Ein Rechtsbehelfsverfahren bietet eine Möglichkeit, behördliche Entscheidungen überprüfen zu lassen, wenn Zweifel an deren Richtigkeit bestehen. Insbesondere bei steuerlichen und finanziellen Angelegenheiten können solche Verfahren von großer Bedeutung sein. Sie bieten die Chance, mögliche Fehler oder Unstimmigkeiten in behördlichen Bescheiden anzufechten und eine neue Bewertung zu erwirken.
Durch die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen und die oft detaillierten formalen Anforderungen ist laut Nicole Grigat, Fachanwältin für Steuerrecht in Krefeld, eine fundierte rechtliche Beratung unerlässlich. Ein Anwalt verfügt über die nötige Fachkenntnis und Erfahrung, um die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen und die bestmögliche Strategie zu entwickeln. Zudem kann er dabei helfen, Fristen einzuhalten und formale Fehler zu vermeiden, die den Erfolg des Verfahrens gefährden könnten.
Definition und Bedeutung des Rechtsbehelfsverfahrens im Steuerrecht
Das Rechtsbehelfsverfahren im Steuerrecht ermöglicht es, gegen Entscheidungen von Finanzbehörden vorzugehen, die bei der Bearbeitung von Steuererklärungen oder anderen Steuersachverhalten getroffen werden. Nicht selten enthalten diese Entscheidungen inhaltliche Rechtsfehler, Formfehler oder Rechenfehler. Adressaten eines Steuerbescheides stehen damit nicht rechtlos da, sondern haben vielfältige Möglichkeiten, auf solche Fehler hinzuweisen und eine Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Entscheidung zu fordern.
In der Abgabenordnung sind verschiedene Verfahrensarten festgelegt, wie gegen Entscheidungen des Finanzamts Einspruch erhoben werden kann. Dazu zählen das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren, der Änderungsantrag und der Antrag auf Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Dies bewirkt, dass die Zahlungspflicht aus dem angegriffenen Bescheid bis zur endgültigen Entscheidung über den Einspruch ausgesetzt wird.
Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren
Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren oder Einspruchsverfahren ist das häufigste und bedeutendste Mittel, um gegen einen Bescheid der Steuerbehörde vorzugehen. Die gesetzlichen Regelungen dazu finden sich in den §§ 347 ff. der Abgabenordnung. Ein Einspruch muss fristgerecht, schriftlich oder zur Niederschrift bei dem zuständigen Finanzamt eingelegt werden. Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beginnt mit der Bekanntgabe des Bescheides. Ab diesem Zeitpunkt steht ein Monat zur Verfügung, um den Einspruch einzulegen.
Vollstreckung trotz laufenden Einspruchs
Wenn ein Steuerpflichtiger fristgerecht Einspruch gegen einen Steuerbescheid einlegt, kann die Steuerbehörde trotz des Einspruchs vollstrecken. Eine Steuernachzahlung im Steuerbescheid ermöglicht es dem Finanzamt, bei nicht fristgerechter Zahlung Maßnahmen wie die Pfändung des Bankguthabens durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu ergreifen. Es kann außerdem dazu kommen, dass der Steuerschuldner eine eidesstattliche Erklärung über sein Vermögen, die auch als Offenbarungseid und Vermögensauskunft bekannt ist, abgaben muss.
Ein Einspruch allein reicht nicht aus, um Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern. Es ist notwendig, zusätzlich zur Einlegung des Einspruchs gesondert die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides zu beantragen. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann jedoch nur gestellt werden, wenn zuvor Einspruch gegen den Bescheid eingelegt wurde. Damit besteht eine enge Verbindung zwischen dem Einspruch und dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Die Finanzbehörde entscheidet separat über den Einspruch und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung erfolgt auf Basis einer Prüfung der Einspruchsbegründung. Nur wenn bei dieser summarischen Prüfung Erfolgsaussichten im Einspruchsverfahren bestehen, wird auch die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides gewährt.
Mögliche Verschlechterung durch Einspruchsverfahren
Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens unterzieht die Behörde den betreffenden Steuerfall einer gründlichen Prüfung. In der Folge kann dies nicht nur zu einer Ablehnung des Einspruchs führen, sondern auch zu einer Entscheidung, die den Steuerpflichtigen zusätzlich belastet. Wurde beispielsweise ursprünglich gegen einen Nachzahlungsbescheid von 5.000 Euro Einspruch erhoben, kann sich dieser Betrag nach erneuter Überprüfung auf 6.000 Euro erhöhen.
Eine solche Verschlechterung der Situation des Steuerpflichtigen, auch Verböserung genannt, kann eintreten, wenn die Finanzbehörde feststellt, dass bestimmte Ausgaben, wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten, nicht anerkennungsfähig sind. In einigen Fällen nutzen Finanzämter die Möglichkeit einer Verböserung auch, um Steuerpflichtige dazu zu bewegen, ihren Einspruch zurückzunehmen. Die tatsächliche Relevanz solcher Drohungen kann für rechtliche Laien schwierig zu beurteilen sein.
Stattgabe oder Einspruch nach Rechtsbehelfsverfahren
Bei Anerkennung der Rechtswidrigkeit eines Steuerbescheides durch die Finanzbehörde aufgrund eines Einspruchs wird der Bescheid überarbeitet und ein geänderter Abhilfebescheid erlassen. Dies führt zur Erledigung des Rechtsbehelfsverfahrens. Sollte der Steuerpflichtige den neuen Bescheid erneut als fehlerhaft erachten, ist ihm die Möglichkeit eines weiteren Einspruchs gegeben. Der geänderte Bescheid ersetzt den ursprünglichen Bescheid und bildet nun die neue Grundlage für die Besteuerung.
Wird der Einspruch jedoch abgelehnt, stellt die Behörde eine Einspruchsentscheidung aus, die den Einspruch zurückweist. Gegen diese Entscheidung kann der Steuerpflichtige innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Finanzgericht Klage erheben. Die Klage muss schriftlich eingereicht und begründet werden. Dabei prüft das Finanzgericht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfassend.
Ein Vertretungszwang durch einen Anwalt besteht vor dem Finanzgericht nicht. Steuerpflichtige können ihre Angelegenheiten eigenständig vertreten, müssen jedoch eine Klageschrift einreichen und dabei bestimmte formale Anforderungen erfüllen. Angesichts der Komplexität steuerrechtlicher Fragestellungen empfiehlt sich dennoch oft die Inanspruchnahme professioneller Hilfe, um die rechtlichen Hürden zu bewältigen.
Während des Klageverfahrens bleibt die ursprüngliche Steuerforderung grundsätzlich bestehen und ist weiterhin zu begleichen, es sei denn, das Finanzgericht setzt die Vollziehung aus. Die Aussetzung der Vollziehung kann beantragt werden, um zu verhindern, dass die Steuerpflicht während des Verfahrens vollstreckt wird.
Ein Vertretungszwang durch einen Anwalt besteht vor dem Finanzgericht nicht. Steuerpflichtige können ihre Angelegenheiten eigenständig vertreten, müssen jedoch eine Klageschrift einreichen und dabei bestimmte formale Anforderungen erfüllen. Angesichts der Komplexität steuerrechtlicher Fragestellungen empfiehlt sich dennoch oft die Inanspruchnahme professioneller Hilfe, um die rechtlichen Hürden zu bewältigen.
Änderungs- und Berichtigungsantrag statt Einspruch
Besteht der Verdacht, dass ein Steuerbescheid Fehler aufweist, besteht alternativ zum Einspruchsverfahren die Möglichkeit, einen Antrag auf schlichte Änderung des Bescheides gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO zu stellen. Hierfür ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige präzise angibt, welche Änderungen gewünscht sind und warum der Bescheid entsprechend geändert werden soll.
Eine derartige Änderung führt laut dem Fachmagazin finanznewsonline.de jedoch nicht zu einer umfassenden Prüfung des Falls, wie sie im Rahmen eines Einspruchs erfolgen würde, und nachträgliche Anträge sind nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht zulässig. Wird dieser Antrag nur teilweise bewilligt, beschränkt sich ein anschließendes Rechtsbehelfsverfahren auf die Überprüfung, ob die teilweise Ablehnung des Antrags rechtswidrig war.
Sollte der Steuerbescheid offensichtliche Fehler wie Schreib- oder Rechenfehler enthalten, kann gemäß § 129 AO eine Berichtigung beantragt werden. Diese offenbaren Unrichtigkeiten müssen bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vorliegen. Mechanische Fehler, die nicht Teil der rechtlichen Entscheidungsfindung sind, können jederzeit bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist korrigiert werden, ohne dass dabei eine Einspruchsfrist beachtet werden muss.
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