass es keinen zwangsweisen Abbau in Zeiten der Kurzarbeit gibt. Die Wertguthaben müssen also nicht vorzeitig aufgelöst werden, um dadurch Kurzarbeit zu vermeiden oder hinauszuzögern. Allerdings können sich Arbeitgeber und Mitarbeiter über eine freiwillige Nutzung des Wertguthabens einigen.

Sofern es Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern gibt, die die Einzahlung von Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer regeln, sind diese vergleichbar der Entgeltumwandlungsvereinbarung zur bAV gegebenenfalls entsprechend anzupassen.

Fazit

Zusammenfassend ist bei allen vier betrieblichen Vorsorgebausteinen – arbeitgeberfinanzierte bAV, Entgeltumwandlung, betriebliche Krankenversicherung und Zeitwertkonten – festzuhalten, dass Kurzarbeit sich auf die bestehenden Systeme auswirken kann, jedoch nicht zwingend auswirken muss. Ob und in welcher Form dies konkret erfolgt/erfolgen kann, hängt im Wesentlichen von der individuellen Situation des jeweiligen Arbeitgebers, sowie den Regelungen im jeweiligen Unternehmen ab.

Sofern jedoch ein Arbeitgeber die Einführung der Kurzarbeit plant, ist zu empfehlen, mit ihm über mögliche Veränderungen auch der betrieblichen Vorsorge und deren Auswirkungen zu sprechen.