Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2025: Deutscher Aufschwung bleibt schwach – strukturelle Probleme bremsen
Die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2025 zeigt: Deutschlands Wirtschaft stagniert trotz staatlicher Impulse. Strukturelle Probleme wie hohe Kosten, Fachkräftemangel und Reformstau bremsen den Aufschwung. Die Institute fordern tiefgreifende wirtschaftspolitische Maßnahmen.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Deutschlands kommen in ihrer aktuellen Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2025 zu einem ernüchternden Befund: Zwar hat die deutsche Wirtschaft nach zwei Jahren Rezession die konjunkturelle Talsohle durchschritten, doch von einem nachhaltigen Aufschwung kann keine Rede sein. Die Krise war tiefer als bislang ausgewiesen, und die strukturellen Schwächen der deutschen Volkswirtschaft bleiben ungelöst.
Stagnation statt Aufschwung: Die neue Realität
Im ersten Halbjahr 2025 stagnierte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP), und auch für das Gesamtjahr wird lediglich ein leichtes Wachstum von 0,2 % erwartet. Erst ab 2026 soll die Wirtschaft wieder moderat wachsen – um 1,3 %, gefolgt von 1,4 % im Jahr 2027. Doch das Bild täuscht: Anders als in früheren Aufschwungphasen bleibt die Exportdynamik aus. Stattdessen stützt vor allem der private und staatliche Konsum das Wachstum.
Der Konsum der privaten Haushalte soll laut Prognose bis 2027 auf 2.504 Mrd. Euro steigen – ein Plus von gut 9,7 % gegenüber 2024. Gleichzeitig stagnieren die Ausrüstungsinvestitionen, ein klassischer Frühindikator für wirtschaftliche Erholung, trotz fiskalpolitischer Impulse.
Strukturelle Schwächen dämpfen langfristige Perspektiven
Die Institute benennen klare strukturelle Hemmnisse:
- Hohe Lohnstückkosten,
- steigende Energiepreise,
- Fachkräftemangel,
- sinkende Wettbewerbsfähigkeit.
Diese Faktoren belasten nicht nur das kurzfristige Wachstum, sondern führen langfristig zu einem dramatischen Befund: Das Produktionspotenzial der deutschen Wirtschaft wird – unter Status-quo-Bedingungen – bis Ende des Jahrzehnts auf eine jährliche Wachstumsrate von nur noch 0,2 % sinken.
Expansive Finanzpolitik: Ein Strohfeuer?
Die neue Bundesregierung setzt auf schuldenfinanzierte Impulse, insbesondere in Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz. Für 2026 ergibt sich daraus ein konjunktureller Stimulus von 0,8 % des BIP, für 2025 sogar 1,3 %. Allerdings: Ein erheblicher Teil der Mittel fließt verzögert ab – durch Planungsverzögerungen, begrenzte Kapazitäten und Importabhängigkeiten in der Rüstungsindustrie. Zudem ersetzt die Kreditaufnahme teilweise notwendige Konsolidierung. Ab 2027 entsteht daher ein erheblicher Konsolidierungsbedarf, der den fiskalischen Impuls deutlich mindern wird.
Industrie schwächelt, Dienstleistungen stützen
Die Diskrepanz zwischen sektoraler Entwicklung wird zunehmend augenfällig. Während die konsumnahen Dienstleistungen durch steigende Realeinkommen profitieren, bleibt die Lage im Produzierenden Gewerbe angespannt. Investitionen in Ausrüstungen und Bauten entwickeln sich rückläufig – ein Zeichen fehlenden Vertrauens und struktureller Unsicherheit. Die Außenhandelsdynamik leidet zusätzlich unter der restriktiven US-Zollpolitik. Der Außenbeitrag sinktvon 119,9 Mrd. Euro im Jahr 2025 auf nur noch 99,2 Mrd. Euro im Jahr 2027.
Reformbedarf: Die Institute fordern politische Neuausrichtung
Vor diesem Hintergrund fordern die Institute tiefgreifende wirtschaftspolitische Reformen. Ein zentrales Anliegen ist, nationale Alleingänge in der Klimaschutzpolitik zu vermeiden, um international tätige Unternehmen nicht zusätzlich zu belasten. Auch in der Sozialpolitik sehen die Institute dringenden Handlungsbedarf: Die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sollen stabilisiert werden. Angesichts des demografischen Wandels und steigender Lebenserwartung gerät insbesondere das Umlagesystem der Rente unter Druck – Bestandsrenten sollten künftig langsamer steigen als die Nominallöhne, so die Empfehlung.
Gleichzeitig betonen die Institute, dass Arbeitsanreize für ältere Beschäftigte gestärkt werden müssen – ein Ziel, das mit den Plänen der Bundesregierung übereinstimmt. Bei der Energiewende solle stärker auf marktwirtschaftliche Preissignale gesetzt werden. Auch die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung müsse beschleunigt werden, um Effizienz und Standortqualität zu verbessern.
Mit Blick auf die absehbaren Milliardenlücken im Bundeshaushalt 2027 sprechen sich die Institute klar gegen Steuererhöhungen aus. Stattdessen fordern sie, konsumtive Staatsausgaben zu kürzen, um finanzielle Spielräume zu schaffen und das Vertrauen in die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu sichern.
Aufschwung ohne Fundament
Die Gemeinschaftsdiagnose kommt zu einem klaren Urteil: Die konjunkturelle Stabilisierung verdankt sich maßgeblich der expansiven Finanzpolitik – nicht der realwirtschaftlichen Dynamik. Die großen strukturellen Herausforderungen bleiben ungelöst. Ohne grundlegende Reformen droht Deutschland dauerhaft hinter sein Potenzial zurückzufallen.
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