Der Gender Pay Gap gilt als der zentrale Indikator für Verdienstungleichheit zwischen Frauen und Männern. Verdienstungleichheit begrenzt sich jedoch nicht nur auf Bruttostundenverdienste. Nicht am Erwerbsleben teilzunehmen oder in Teilzeit zu arbeiten, birgt mittel- bis langfristige Verdienstfolgen.
Der „Gender Gap Arbeitsmarkt“ als neuer Indikator für erweiterte Verdienstungleichheit betrachtet mehrere Dimensionen: Neben der Verdienstlücke pro Stunde macht er Unterschiede in der bezahlten monatlichen Arbeitszeit (Gender Hours Gap) und in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern (Gender Employment Gap) sichtbar. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day mitteilt, lag der Gender Gap Arbeitsmarkt im Jahr 2022 bei 39 Prozent.
Der unbereinigte Gender Pay Gap lag im Berichtsjahr 2022 bei 18 Prozent, das heißt Frauen verdienten 18 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Hiervon können 11 Prozentpunkte durch in der Verdiensterhebung vorhandene lohnbestimmende Merkmale, wie zum Beispiel Beruf und Branche sowie Beschäftigungsumfang, erklärt werden.
Der verbliebene Rest von 7 Prozent (bereinigter Gender Pay Gap) lässt sich hingegen dadurch nicht erklären. Es ist davon auszugehen, dass dieser Wert geringer ausfallen würde, wenn weitere lohnbestimmende Merkmale für die Ursachenanalyse zur Verfügung stünden.
„Gender Gap Arbeitsmarkt“ zeigt die Ursachen auf
Eine wesentliche Ursache für die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern ist die hohe Teilzeitquote von Frauen. Während Männer im Monat 148 Stunden einer bezahlten Arbeit nachgingen, waren es bei Frauen nur 121 Stunden. Damit brachten Frauen 18 Prozent weniger Zeit für bezahlte Arbeit auf als Männer (Gender Hours Gap).
Ab dem durchschnittlichen Alter bei der Geburt des ersten Kindes (bei Müttern: 30,5 Jahre) stieg der Gender Hours Gap mit zunehmendem Alter nahezu stetig an: Während Frauen häufig ihre Arbeitszeit reduzierten, weiteten viele Männer ihre Arbeitszeit aus. Am höchsten fällt der Gender Hours Gap bei Personen im Alter zwischen 39 und 41 Jahren mit 23 Prozent aus.
Aktuelle Zahlen zur Erwerbstätigkeit liegen aus dem Jahr 2021 vor: 72,1 Prozent aller Frauen gingen einer bezahlten Arbeit nach und 79,4 Prozent aller Männer. Diesen Unterschied in den Erwerbstätigenquoten misst der Gender Employment Gap. 2022 lag er bei 9 Prozent.
Der Gender Gap Arbeitsmarkt (2022: 39 Prozent) vereint nun diese drei Gender Gaps (Gender Pay Gap, Gender Hours Gap und Gender Employment Gap). Es fließen also drei Größen in die Berechnung des Indikators ein: Bruttostundenverdienste, bezahlte Arbeitsstunden und Erwerbstätigenquoten.
Als erweiterter Indikator für Verdienstungleichheit beleuchtet er die Verdienst- und Beschäftigungssituation von Frauen und Männern von verschiedenen Seiten. Je höher der Gender Gap Arbeitsmarkt, desto stärker ist die Verdienstungleichheit auf dem Arbeitsmarkt ausgeprägt. Die einzelnen Gender Gaps geben dabei Aufschluss über strukturelle Ursachen von Verdienstungleichheit.
Deutschland mit vierthöchstem Gender Gap Arbeitsmarkt
Besonders im EU-Vergleich lässt der Gender Gap Arbeitsmarkt interessante Einblicke in die Ursachen von Verdienstungleichheit zu: Beispielsweise wies Italien im Jahr 2018 (aktuellere Daten liegen nicht vor) einen Gender Pay Gap von gerade einmal 5 Prozent auf, während der von Deutschland bei 20 Prozent lag.
Dennoch fiel der Gender Gap Arbeitsmarkt in beiden Ländern ähnlich hoch aus (Deutschland: 42 Prozent, Italien: 43 Prozent). Der hohe Wert in Italien war darauf zurückzuführen, dass Frauen in Italien im Vergleich zu Männern deutlich seltener erwerbstätig waren.
Im Vergleich mit allen EU-Mitgliedstaaten hatte Deutschland 2018 den vierthöchsten Gender Gap Arbeitsmarkt (englisch: Gender Overall Earnings Gap). Lediglich in Österreich, in den Niederlanden und in Italien war die Verdienstungleichheit auf dem Arbeitsmarkt beim Blick auf die Bruttostundenverdienste, die Arbeitszeit und die Erwerbsbeteiligung noch ausgeprägter als in Deutschland.
Neue Anwendung „Gender Gap Simulator“
Anlässlich des Equal Pay Day hat das Statistische Bundesamt den Gender Gap Simulator veröffentlicht. Anhand von simulierten Szenarien können Nutzende verschiedene Ursachen von Verdienstungleichheit kennenlernen. Neben dem Gender Pay Gap stehen hier insbesondere die Themen Arbeitszeit und Erwerbsbeteiligung im Fokus.
Methodische Hinweise
Die Ergebnisse des Gender Pay Gap und des Gender Gap Arbeitsmarkt basieren auf den Erhebungen eines repräsentativen Monats. Im Berichtsjahr 2022 handelt es sich dabei um den April. Allgemeine Hinweise zur Berechnungsweise des Gender Gap Arbeitsmarkt liefert der Glossareintrag zum Indikator. Einen EU-Vergleich liefert die Datenbasis von Eurostat.
Weitere Informationen zum Gender Pay Gap sind in der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ auf der Themenseite „Gender Pay Gap“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes zu finden.
Bis zum Berichtsjahr 2021 wurden Ergebnisse zum Gender Pay Gap basierend auf der vierjährlichen Verdienststrukturerhebung (VSE) berechnet, die letztmalig für das Berichtsjahr 2018 durchgeführt und anschließend fortgeschrieben wurde. Ab dem Berichtsjahr 2022 wurde die VSE durch die neue monatliche Verdiensterhebung abgelöst.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Gender Pay Gap sinkt fast nur bei Jüngeren
Ernüchternder Gender Wealth Gap in Deutschland
Auch wenn die Verdienstlücke inzwischen deutlich geschrumpft ist, bleibt der Vermögensunterschied zwischen den Geschlechtern zum Renteneintritt auf unbefriedigendem Niveau: Frauen in Deutschland erreichen zum Ende ihres Arbeitslebens nur etwa drei Viertel des Vermögens der Männer.
Teilzeitarbeit und Minijobs sind (noch) Frauensache
Die Frauen-Erwerbsquote ist zwar in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen, doch viele Bereiche der Wirtschaft sind nach wie vor Männerdomänen. Zudem arbeiten Männer deutlich häufiger in Vollzeit sowie Leitungspositionen und haben seltener einen Minijob.
Ausverkauf nimmt an Fahrt auf, die Zinsangst bleibt
Die Top 10 Finanztipps von Frauen für Frauen
Singlehaushalte häufig überschuldet
Gut die Hälfte aller überschuldeten Personen im Jahr 2023 lebte alleine und war durchschnittlich mit knapp 30.000 Euro verschuldet. Alleinlebende Männer waren häufiger und höher verschuldet als alleinlebende Frauen. Bei männlichen Singles überstiegen die Schulden das monatliche Nettoeinkommen im Schnitt um das 28-Fache, bei Frauen um das 24-Fache.
Fondskongress 2025 in Mannheim: Neue Trends und alte Herausforderungen
Der Fondskongress 2025 hat einmal mehr bewiesen, dass die Investmentbranche im stetigen Wandel ist. Zwei Tage lang trafen sich führende Experten, Finanzberater und Asset Manager im Congress Center Rosengarten in Mannheim, um über die Zukunft der Finanzwelt zu diskutieren.
Inflation frisst Sparzinsen auf – Festgeld-Realzins wieder negativ
Festgeld bringt Sparerinnen und Sparern im Durchschnitt nicht mehr genug Rendite, um die Inflation auszugleichen. Laut einer aktuellen Verivox-Auswertung liegt der Realzins erstmals seit einem Jahr wieder im negativen Bereich. Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich gegen den schleichenden Wertverlust zu schützen.
Finanzplanung auf dem Tiefpunkt: Nur 26 Prozent der Deutschen planen ihre Finanzen aktiv
Die finanzielle Absicherung wird in Zeiten unsicherer Rentensysteme und wachsender Altersarmut immer wichtiger. Dennoch haben nur 26,3 Prozent der Menschen in Deutschland einen Finanzplan für 2025, wie eine aktuelle Umfrage der LV 1871 zeigt.
Die beliebtesten Geldanlagen 2024/2025
Immobilien, Tagesgeld, Gold und Fonds sind die Favoriten der Deutschen für das kommende Jahr. Sicherheit bleibt der wichtigste Faktor bei der Geldanlage.
Revolut startet kostenfreie ETF-Sparpläne in Deutschland
Das Fintech Revolut bietet seinen Kunden in Deutschland ab sofort die Möglichkeit, kostenfreie ETF-Sparpläne zu nutzen. Damit erweitert das Unternehmen sein Angebot im Bereich Kapitalmarktanlagen.
Wie Edelmetalle als Krisenversicherung für Selbstständige dienen können
Wie Edelmetalle Selbstständigen dabei helfen können, ihr Kapital zu sichern und in Krisenzeiten stabil zu bleiben, erklärt Heyla Kaya im Gastbeitrag.