Der Ausbau der erneuerbaren Energien drängt angesichts der weiter steigenden Strompreise. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hat deshalb angekündigt, die Kapazitäten für Solarenergie in Deutschland erheblich schneller auszubauen. Auch Investmentfonds sollen mehr Solaranlagen auf den in ihren Portfolios gehaltenen Gebäuden errichten. Das geplante Wachstumschancengesetz sieht deshalb vor, die steuerlich zulässige Höhe für Einnahmen aus der Stromerzeugung der Fonds auszuweiten.
Interview mit Bastian Hammer, Steuerexperte beim deutschen Fondsverband BVI
Herr Hammer, wenn man sich in deutschen Gewerbegebieten umsieht, findet man erstaunlich wenig Solaranlagen auf den Dächern. Wird sich das ändern, wenn für Investmentfonds die Grenze für Einnahmen aus der Stromerzeugung von 10 auf 20 Prozent an den Mieteinnahmen steigt?
Bastian Hammer: Nein. Denn das Verhältnis der Einnahmen aus der Stromerzeugung zu den Mieteinnahmen hängt von verschiedenen Faktoren wie der Gebäudeart oder den Strompreisen ab. Logistikhallen zum Beispiel sind meist eingeschossig, ihre Dachfläche ist also genauso groß wie die vermietbare Nutzfläche. Der mögliche Anteil der Einnahmen aus der Stromproduktion an den Mieteinnahmen ist damit höher als bei mehrstöckigen Gebäuden wie zum Beispiel Mehrfamilienhäusern, bei denen die Dachfläche kleiner ist als die Nutzfläche.
Auch steigende Strompreise sind ein Faktor, der das Verhältnis der Einnahmen aus Stromerzeugung zu den Mieteinnahmen vergrößert. Um das volle Potenzial im Logistik- und Lagerbereich auszuschöpfen, müsste die Grenze um ein Mehrfaches angehoben werden. Da dies von der Politik bisher nicht geplant ist, wird sich in den Gewerbegebieten nicht viel ändern.
Reicht die Grenzerhöhung auf 20 Prozent für andere Gebäudearten wie Mietshäuser oder Bürogebäude aus?
Hammer: Pauschal kann man das nicht beantworten. Wie gesagt, es kommt auf das Verhältnis der vermieteten Fläche zu der für Solaranlagen nutzbaren Fläche an. Je nach Zahl der Stockwerke schwanken die Verhältnisse stark. In den meisten Fällen reicht hier eine Grenze von 20 Prozent ebenfalls nicht aus, vor allem weil auch sinkende Mieteinnahmen durch Leerstände einkalkuliert werden müssen.
Dies hat auch die Bundesregierung erkannt. Denn der Entwurf des Wachstumschancengesetzes sieht für gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften eine höhere Grenze für Stromeinnahmen als für Fonds vor, nämlich 30 statt 20 Prozent. Fonds, die Mietshäuser im Bestand halten, werden damit anders behandelt. Diese Differenzierung der Grenzen je nach Art des Immobilieneigentümers ist willkürlich.
Welche Grenze halten Sie dann für sinnvoll?
Hammer: Keine. Denn eine Grenze im Steuerrecht ist nur nötig, wenn die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im Gebäudebereich beschränkt werden soll. Dies steht jedoch im Widerspruch zum Koalitionsvertrag und allen politischen Beteuerungen, den Ausbau der erneuerbaren Energien schnell voranzutreiben.
Die mögliche Stromproduktion und damit die Einnahmen aus der Stromerzeugung werden automatisch durch die gegebenen Dach- und Fassadenflächen der Gebäude sowie die Freiflächen begrenzt. Das bedeutet, dass auf großen Flächen viele Solaranlagen und auf kleinen Flächen weniger Anlagen errichtet werden können. Oder anders ausgedrückt: Große Flächen bedeuten hohe Stromeinnahmen, kleine Flächen geringe Einnahmen. Eine einheitliche Grenze für alle Gebäude, egal wie hoch, macht keinen Sinn.
Warum wurde im Steuerrecht überhaupt diese Grenze für Spezial-Investmentfonds eingeführt? Befürchtet die Finanzverwaltung, dass ihr zu viele Gewerbesteuereinnahmen entgehen werden, wenn die – steuerlich begünstigten – Spezial-Investmentfonds mehr Strom produzieren können?
Hammer: Diese Befürchtung ist unbegründet, denn die Besteuerung der Einnahmen aus der Stromerzeugung ist bereits geregelt. Investmentfonds zahlen Gewerbesteuer auf ihre Einnahmen aus der Stromerzeugung. Kommunen würden damit vom Wegfall der Grenze sogar profitieren: Je mehr Strom die Fonds produzieren, desto höher sind ihre Steuereinnahmen. Und zugleich könnten die Fonds endlich ihr Potenzial für Solaranlagen ausschöpfen.
Das ist ja auch das Ziel der Bundesregierung. Können Sie den möglichen Klimabeitrag der Spezial-Investmentfonds konkretisieren?
Hammer: Allein mit den Logistik- und Lagerhallen, die von deutschen Fonds gehalten werden, könnten jedes Jahr die Privathaushalte einer Stadt wie Frankfurt mit Strom versorgt werden. Insgesamt halten die Fonds in Deutschland mehr als 6.000 Gebäude mit über 50 Millionen Quadratmetern Nutzfläche. Davon entfallen rund 13 Millionen auf Industrie-, Logistik- und Lagerhallen, also Gebäude, die sich gut für Solaranlagen eignen. Je nach Wirkungsgrad und Wirkungsfläche könnten damit pro Jahr schätzungsweise rund 120.000 bis 470.000 private Haushalte mit Strom versorgt werden.
Die Fragen stellte Christiane Lang, Internetredaktion.
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