5 wichtige Urteile für Versicherungsvermittler
Der berufliche Alltag von Versicherungsvermittlern wird nicht nur durch die zunehmende Regulierung der Europäischen Union rechtlich stark beeinflusst. Auch die deutschen Gerichte treffen regelmäßig und zu unterschiedlichsten Fallkonstellationen Entscheidungen, die Versicherungsvermittler kennen und in ihrer täglichen Beratung berücksichtigen sollten.
Ein Beitrag von Tobias Strübing, Rechtsanwalt Wirth–Rechtsanwälte Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Mit dem diesem Beitrag möchten wir mehrere Gerichtsentscheidungen vorstellen, die in den letzten zwei Jahren getroffen wurden und die zum Teil erheblichen Einfluss auf die Beratungspraxis von Versicherungsvermittlern haben.
Eine bedeutende Entscheidung hat zunächst das Oberlandesgericht (kurz: OLG) Karlsruhe am 22.09.2021 (Geschäftszeichen: 6 U 82/20, sogenanntes Verivox-Urteil) getroffen.
Ausgangspunkt dieses Rechtsstreits war ein Versicherungsvergleich auf einem Onlineportal. Die Versicherungsmaklerin, die dieses Onlineportal betreibt, hatte dort einen Vergleich von Privathaftpflichtversicherungen angeboten. Sie hatte dabei aber nur etwa die Hälfte der am Markt verfügbaren Versicherungen in den Vergleich einbezogen. Aus diesem Grund teilte sie potenziellen Kunden diese von ihr berücksichtigten Versicherungen mit, in der Annahme, dass sie damit ihren Verpflichtungen aus § 60 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VVG gerecht würde.
In einer anschließend dazu geführten wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung stellte allerdings das OLG Karlsruhe (Geschäftszeichen: 6 U 82/20) fest, dass dieser Hinweis aus mehreren Gründen unzureichend war. Für Versicherungsmakler sind dabei weniger die Ausführungen zu den formalen Anforderungen bei einer sogenannten eingeschränkten Beratungsgrundlage von Bedeutung. Diese ergeben sich einigermaßen nachvollziehbar aus § 60 VVG.
Vielmehr ist die vom OLG Karlsruhe getroffene Aussage zu dem Umfang der von Versicherungsmaklern vorzunehmenden Marktanalyse von Bedeutung. Das OLG führte nämlich aus, dass Versicherungsmakler verpflichtet sind, bei ihrer Marktanalyse auch solche Versicherungen zu berücksichtigen, die nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Danach soll laut dem OLG Karlsruhe die Marktanalyse grundsätzlich sämtliche am Markt verfügbaren Versicherungen sowie Tarife umfassen und dabei beispielsweise auch Direktversicherer einbeziehen.
Dass diese sehr weitgehenden Pflichten auch zu Schadenersatzverpflichtungen führen können, zeigt das Urteil des Landgerichtes Konstanz vom 21.01.2021 zum Geschäftszeichen: Me 4 O 90/19. In diesem Fall hatte ein Versicherungsmakler bei der Absicherung eines Wohnmobils Direktversicherungen nicht berücksichtigt und das auch so im Maklervertrag vereinbart. Danach hat er seinem Kunden nur Versicherungen angeboten, die auch mit Maklern zusammenarbeiten und im Vergleich zu Direktversicherungen etwas teurer waren.
Aus Kostengründen entschied sich der Kunde daher gegen einen Vollkaskoversicherungsschutz und versicherte sein Wohnmobil nur mit einem Teilkaskoschutz. Nachdem in der Folge ein Vollkaskoschaden entstanden war, stellte der Kunde jedoch fest, dass er zu deutlich günstigeren Konditionen bei einer Direktversicherung einen Vollkaskoversicherungsschutz erhalten hätte.
Er machte daraufhin den Versicherungsmakler dafür verantwortlich, dass er ihm diese Direktversicherung nicht angeboten hatte, und verlangte Schadenersatz für den unzureichenden Versicherungsschutz. Damit hatte der Kunde des Maklers vor dem LG Koblenz Erfolg. Dieses stellte maßgeblich darauf ab, dass der Versicherungsmakler schon nach den Regelungen seines Maklervertrages die Beratungsgrundlage unzulässig mindestens um Direktversicherungen eingeschränkt hatte. Er hätte vielmehr auch diese Direktversicherung anbieten müssen, die dann sein Kunden auch abgeschlossen hätte.
Versicherungsmakler sind daher gut beraten, sich mit den Folgen dieser Rechtsprechung intensiv auseinanderzusetzen und ihre Beratungsprozesse anzupassen. Auf der Website des AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e. V. findet sich eine leicht verständliche Arbeitshilfe mit zahlreichen Formulierungsvorschlägen.
Wie wichtig zudem ein guter Versicherungsmaklervertrag ist, zeigt das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 09.09.2021 zum Geschäftszeichen: 431 HKO 27/20.
In diesem Verfahren ging es um Schadenersatzansprüche einer Firma, da der Versicherungsmakler einen unzureichenden Haftpflichversicherungsschutz vermittelt haben soll. Aufgrund eines Fehlers des Maklers hatte die klagende Firma wegen einer eigenen Nachlässigkeit gegenüber ihren Kunden keinen Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung. Diesen Schaden machte sie nun gegenüber dem Versicherungsmakler geltend und gewann den Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg.
Da der geltend gemachte Schaden sehr hoch war, musste sich das Landgericht Hamburg auch mit einer Klausel im Versicherungsmaklervertrag auseinandersetzen, die eine Haftung des Versicherungsmaklers der Höhe nach auf maximal 2,5 Millionen Euro begrenzen sollte. Unglücklicherweise sah diese Klausel aber auch dann ein Haftungsprivileg vor, wenn der Versicherungsmakler Pflichten grob fahrlässig verletzt.
Eine solche weitreichende Einschränkung der Haftung auch bei grober Fahrlässigkeit ist in allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch regelmäßig unzulässig und machte die gesamte Klausel unwirksam. Anhand dieses Falles zeigt sich also, welchen Wert ein guter und idealerweise anwaltlich geprüfter Versicherungsmaklervertrag haben kann, und wir können jedem Versicherungsmakler nur dringend raten, mit seinen Kunden entsprechend geprüfte Versicherungsmaklerverträge zu vereinbaren.
Versicherungsmakler sollten auch beachten, dass so ein Maklerverhältnis mit allen damit im Zusammenhang stehenden Pflichten auch ohne schriftliche Vereinbarung entsteht, wie ein aktueller Beschluss des OLG Dresden vom 10.03.2021 (Geschäftszeichen: 4 U 2372/20) zeigt.
Ausgangspunkt dieses Rechtsstreits war wiederum auch ein Schadenersatzanspruch gegenüber einem Versicherungsmakler. Dieser hatte bei einem Beamten vergessen, darauf hinzuweisen, dass es über eine Öffnungsaktion auch ohne Risikoprüfung möglich gewesen wäre, Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Auch in diesem Fall sind weniger die inhaltlichen Feststellungen zur Pflichtverletzung von Interesse.
Vielmehr sollten Versicherungsmakler die Ausführungen dazu beachten, dass ein Versicherungsvermittlungsvertrag auch über die Eingabe von Kontaktdaten auf einer Internetpräsenz und anschließende telefonische Kontaktaufnahme seitens des Maklers zustande kommt. Die Unterzeichnung einer Vollmacht ist laut dem OLG Dresden dafür nicht erforderlich.
Die Juristen sprechen insoweit von einem „konkludenten Vertragsschluss“ und an sich ist so ein konkludenter Vertragsschluss für Juristen ein „alter Hut“. Nun hat aber das OLG Dresden dies explizit im Tenor seines Urteils ausgeführt und Versicherungsmakler sollten immer beachten, dass Pflichtverletzungen aus diesem konkludent geschlossenen Vertrag genauso zum Schadenersatz führen können.
Der Unterschied liegt aber darin, dass mit einem schriftlich vereinbarten Versicherungsmaklervertrag unter anderem die Haftung hätte begrenzt werden können, was, wie der Fall des Landgerichts Hamburg zeigt, unter Umständen auch existenzielle Auswirkungen haben könnte.
Inhaltlich sollten Versicherungsmakler zudem beachten, dass ein abgeschlossener Versicherungsmaklervertrag auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalten kann, die nicht Vertragspartner geworden sind.
Das OLG Brandenburg hatte bereits am 23.04.2019 (Geschäftszeichen: 6 U 95/17) einen solchen Sachverhalt zu entscheiden. Ausgangspunkt war die Absicherung eines Schornsteinfegers, der von seinem Versicherungsmakler unter anderem eine Empfehlung für eine Haftpflichtversicherung erhalten hat.
Im Rahmen eines gemeinsamen Beratungsgespräches teilten er und seine Ehefrau dem Versicherungsmakler unter anderem mit, dass die Ehefrau eine Immobilie anschaffen wolle. In dieser Immobilie wollten beide wohnen und sie sollte auch den Gewerbebetrieb des Schornsteinfegers beinhalten. Das wusste der Versicherungsmakler ebenfalls.
Daraufhin vermittelte er unter anderem eine Privathaftpflichtversicherung, die auch die Ehefrau einschloss. Anlässlich eines Brandes in der Immobilie wurde sodann auch das Nachbargrundstück beschädigt und die Wohngebäudeversicherung, die den dortigen Schaden reguliert hatte, trat nun an die Ehefrau heran und wollte sie in Regress für den Schaden am Nachbargrundstück nehmen.
Dieser Regressanspruch wird typischerweise von der eigenen Privathaftpflichtversicherung des Grundstückeigentümers gedeckt, bei dem es gebrannt hat. Nachdem die Ehefrau des Schornsteinfegers den Schaden bei der eigenen Privathaftpflichtversicherung eingereicht hatte, lehnte diese eine Regulierung ab.
Der Versicherungsmakler hatte bei der Vermittlung übersehen, dass kein Versicherungsschutz besteht, wenn in der Immobilie auch der Gewerbebetrieb des Ehemanns enthalten war. Daraufhin wandte sich die Ehefrau an den Versicherungsmakler und verlangte Schadenersatz mit der Begründung, dass der Versicherungsmakler anlässlich der gemeinsamen Beratung auch die Interessen der Ehefrau hätte berücksichtigen müssen.
Das und im Ergebnis auch die Pflichtverletzung bestätigte das OLG Brandenburg. Es führte aus, dass anlässlich des Beratungsgespräches ausführlich über den Hauskauf gesprochen wurde und die Ehefrau über die Privathaftpflichtversicherung auch in die Risikobetrachtung einbezogen wurde. Somit haftet der Versicherungsmakler in diesem Fall auch der Ehefrau auf Schadenersatz, obwohl er mit dieser keinen Versicherungsmaklervertrag geschlossen hatte.
Insbesondere wenn Eheleute oder sonstige Dritte in einen Versicherungsschutz einbezogen werden sollen, sollten Versicherungsmakler daher darauf achten, auch mit diesen Versicherungsmaklerverträge zu schließen, und deren Versicherungsinteressen berücksichtigen.
Abschließend möchte ich auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 05.03.2021 (Geschäftszeichen: 5 U 37/20) hinweisen
In diesem Rechtsstreit hatte der beklagte Versicherungsmakler seinem Kunden eine in Liechtenstein ansässige Gebäudeversicherung vermittelt. Diese Gebäudeversicherung unterlag nur der Insolvenzsicherung in Liechtenstein und musste unglücklicherweise kurz nachdem der Vertrag zustande gekommen war, Insolvenz anmelden.
Ein bei dem Kunden eingetretener Leitungswasserschaden wurde daher nicht erstattet. Der Kunde machte daraufhin gegenüber seinem Versicherungsmakler Schadenersatz geltend und behauptete hierzu, dass dieser ihn pflichtwidrig nicht auf die besonderen Risiken hingewiesen habe, die er bei Vertragsschluss mit einer in Liechtenstein ansässigen Versicherung eingehe. Hätte er diese Risiken gekannt, so der Kunde, dann hätte er diesen Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen.
Dieser Argumentation folgte das OLG Saarbrücken und wies darauf hin, dass unter anderem auch darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass die Absicherung von Zahlungsausfällen im Falle eines ausländischen Versicherers gegenüber einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft eingeschränkt sein kann. Darauf sei laut den Ausführungen des OLG in der Beratung hinzuweisen.
Versicherungsvermittler sollten daher bei der Vermittlung von ausländischen Versicherungen sehr genau prüfen, wie finanzstark ein solcher Versicherer ist und ob Besonderheiten bei der Insolvenzsicherung bestehen.
Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass es in den vergangenen Jahren mehrere wichtige Gerichtsentscheidungen gab, die Versicherungsvermittler beachten und in ihrer Beratungspraxis integrieren sollten.
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