Nicht nur Banken können „grün“ sein

Nachhaltige Investmentfonds? Sind als Anlagekonzept längst etabliert. „Grüne“ Banken? Erfreuen sich immer größerer Beliebtheit – so wachsen die EthikBank, die GLS Bank, die Triodos Bank Deutschland und die UmweltBank seit Jahren zweistellig. Nachhaltige Versicherungen dagegen? Gelten allenfalls als Nischenthema. Warum eigentlich? Müssten Menschen, die sich bei der Wahl ihrer Bank oder ihrer Geldanlage an Nachhaltigkeitskriterien orientieren, nicht grundsätzlich auch an entsprechenden Versicherungsprodukten interessiert sein?

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cms.uztgp.x Fabrice Gerdes, Geschäftsführer von grün versichert GmbH

Wie groß das Potenzial für „grüne“ Finanzlösungen in Deutschland ist, hat schon 2012 die große Social-Banking-Studie der Strategie- und Managementberatung zeb gezeigt. Die Ergebnisse der damaligen Befragung legen nahe, dass hierzulande rund 16 Millionen Menschen zur Zielgruppe für sozial-ökologisches Bankgeschäft zählen. Davon stellen rund drei Millionen allerhöchste Anforderungen an Nachhaltigkeit, Fairness und Transparenz („sozial-ökologisch orientiert“). Die übrigen rund 13 Millionen potenziellen Kunden sind in ihren Wertvorstellungen etwas moderater („nachhaltig orientiert“), verfügen aber immer noch über ein deutlich ausgeprägtes Bewusstsein für öko-soziale Verantwortung.

cms.faioh.x Dr. Matthias Uebing, Partner bei zeb.rolfes.schierenbeck.associates gmbh

Was hinzukommt: Sowohl die „sozial-ökologischen“ als auch die „nachhaltigen“ Verbraucher sind im Schnitt hochgebildet und verfügen über ein signifikant überdurchschnittliches Einkommen – stellen also eine hochattraktive Zielgruppe dar. Unsere These war, dass sich die Erkenntnisse der damaligen „Social Banking“-Studie auf die Versicherungswirtschaft übertragen lassen.

Darum führte zeb im Auftrag des Versicherungsmaklers „grün versichert GmbH“ eine Vorstudie durch, um herauszufinden, inwiefern die Ansprüche, die nachhaltig orientierte Kunden an Banken haben, auch für Versicherungen gelten. Bei der Befragung kam zunächst einmal heraus, dass zwei von drei Kunden gar nicht wissen, dass eine nachhaltigere Ausrichtung im Versicherungsbereich überhaupt möglich ist. Das erklärt, warum weniger als fünf Prozent der Teilnehmer angaben, sich im Vorfeld eines Versicherungsabschlusses über entsprechende Alternativen zu informieren.

Das bedeutet allerdings nicht, dass den Befragten gleichgültig wäre, in welche Anlageformen ihre Versicherungsbeiträge investiert werden – im Gegenteil: Die Umfrage ergab, dass Investitionen, die zum Beispiel auf Raubbau an der Natur, auf Massentierhaltung oder auf Rüstungsgeschäften beruhen, von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt werden. Immerhin rund die Hälfte der Teilnehmer gab an, ihnen sei wichtig, dass ihr Geld nicht in Atomkraft (52 Prozent) oder Kohlekraft (50,3 Prozent) fließt.

Stimmen Sie zu, dass Ihnen wichtig ist, dass Versicherer Ihre Versicherungsbeiträge nicht in Anlagen investieren, die mit nachstehenden Punkten in Verbindung stehen?

Welches Kriterium ist für Sie im Hinblick auf einen nachhaltigen Versicherer am wichtigsten?

Die Befragten verbinden mit dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ allerdings nicht nur die Frage, in welche Branchen und Anlageklassen ihre Beiträge fließen sollen. Vielen Kunden ist auch wichtig, dass der Versicherer in seinem täglichen Geschäftsbetrieb nachhaltig agiert. Hierzu zählen Punkte wie der Bezug von Ökostrom und ein schonender Umgang mit Ressourcen. Darüber hinaus ergab die Umfrage, dass bei gleichem Preis und gleicher Leistung gut 85 Prozent der Kunden zu einem nachhaltigen Versicherer wechseln würden und mehr als die Hälfte der Befragten selbst bei einem Mehrbeitrag von fünf Prozent noch zu einem nachhaltigen Versicherer wechseln würde.

Allerdings zeigte sich auch, dass drei von fünf Versicherten bezweifeln, dass ihr Makler oder Vermittler sie in dieser Hinsicht kompetent beraten kann, und gaben zusätzlich an, dass sie sich aufgrund der hohen Komplexität des Versicherungsmarktes bei der Suche nach nachhaltigen Versicherern überfordert fühlen. Dass nachhaltige Versicherungen kaum nachgefragt werden, liegt also allem Anschein nicht an mangelndem Interesse, sondern an fehlender Beratung und Vermittlung.

Diesen Schluss legt auch eine parallel zur Kundenbefragung durchgeführte Befragung unter Versicherungsmaklern nahe. Drei Viertel der Makler gehen davon aus, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Versicherungslösungen künftig weiter steigen wird, allerdings glauben nur rund zehn Prozent der Makler, dass ihre Kunden sie als kompetenten Ansprechpartner zum Thema Nachhaltigkeit bei Versicherungen wahrnehmen, und keiner der befragten Makler gab an, sich von den Versicherern zum Thema Nachhaltigkeit (Betrieb, Kapitalanlage, Produkte) gut informiert zu fühlen. Tatsächlich wirbt – anders als in der Bankenbranche – am deutschen Versicherungsmarkt kein einziger Anbieter mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Breite um Kunden. Angebote gibt es nur vereinzelt. Zu den Vorreitern zählt die ConcordiaOeco (vormals Oeco Capital), die als erste Versicherung transparente Positiv- und Negativkriterien für die Anlage ihrer Kundengelder formuliert hat.

Auch im Sachversicherungsbereich gibt es erste nachhaltige Versicherungslösungen. Entwickelt wurden sie von der Bayerischen Versicherung und der NV-Versicherung jeweils in Kooperation mit der „grün versichert GmbH“. Unter deren Marke werden die Produkte nun auch im Maklermarkt angeboten. Die beiden Versicherer garantieren, mindestens den Teil ihrer Beitragseinnahmen in nachhaltige Anlagen zu investieren, der aus den „grünen“ Tarifen stammt. Darüber hinaus gibt es für den Kunden Mehrleistungen bei nachhaltiger Lebensweise.

In dem Zusammenhang interessant: Die „grün versichert GmbH“ ist der erste Versicherungsmakler, der vom Deutschen Institut für Nachhaltigkeit und Ökonomie sowie vom US-amerikanischen B-Lab zertifiziert wurde. Darüber hinaus zeichnete im vergangenen Jahr auch der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung das Unternehmen aus. Was heißt all das nun für die Branche? Eine hochattraktive Zielgruppe von grob geschätzt rund 15 Millionen Menschen scheint grundsätzlich offen zu sein für nachhaltige Versicherungslösungen – kann allerdings nur auf ein sehr eingeschränktes, kaum beworbenes Produktangebot zugreifen. Versicherer und Makler, die sich in diesem unerschlossenen Feld positionieren, haben darum beste Chancen, mit nachhaltigen Angeboten ein ebenso nachhaltiges Geschäft zu generieren.

Bild: (1) © Rawpixel.com / fotolia.com (2) © Fabrice Gerdes, grün versichert GmbH (3) © Dr. Matthias Uebing, zeb.rolfes.schierenbeck.associates gmbh (4 & 5) experten-netzwerk GmbH

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