Innerhalb der Versicherungsbranche hat sich Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren bei den meisten Häusern zu einem zentralen Thema entwickelt. Versicherungsunternehmen streben einerseits zunehmend danach, ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen, andererseits übt auch die wachsende Regulatorik in diesem Bereich einen stärkeren Druck zur Transformation aus.
Ein Beitrag von Oliver Bentz, Fachkoordinator Nachhaltigkeit der Assekurata Rating-Agentur GmbH
In unserer Verbraucherbefragung von Dezember 2020 zeigte sich ein klares Bild: Nachhaltigkeit stellt einen wichtigen Aspekt bei der Betrachtung von Versicherungsunternehmen dar und ist für einen relevanten Anteil der Kundinnen und Kunden ein Kriterium für die Kaufentscheidung. Die Befragten wünschten sich ein stärkeres Engagement der Versicherungsunternehmen in puncto Nachhaltigkeit und mehr Beratung zu diesem Thema.
Doch hat sich die positive Einstellung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Kontext der aktuellen Entwicklungen grundlegend verändert? Dieser Frage gingen wir im Juli 2023 mittels einer neuen Verbraucherbefragung nach. Dabei haben wir insgesamt 1.012 Menschen befragt, wie sie persönlich die Relevanz von Nachhaltigkeitsaspekten im Allgemeinen und bei Versicherungsunternehmen im Speziellen einschätzen. Im Vergleich zur vorherigen Befragung haben wir zudem einen Frageblock zur Beratung eingefügt, um zu untersuchen, wie sich die Pflicht zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen bei Versicherungsanlageprodukten ausgewirkt hat, welche im August 2022 von der EU-Kommission eingeführt wurde.
Verwirrender Nachhaltigkeitsbegriff
In unserer Umfrage haben wir Verbraucherinnen und Verbraucher gefragt, wie verständlich der Begriff Nachhaltigkeit für sie ist, welche Aspekte der Nachhaltigkeit ihnen besonders wichtig sind und wie sie die Geschwindigkeit der Entwicklungen zum Thema Nachhaltigkeit empfinden.
Zu Beginn lässt sich festhalten, dass die Antworten auf ein gewisses nachlassendes Interesse für das Thema hindeuten. Während in unserer Befragung von 2020 noch 68,4 Prozent der Befragten angaben, dass eine nachhaltige Lebensweise für sie eher wichtig oder wichtig sei, lag dieser Anteil 2023 bei nur noch 61,1 Prozent. Gleichzeitig zeigt sich eine zunehmende Verwirrung im Zusammenhang mit dem Begriff Nachhaltigkeit.
Hatten 2020 noch 30 Prozent der Befragten angegeben, eine sehr klare Vorstellung von der Bedeutung des Begriffes zu haben, sank der Anteil 2023 auf 21,1 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Menschen, die eine unklare oder eher unklare Vorstellung von dem Begriff haben, von 2,3 Prozent auf 7,1 Prozent.
Das Antwortverhalten legt nahe, dass für die Befragten Nachhaltigkeit ein zunehmend komplexerer Begriff wird, wobei gleichzeitig die Begeisterung für eine nachhaltige Lebensweise abnimmt. Der Rückgang ist jedoch verhältnismäßig moderat und fällt geringer aus, als man angesichts der öffentlichen Debatten – und auch so mancher Umfrage zur Bundestagswahl – erwartet hätte.
Zu langsame Entwicklung
Eng mit der Neigung zu einer nachhaltigen Lebensweise ist auch die Frage verbunden, ob die Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu schnell sind und die Menschen überfordern, oder ob es ihnen viel zu langsam geht. Diese Diskussion ist insbesondere im Kontext der Debatte um das Gebäudeenergiegesetz entbrannt.
Wir wollten daher von den Befragten wissen, wie sie die Geschwindigkeit der aktuellen Entwicklung zur Förderung der Nachhaltigkeit einschätzen. Eine Gliederung nach Altersgruppen zeigt dabei ein ausgeglichenes, aber doch interessantes Bild:
Insgesamt tendiert rund ein Viertel der Befragten zur Mitte und gibt an, dass es weder zu schnell noch zu langsam ginge. Knapp die Hälfte der 18-29-Jährigen, wie auch der 30-49-Jährigen ist sich einig, dass es zu langsam vorangeht. Überraschenderweise ist der Anteil der über 50-Jährigen mit 56,1 Prozent knapp höher, sodass sich die älteren Befragten tendenziell eine schnellere Entwicklung wünschen würden.
Umweltaspekte haben den Vorrang
Abschließend haben wir uns innerhalb des allgemeinen Teils unserer Umfrage erkundigt, welche Aspekte die Menschen am ehesten mit dem Begriff Nachhaltigkeit assoziieren. Bei der Auswahl der Aspekte haben wir uns insbesondere an der Terminologie der EU-Taxonomie sowie der zurzeit entwickelten Sozialen Taxonomie orientiert.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Befragten – ähnlich wie in unserer Befragung aus dem Jahr 2020 – Nachhaltigkeit hauptsächlich mit Umweltaspekten in Verbindung bringen. Dabei werden insbesondere die nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft sowie die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung als wichtige Aspekte genannt. Soziale Themen und Governance-Aspekte spielen zwar auch eine Rolle, bleiben aber in ihrer Bedeutung hinter den ökologischen Themen zurück.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Begeisterung für das Thema Nachhaltigkeit zwar nachgelassen hat, jedoch nicht so stark, wie man angesichts der öffentlichen Debatten hätte annehmen können. Eine Mehrheit der Befragten betrachtet das Thema nach wie vor als wichtig und wünscht sich eine schnellere Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Nachhaltigkeit. Für viele Menschen steht unter dem Begriff Nachhaltigkeit hauptsächlich die ökologische Dimension im Vordergrund.