Kein Verstoß gegen Datenschutzrecht bei Weitergabe eines Sachverständigengutachtens durch Haftpflichtversicherer

Kein Verstoß gegen Datenschutzrecht bei Weitergabe eines Sachverständigengutachtens durch den Haftpflichtversicherer
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Zur Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen aus Verkehrsunfällen greifen die Unfallbeteiligten häufig auf entsprechende Sachverständigengutachten zurück. Da es sich bei derartigen Gutachten außerhalb eines Gerichtsprozesses jedoch um reine Parteigutachten handelt, hat die jeweils andere Partei ein Interesse an der Überprüfung des Gutachtens.

In der Praxis erfolgt das oft durch die Weitergabe des Gutachtens über den Haftpflichtversicherer an eine Prüfstelle. In einem Anfang des Jahres entschiedenen Berufungsverfahren (OLG Frankfurt, Urteil vom 12.02.2019 – 11 U 114/17) wehrte sich ein Sachverständiger gegen eine solche Weitergabe und berief sich dazu unter anderem auf sein Urheberrecht sowie das Datenschutzrecht.

Sachverhalt

Der Sachverständige (Kläger) in dem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall war selbst Unfallbeteiligter. Er fertigte im Namen seines eigenen Sachverständigenbüros ein Schadengutachten des Unfallereignisses mitsamt Unfallfotos an. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass der Unfallgegner zur Zahlung von 1.947,99 Euro Netto-Reparaturkosten verpflichtet sei. Mit dem Gutachten konfrontiert, schickte es der Unfallgegner seinem Haftpflichtversicherer (Beklagter), der es wiederum an ein externes Unternehmen zur Überprüfung weiterleitete.

Robin Schmitt, Rechtsanwalt, BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Der Sachverständige wurde hierüber nicht informiert. Nach Kontrolle des im Wesentlichen korrekten Gutachtens kürzte der Versicherer die Schadensumme um einen Betrag von 70,17 Euro und überwies den Rest auf das Konto des Sachverständigen. Dieser gab sich damit nicht zufrieden, klagte den vollen Betrag ein und machte gleichzeitig eine Reihe von Ansprüchen aus Urheber- und Datenschutzrecht geltend.

Als Begründung führte er aus, dass das von ihm erstellte Gutachten ohne seine Einwilligung und ohne Anonymisierung der personenbezogenen Daten an ein externes Unternehmen übermittelt wurde. Er trage also mit seinen Daten ungewollt zum Geschäftsmodell und Gewinn des Unternehmens bei. Nicht nur stelle das einen Verstoß gegen Datenschutzrecht, sondern auch einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Ferner sei sein Urheberrecht an den im Gutachten enthaltenen Bildern verletzt worden.

Entscheidung

Wie bereits das Landgericht in erster Instanz (LG Frankfurt, Urteil vom 07.09.2017 –2-03 O 65/16), gab auch das OLG Frankfurt dem Haftpflichtversicherer vollumfänglich recht. Unabhängig davon, dass die Kürzung der Anspruchshöhe begründet war, konnte der Sachverständige auch mit seinen auf Datenschutz- und Urheberrecht gestützten Ansprüchen nicht durchdringen.

Keine unzulässige Verwendung von Daten

Aus datenschutzrechtlicher Hinsicht ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich das Gericht sowohl mit dem alten Bundesdatenschutzgesetz (BDSG a. F.) als auch der neuen Rechtslage (DSGVO, BDSG-neu) auseinandersetzen musste. Denn zwar spielte sich der Sachverhalt vor Inkrafttreten der DSGVO ab, gleichwohl beantragte der Kläger unter anderem die Unterlassung der Datenweitergabe für die Zukunft – also auch noch zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung.

Das Gericht hat die datenschutzrechtliche Fragestellung unter anderem über eine Interessenabwägung gelöst.

„Zweifelsohne enthalte das Gutachten personenbezogene Daten des Sachverständigen, an dessen Schutz dieser ein berechtigtes Interesse habe. Dem sei jedoch das Interesse des Haftpflichtversicherers an der Abwehr von Ansprüchen gegenüberzustellen.“

So sieht sich der Versicherer dem Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG durch seinen Versicherungsnehmer ausgesetzt. Eine Verteidigung ist nur möglich, wenn der konkrete Sachverhalt geprüft wird – und dazu gehört auch das Sachverständigengutachten.

Für das Recht des Betroffenen auf Löschung seiner personenbezogenen Daten ist eine Ausnahme im Falle der „Verteidigung von Rechtsansprüchen“ sogar ausdrücklich in Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO geregelt.

Zweifelsohne enthalte das Gutachten personenbezogene Daten des Sachverständigen, an dessen Schutz dieser ein berechtigtes Interesse habe. Dem sei jedoch das Interesse des Haftpflichtversicherers an der Abwehr von Ansprüchen gegenüberzustellen. Zusätzlich wirft das Gericht in die Waagschale, dass der Sachverständige die Daten von sich aus weitergegeben hat und die Daten keine besonders sensible Natur haben. Ferner bemüht das Gericht zum Teil sehr detailliert eine Rechtfertigung der Datenweitergabe als Auftragsdatenverarbeitung. Das externe Unternehmen sei zulässigerweise für den Haftpflichtversicherer als Auftragnehmer tätig geworden.

Keine widerrechtliche Verletzung von Urheberrechten

Schließlich verneint das Gericht auch jegliche urheberrechtliche Ansprüche. Zwar sei der Kläger Urheber der im Gutachten verwendeten Lichtbilder. In der Weitergabe durch den Haftpflichtversicherer sei allerdings kein Eingriff in die daraus resultierenden Urheberrechte zu sehen. Weder seien die Bilder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht noch vervielfältigt worden.

Die Überprüfung des Gutachtens durch das externe Unternehmen sei lediglich als eine vorübergehende Gebrauchsüberlassung zu qualifizieren. Auch diese Handlung kann vom Vermietungsrecht des Urhebers geschützt sein. Das setzt jedoch voraus, dass die Lichtbilder im urheberrechtlichen Sinne „genutzt“, also etwa wirtschaftlich verwertet werden. Die bloße Überprüfung einer Kalkulation oder Ähnliches ist davon nicht umfasst.

Zu einem anderen Ergebnis ist in der Vergangenheit der Bundesgerichtshof gekommen (BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/09 und Urteil vom 20.06.2013 – I ZR 55/12). In den damals entschiedenen Fällen wurden die im Gutachten enthaltenen Lichtbilder allerdings online in eine Restwertbörse eingestellt. Die damit verbundene öffentliche Zugänglichmachung verletzte das Urheberrecht des Sachverständigen. Da die Fotos im aktuellen Fall jedoch nur vorübergehend im Rahmen der berechtigten Überprüfung des Gutachtens an einen Dienstleister weitergegeben wurden, hat das LG Frankfurt eine Vergleichbarkeit zwischen diesen Fällen zu Recht abgelehnt.

Beurteilung

Das Urteil ist zu begrüßen, wenn auch nicht überraschend. Bereits vor einigen Jahren hatte das Landgericht Berlin (Urteil vom 03.07.2012 – 16 O 309/11) ein ähnlich eindeutiges Urteil bezüglich der urheberrechtlichen Beurteilung von Sachverständigengutachten gefällt. In diesem Zusammenhang führte es auch eine Interessenabwägung mit gleichem Ergebnis durch.

Über die Frage, inwiefern die Auftragsdatenverarbeitung nach Art. 28 DSGVO als rechtliches Konstrukt hier überhaupt nötig war, lässt sich streiten. Dass sich das Gericht dieser Thematik relativ ausführlich widmet, wird vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass sich die Parteien intensiv über die der Verarbeitung zugrunde liegende Vereinbarung und einige damit zusammenhängende prozessuale Fragen gestritten hatten. Völlig ungeachtet der Auftragsdatenverarbeitung dürfte die klar zugunsten des Haftpflichtversicherers ausfallende Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO als Rechtsgrundlage für die Weitergabe der Daten ausreichen.

Denn es ist essenzielle Aufgabe von Versicherungen, geltend gemachte Ansprüche zu prüfen und gegebenenfalls abzuwehren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier nicht um ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten, sondern um ein ganz normales Parteigutachten ging.

„Nur weil es die Unfallpartei, die sich auf das Gutachten beruft, als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger selbst erstellt hat, ändert das nichts am Überprüfungsinteresse des Versicherers.“

Im Gegenteil – ließen sich damit doch noch viel eher Zweifel an der Neutralität des Parteigutachtens begründen.

Autor: Robin Schmitt, Rechtsanwalt, BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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