Wir sehen die Welt im Jahr 2023 in eine globale Rezession eintreten. Die Rezession wird das Ergebnis einer immensen geldpolitischen Straffung sein, welche die Zentralbanken in den letzten 12 Monaten vorgenommen haben. Als Silberstreif am Horizont wird sie die Grundlage für einen erheblichen Rückgang der Inflation legen, der es den Zentralbanken im Laufe der Zeit ermöglichen wird, die Geldpolitik zu lockern.
Ein Beitrag von Nikolaj Schmidt, Internationaler Chefvolkswirt, T. Rowe Price
Angesichts der Tiefe der Rezession erwarte ich, dass die wichtigsten Zentralbanken die Geldpolitik bereits zu Beginn des zweiten Halbjahres lockern werden. Europa wird die am stärksten betroffene Region sein, da eine rasche geldpolitische Straffung mit einem großen Terms-of-Trade-Schock im Zusammenhang mit Energie und einem erhöhten Maß an Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zusammenwirkt.
Was die Entwicklung in Europa betrifft, so ist es sehr wahrscheinlich, dass der Energieschock anhalten wird, da der Kontinent auch im Winter 2024 mit einer ausreichenden Energieversorgung zu kämpfen haben wird. Als Reaktion auf die lang anhaltende Ungewissheit über die Energieversorgung erwarte ich, dass die Unternehmen eine sehr konservative Haltung bei der Personalplanung und ein sehr gedämpftes Niveau bei den Unternehmensinvestitionen an den Tag legen werden.
Parallel dazu wird die rasche Straffung der Geldpolitik durch die EZB wahrscheinlich zu einer erheblichen Korrektur der Immobilienpreise und zu einer sehr gedämpften Aktivität in der Bauwirtschaft führen.
Gegenwind in China
Neben dem externen Gegenwind im Zusammenhang mit der globalen geldpolitischen Straffung bleibt das Wachstum in China zum Teil durch die fortgesetzte Verfolgung der dynamischen Nullzins-Politik und zum Teil durch die Umstrukturierung und den Schuldenabbau im Immobiliensektor beeinträchtigt. Während es immer wahrscheinlicher wird, dass die Covid-Management-Politik irgendwann in der ersten Hälfte des nächsten Jahres angepasst wird, erwarte ich, dass die Umstrukturierung des Immobiliensektors während des gesamten Jahres ein anhaltender Gegenwind für das Wachstum bleiben wird.
Angespannter US-Arbeitsmarkt
Die Fed ist der Hauptverursacher des weltweiten geldpolitischen Schocks, und meiner Meinung nach wird ein angespannter US-Arbeitsmarkt die Fed in den ersten sechs Monaten zu weiteren Straffungen zwingen. Die entscheidende Frage für die USA ist, ob die Fed genug Dampf aus dem US-Arbeitsmarkt nehmen kann, ohne eine Rezession auszulösen, um eine Rückkehr der Inflation auf zwei Prozent zu erreichen. Meiner Meinung nach ist die Antwort ein klares Nein, und es wird eine richtige Rezession erforderlich sein, um den US-Arbeitsmarkt wieder etwas zu entspannen.
Eine Verlangsamung des globalen Wachstums ist immer mit Risiken für die Finanzstabilität verbunden. Angesichts des Zinsniveaus, zu dem die Zentralbanken gezwungen waren, um die Inflation in den Griff zu bekommen, mache ich mir Sorgen über das Wiederauftreten von Risiken für die Tragfähigkeit der Schulden, insbesondere in Europa.
Das Risiko einer teilweisen Wiederholung der Staatsschuldenkrise in der Eurozone ist ein großes Abwärtsszenario. Wir leben jetzt in einer Welt mit deutlich höheren Zinssätzen, und es ist für mich alles andere als offensichtlich, dass die Märkte alle fiskalischen Initiativen ohne Probleme finanzieren werden.
Darüber hinaus scheint das Zinsniveau mit ziemlicher Sicherheit einen weltweiten Immobilienabschwung auszulösen. Während die Intermediäre im Kern des Finanzsystems solide erscheinen, machen wir uns Sorgen über die Auswirkungen auf andere, weniger regulierte Teile des Finanzsystems und über die Folgen eines Immobilienabschwungs für die Bilanzen des privaten Sektors.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Negative Zinssätze adé!
DIVA-Umfrage: Sparer sind bei der Geldanlage überfordert
Die Inflation macht sich inzwischen für viele direkt im Geldbeutel bemerkbar. Aber auch die Zinsen für Geldanlagen und Kredite sind in Bewegung gekommen. Wie die Bundesbürger mit ihrer Geldanlage auf die stark veränderten Rahmenbedingungen reagieren.
Inflation wird 2023 hartnäckiger bleiben als erwartet
Die entscheidende Frage für das neue Jahr ist, ob es tatsächlich zu einer Rezession kommt oder sich die Hoffnung aller Zentralbanker auf eine "weiche Landung" erfüllt, bei der sich die Inflation auf das Zielniveau zubewegt, ohne erheblichen Produktionsrückgang und Anstieg der Arbeitslosenquote.
Ist Europa die neue Wachstumslokomotive?
Die deutliche Korrektur der Konjunktur- und Inflationsprognosen nach oben innerhalb nur eines Quartals zeigt unter anderem, dass in diesen besonders bewegten Zeiten Europa in den nächsten Monaten zu den Stabilisatoren der Weltwirtschaft gehören wird.
Aussicht auf moderates Wachstum bei moderater Inflation
Die Anzeichen für einen nachlassenden Inflationsdruck sind inzwischen an vielen Stellen erkennbar: Sowohl Lieferketten als auch Rohstoff- und US-Immobilienpreise stabilisieren sich. Und für 2024 wird ein positives Wirtschaftswachstum erwartet.
Nicht die Zinspolitik bestimmt das Ausmaß der Rezession
Nicht die heutige Inflation und der Verlauf der Zinserhöhungen, sollte die Aufmerksamkeit der Ökonomen beherrschen, sondern vielmehr wie die gaspreissenkenden Bemühungen der Regierungen in Europa, das Verbraucherverhalten von morgen beeinflussen werden.
Infineon startet optimistisch ins neue Geschäftsjahr – Jahresprognose dank Währungseffekten angehoben
Infineon legt mit seinen ersten Quartalsergebnissen für 2025 einen vielversprechenden Start in das neue Geschäftsjahr hin, der selbst in einer von Flauten geprägten Branche für Aufsehen sorgt. Der deutsche Chiphersteller überrascht mit robusten Zahlen und hebt dank positiver Währungseffekte seine Jahresprognose an.
Deutsche Wirtschaft unter Druck – Allianz Trade warnt vor Stagnation
Die deutsche Wirtschaft steht vor einer der größten Herausforderungen der Nachkriegszeit. Laut Allianz Trade schwächen steigende Insolvenzen, geopolitische Spannungen und drohende Handelskonflikte das Wachstum. Gleichzeitig fordert der Kreditversicherer mutige Investitionen in Innovation und Nachhaltigkeit.
Wohin steuert Deutschlands Wirtschaft? Ein Wirtschaftsmodell unter Druck
Die deutsche Wirtschaft steht vor einem Wendepunkt. Das traditionelle Modell wird zunehmend durch globale Veränderungen erschüttert. Ein aktueller Artikel des Wall Street Journal beleuchtet die Schwächen dieses Ansatzes.
GDV fordert Anpassungen bei Nachhaltigkeitsberichterstattung
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit dem geplanten Omnibus Simplification Package, das am 26. Februar 2025 vorgestellt werden soll, strebt die EU eine Bündelung bestehender Berichtspflichten an, um Unternehmen zu entlasten.
Welche Haushalte spüren die Inflation besonders?
Laut dem neuen IMK-Inflationsmonitor der Hans-Böckler-Stiftung zeigt sich, dass die Inflation im Jahr 2024 zwar moderat war, jedoch spezifische Personengruppen weiterhin stark belastet. Während die gesamtwirtschaftliche Inflationsrate bei 2,2 Prozent lag, bleibt die Frage, wie stark verschiedene Haushalte betroffen sind, ein zentrales Thema.
Die Notwendigkeit einer stärkeren EU-Marktintegration wird immer deutlicher
Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income, beleuchtet in ihrem Marktkommentar die Dringlichkeit einer stärkeren EU-Marktintegration. Sie analysiert die Reformvorschläge von Mario Draghi und deren Auswirkungen auf Investitionen, Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft der Eurozone.