Das sechste Sanktionspaket der Europäischen Union hat nun auch die russische Sberbank aus dem Zahlungsinformationssystem SWIFT ausgeschlossen. Globale Zahlungsinfrastrukturen quasi als wirtschaftspolitische „Waffen“ einzusetzen, stellt jedoch die künftige Tragfähigkeit dieser Strukturen auf die Probe.
Ein White Paper des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE wägt die Vor- und Nachteile der gemeinsamen europäischen und US-amerikanischen Entscheidung ab, einschließlich des notwendigen Bedarfs politischer Reformen.
Demnach verursacht der Einsatz von SWIFT („Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“) als Sanktionsinstrument Probleme aufgrund wirtschaftlicher Folgen, insbesondere durch erhöhte Kosten für grenzüberschreitende Transaktionen. Die EU und die USA könnten sogar ihre zentrale Position in den globalen Finanzinfrastrukturen verlieren, wenn sie SWIFT weiterhin als wirtschaftliche Waffe einsetzen, erläutert SAFE Fellow Andreas Nölke, Professor für Politikwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt und Autor des SAFE White Papers.
Herausforderung für Europa
Der Verzicht auf SWIFT in der Liste der möglichen Sanktionen gegen Russland würde beiden Parteien allerdings ein einflussreiches Instrument aus der Hand nehmen, denn die Nutzung alternativer Systeme, wie Chinas „Cross-Border Interbank Payment System“ (CIPS) oder Russlands System zur Übermittlung von Finanzmitteilungen (SPFS) erschweren den internationalen Kampf gegen Geldwäsche. In diesem Bereich spielt SWIFT eine wichtige Rolle.
Weiter heißt es im Paper, dass eine zentrale Herausforderung für die westlich dominierten globalen Zahlungsinfrastrukturen von digitalen Zentralbankwährungen („Central Bank Digital Currency“, CBDC) ausgehen wird. Derzeit gilt China in diesem Bereich weltweit als führend. Die Strategie der Volksrepublik umfasst digitale Infrastrukturen, die auf das Land selbst ausgerichtet sind. Vor allem die europäische Entscheidung, SWIFT als Sanktionsinstrument einzusetzen, hat die Bemühungen Russlands und Chinas beschleunigt, eigene Systeme zu etablieren.
Alternative Zahlungsinfrastrukturen im Vergleich
So hat Russland seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 eine eigene Zahlungsinfrastruktur entwickelt: das SPFS. Es ist SWIFT im Kern nachmodelliert und kann gleichzeitig verwendet werden. Die Kapazität des SPFS ist jedoch noch sehr begrenzt und es kommt nur dann zum Einsatz, wenn eine russische Bank von SWIFT ausgeschlossen ist.
Im Gegensatz zu SWIFT funktioniert Chinas CIPS als vollständiges Zahlungssystem. Es umfasst Clearing und Abrechnung und ist damit unabhängiger von SWIFT und dem US-amerikanischen „Clearing House Interbank Payment System“ (CHIPS).
Bislang ist die Reichweite von CIPS – mit 1.300 teilnehmenden Firmen – noch begrenzt, aber das System verzeichnete 2021 ein bemerkenswertes Wachstum von 75 Prozent mit Blick auf den Transaktionswert, was bedeutet, dass sowohl die russischen als auch die chinesischen Anstrengungen auf die EU und die USA zurückfallen könnten. Andreas Nölke fügt hinzu, dass „dieser Nachteil für Europa in Betracht gezogen werden muss, wenn SWIFT als wirtschaftliche Waffe eingesetzt wird.“
Themen:
LESEN SIE AUCH
Risiken des Ukraine-Kriegs für den deutschen Finanzmarkt
Private Markets als Stabilisator in Krisenzeiten
Rechtliche Hindernisse bei Oligarchen-Sanktionen in UK
Sanktionen beeindrucken Russland wenig
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Zwischen Zauber und Zahlen: Warum deutsche Aktien wieder Chancen bieten
Trotz Konjunktursorgen, geopolitischer Spannungen und struktureller Probleme sehen viele Anleger wieder Potenzial im deutschen Aktienmarkt. Portfoliomanager Olgerd Eichler von MainFirst nennt sechs gute Gründe – mit überraschend positiven Langfristaussichten.
Höhere Pfändungsfreigrenzen ab 1. Juli 2025: Was das für Gläubiger bedeutet
Zum 1. Juli 2025 steigen die Pfändungsfreigrenzen – für Schuldner:innen bedeutet das mehr finanzieller Spielraum, für Gläubiger hingegen weniger pfändbare Beträge und längere Rückzahlungszeiträume. Was das konkret heißt und worauf Gläubiger jetzt achten müssen.
In der Steuerung des Kreditrisikos liegt ein strategischer Hebel
Protektionismus, Handelskonflikte, geopolitische Risiken – die Unsicherheit an den Märkten bleibt hoch. Passive Kreditstrategien stoßen in diesem Umfeld schnell an ihre Grenzen. Warum gerade aktives Management und ein gezielter Umgang mit Kreditaufschlägen den Unterschied machen können, erklärt Jörg Held, Head of Portfolio Management bei Ethenea.
Mehrheit befürwortet Rüstungsinvestments – Akzeptanz steigt auch bei nachhaltigen Fonds
Private Geldanlagen in Rüstungsunternehmen polarisieren – doch laut aktueller Verivox-Umfrage kippt die Stimmung: 56 Prozent der Deutschen halten solche Investments inzwischen für legitim. Auch nachhaltige Fonds greifen vermehrt zu.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.