Wird ein Handelsvertreter aus Anlass einer Kündigung zu erheblichen Rückzahlungen verpflichtet (hier: 54.937,47 €), dann können ihn solche Vereinbarungen zumindest mittelbar von einer Kündigung abhalten. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis verstößt aber gegen § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB und ist unwirksam, wie der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 19.01.2023 zum Geschäftszeichen VII ZR 787/21 entschieden hat.
In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt erhielt der Handelsvertreter eines Möbelunternehmens für seine Tätigkeit pauschale Provisionsvorschüsse. Hierzu war zunächst vereinbart, dass die Vorschüsse mit den tatsächlichen von dem Handelsvertreter erwirtschafteten Provisionen verrechnet würden. Allerdings schaffte er es nicht, diese Vorschüsse mit den verdienten Provisionen auszugleichen. Bei Beendigung des Vertrages betrug der Saldo fast 55.000 Euro.
Schon während der Vertragslaufzeit wurde vereinbart, dass der Saldo als Darlehen gewährt und mit 3,5 Prozent p.a. verzinst würde und mit Beendigung des Handelsvertretervertrages in voller Höhe zurückgezahlt werden muss. Das Unternehmen verklagte den Vertreter nun auf Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen.
Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht gab der Klage statt. Der BGH gab dem Handelsvertreter zumindest vorläufig Recht.
Er führte aus, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung hat und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden darf. Hierbei handele es sich, so der BGH um eine „Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters“. Dieser wird mittelbar von einer Kündigung abgehalten, wenn an die Kündigung schwere Nachteile geknüpft werden, wie beispielsweise erhebliche Zahlungsverpflichtungen. Daran ändert sich laut BGH auch nichts dadurch, dass die Parteien wegen der Rückforderungen ein Darlehen geschlossen haben.
Diesem Darlehen lag kein konkreter Kreditbedarf des Handelsvertreters zugrunde, so dass es der ursprünglichen Abrede – sofortige Rückzahlung – gleichzustellen war. Der BGH geht sogar noch weiter: Sofern eine unzulässige Kündigungserschwernis vorliege, führe dies nicht nur zur Unwirksamkeit der Regelung, dass das Darlehen mit Beendigung des Handelsvertretervertrages sofort zur Rückzahlung fällig werde. Vielmehr müsse der Handelsvertreter das Darlehen dann überhaupt nicht zurückzahlen. Der BGH verwies die Sache wieder zurück an das Oberlandesgericht, damit dies weitere Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob die finanziellen Nachteile so schwer sind, dass eine unzulässige Kündigungserschwernis vorliegt.
Bemerkenswert ist auch noch ein entschiedener Aspekt, den der BGH in dem Urteil am Rande erwähnt: Danach steht ein vom Handelsvertreter geltend gemachtes, aber vom Unternehmer noch nicht erfülltes Buchauszugsbegehren, der Fälligkeit der Forderung auf Rückzahlung des Provisionsvorschusses entgegen. Dem Unternehmer steht wegen der Provisionsrückforderung kein Zurückbehaltungsrecht zu. Vielmehr ist er wegen des Buchauszuges vorleistungspflichtig. Denn anhand der Angaben im Buchauszug soll der Handelsvertreter prüfen können, ob die Provisionsrückforderung überhaupt berechtigt ist.
Der BGH bleibt damit seiner bisherigen Rechtsprechung und der Rechtsprechung der Instanzengerichte treu. „Wir erleben es häufig, dass in Handelsvertreterverträgen der Finanz- und Versicherungsbranche ähnliche Vereinbarungen enthalten sind.“ so Rechtsanwalt Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Hier muss dann immer im Einzelfall geprüft werden, ob diese Forderungen berechtigt sind.
In jedem Fall sollten Handelsvertreter solche Forderungen nicht einfach hinnehmen, sondern erst einmal einen Buchauszug einfordern und am besten sondern rechtlich prüfen lassen,
so Strübing weiter. Besteht ein Unternehmen gleichwohl auf die Bezahlung, dann kann darin durchaus auch ein Grund zu einer fristlosen Kündigung gesehen werden.