Das hohe Zinsniveau, die schlechte allgemeine wirtschaftliche Lage und die großen Fragezeichen rund um das künftige Heizen lasten auf dem Immobilienmarkt. Die Folge sind deutliche Preisrückgänge in vielen Regionen. Verbunden mit der Frage: Wie viel ist (m)eine Immobilie noch wert? Auf welche Faktoren es bei der Bewertung einer Immobilie beim Kauf oder Verkauf ankommt, beschreibt der Immobilien-Spezialist André Heid, Geschäftsführer von Heid-Immobilienbewertung.de.
Hach, wie war das früher einfach! „Lage, Lage, Lage“ – das war der simple Dreiklang für die Bewertung einer Immobilie, ob Wohnung oder freistehendes Haus, in Deutschland. Nun, ganz falsch ist das heute auch nicht – und wird es auch nie werden. Doch zum Bewertungsfaktor „Lage“ hat sich in den vergangenen Monaten mit regelrecht dramatischer Geschwindigkeit ein mindestens genauso wichtiger Faktor hinzugesellt: der energetische Status einer Immobilie.
Das Heizungsgesetz von Bundesminister Robert Habeck hat zwar in den vergangenen Wochen im Rahmen der politischen Diskussionen und des offenen Widerstands selbst aus der Regierungskoalition Einiges an Schärfe verloren. Dennoch hat sich an der Grundtendenz nichts geändert: Die Zeit der fossilen Befeuerungsträger Öl und Gas nähert sich dem Ende. Aufgrund politischer Regulierungen und allein aufgrund der Marktkräfte. Besonders Gas dürfte in den kommenden Jahren nicht nur knapp, sondern auch entsprechend teuer bleiben. Der große Hoffnungsträger heißt ohne Frage: Wärmepumpe.
Beim Neubau dominiert bereits die Wärmepumpe
Das hat direkte und bereits heute spürbare Folgen für den Immobilienmarkt. Noch ist die Mehrheit aller Immobilien hierzulande mit Öl- und Gasheizungen ausgestattet. 2022 heizten laut einer Studie der Deutschen Bank knapp die Hälfte der Menschen in bestehenden Wohnungen mit Gas, knapp ein Viertel mit Heizöl und 14 Prozent mit einem weiteren Gewinner der vergangenen Wochen: der Fernwärme.
Doch es bedarf nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, dass sich diese Verhältnisse künftig drehen werden. Bei Neubauten, die aufgrund der hohen Zinsen und teuren Baustoffe derzeit einbrechen, dominiert bereits heute die Wärmepumpe. Diejenigen, die sich auch im aktuellen Zinsumfeld den Bau eines Hauses zutrauen und ihn sich leisten können, haben die anfänglichen Mehrkosten für den Einbau einer Wärmepumpe auch auf dem Konto.
Was passiert mit fossil beheizten Bestandsimmobilien?
Potenzielle Käuferinnen und Käufer, vor allem aber Verkäuferinnen und Verkäufer von Bestandsimmobilien müssen sich mehr Fragen stellen. Grundstücksfläche, Lage, Baujahr, eine besonders schicke Küche fallen weniger als früher ins Gewicht, wenn im Keller eine alte Ölheizung bollert und für wohlige Wärme im Winter sorgt. Weniger effiziente Gebäude, die ansonsten über prächtige Extras wie einen großen Garten verfügen, werden bereits heute am Markt abgestraft. Effizient gedämmte und beheizte Immobilien wechseln – bei ansonsten gleichen Startvoraussetzungen – derzeit nach Schätzungen mit bis zu 15 Prozent höheren Preisen die Eigentümerinnen und Eigentümer. Und es ist nicht davon auszugehen, dass diese Schere sich in Zukunft wieder schließt. Eher im Gegenteil.
Was bedeutet das nun für den konkreten Wert einer Eigentumswohnung oder eines Hauses? Wer jetzt eine Bestandsimmobilie mit Öl- oder Gasheizung verkaufen will, muss diese Abschläge einkalkulieren. Aktuell ist die Stimmung rund um das Heizungsgesetz im wahrsten Wortsinn sehr aufgeheizt. Sobald gesetzliche Klarheit herrscht und potenzielle Käuferinnen und Käufer auch wissen, wie viel Fördergeld sie etwa für den Einbau einer Wärmepumpe vom Staat zu erwarten haben, dürfte sich die Aufregung legen, was dem Preisniveau aus Sicht der Verkäufer eher guttun dürfte.
Investitionen in Effizienz könnten sich auszahlen
Zudem sollten Immobilienbesitzer, die den Verkauf erst in ein paar Jahren planen, zu Bleistift und Papier greifen – und spitz nachrechnen. Unter Umständen kann es sich für sie auch mehr lohnen, jetzt auf eigene Kosten in die energetische Sanierung zu investieren, das Haus so auf Klima-Vordermann zu bringen. Die Basis für all diese Überlegungen bildet eine transparente, objektive Immobilienbewertung.
Über den Autor: André Heid ist Geschäftsführer der Heid Immobilienbewertung & Immobiliengutachter sowie Sachverständigen GmbH mit Sitz in Walldorf. Mit über 140 öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ist das Unternehmen bundesweit im Bereich der Immobilienbewertung tätig. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von renommierten Instituten wie DEKRA, DIA, EIPOS, HypZert, Sprengnetter und TÜV zertifiziert.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Lage, Lage, Finanzierbarkeit: der deutsche Immobilienmarkt im Wandel
Nach der langanhaltenden Phase rückläufiger Zinsen traf die abrupt eintretende Zinswende im Sommer 2022 auf eine Gemengelage weiterer negativer Einflüsse im Immobilienmarkt. Ein Überblick über die Auswirkungen der unterschiedlichen Faktoren.
Immobilienmarkt: Warum jetzt große Chancen bestehen
Wenn Hauseigentümer ihre Immobilie verkaufen möchten, müssen sie aktuell viel Geduld aufbringen. Denn die Nachfrage schwindet derzeit, während das Angebot weiter wächst. Wer über liquide Mittel verfügt, kann diese Situation als große Chance nutzen. Was Investoren beachten sollten.
Drohendes Verbot von Öl- und Gasheizungen bringt Immobilienmarkt in Wallung
Ab dem 1. Januar 2024 muss jede neu eingebaute Heizung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energie nutzen. Dieses Gebot hängt wie ein Damoklesschwert über dem Immobilienmarkt. Denn klar ist eines: Dadurch wird der Finanzierungsbedarf im privaten Immobilienmarkt massiv steigen.
Eigenheim bald nur noch Luxus?
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Immobilienverrentung: Hohe Nachfrage, veränderte Motive
Der Bundesverband Immobilienverrentung (BVIV) zieht Bilanz für das Jahr 2024 und stellt aktuelle Entwicklungen im Markt für Leibrenten und Teilverkauf vor. Die Nachfrage nach Möglichkeiten, Liquidität aus der eigenen Immobilie freizusetzen, blieb auch im vergangenen Jahr hoch. Gleichzeitig geht der Verband mit neuen Zertifizierungen und Schulungsangeboten in die Qualitätsoffensive.
BFH-Urteil: Sonderwünsche bei Neubauten können Grunderwerbsteuer auslösen
Der Bundesfinanzhof hat in zwei aktuellen Urteilen entschieden, dass nachträglich vereinbarte Sonderwünsche bei einer noch zu errichtenden Immobilie der Grunderwerbsteuer unterliegen können, sofern sie in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag stehen.
Wunsch nach Wohneigentum bleibt hoch
Trotz hoher Immobilienpreise und knappen Eigenkapitals bleibt der Wunsch nach Wohneigentum in Deutschland groß. Besonders junge Erwachsene und Menschen in Süddeutschland streben nach einem Eigenheim. Welche Motive hinter dem Kaufinteresse stehen – und was viele dennoch davon abhält.
„Wohnraumkrise ist kaum noch zu verhindern“
Die Wohnungswirtschaft hat während der Regierungszeit der Ampel-Koalition eine turbulente Phase durchlebt. Während der Immobilienverband Deutschland (IVD) dringend Sofortmaßnahmen für den Wohnungsbau fordert, zeigt eine Analyse von Immowelt, dass die Angebotspreise für Wohneigentum zunächst einen Höchststand erreichten, dann aber deutlich fielen.