Wie wettbewerbsfähig ist der Finanzplatz Deutschland nach der Bundestagswahl?

Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl. Was die Parteien erreichen wollen, beschreiben sie in ihren Wahlprogrammen. Im Fokus stehen der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung, die Lehren aus der Pandemie, soziale Gerechtigkeit, Steuern und Bildung. Der BVI untersucht: Was planen CDU/CSU, Grüne, SPD, FDP, Linke und AfD, um den Finanzplatz Deutschland zu fördern?

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Als führende Industrienation muss es Deutschlands Anspruch sein, einen europäisch und global wettbewerbsfähigen Finanzplatz zu haben. Ein leistungsfähiger Kapitalmarkt trägt zu Investitionen und der Sicherung des Wohlstands bei.

Neben einer starken und innovativen Finanzindustrie bedarf es dazu auch der richtigen Rahmenbedingungen und politischer Unterstützung zur Förderung der Kapitalmarktkultur. Letzteres fehlt seit Jahren. Zudem hat die Politik viel zu lange einseitig auf Verbraucherschutz sowie Finanzmarktstabilität gesetzt und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzwirtschaft als Regulierungsziel vernachlässigt.

Brexit und Digitalisierung verändern die Finanzwelt zusätzlich. Politik und Aufsicht müssen die darin liegenden Standortchancen erkennen und handeln.

Was planen die Parteien?

CDU/CSU wollen den Finanzplatz stärken, da Deutschland nur mit einem wettbewerbsfähigen Finanzplatz auch weiterhin aktiv die Regulierung der internationalen Finanzmärkte mitgestalten kann. Sie möchten daher die EU-Finanzmarktregulierung präzisen, globalen Wettbewerbsanalysen unterziehen und Bürokratie abbauen, indem „Goldplating“ vermieden wird und Regeln modernisiert werden.

Zudem wollen sie die Rahmenbedingungen für Börsengänge verbessern und streben einen Börsenplatz nach dem Vorbild der NASDAQ an. Schnell wachsende Technologieunternehmen sollen sich an einer deutschen oder europäischen Börse finanzieren können, damit sie für diesen Wachstumsschritt nicht mehr in die USA abwandern müssen.

Deutschland soll ein führender Finanzstandort, insbesondere für nachhaltige Produkte, werden. Als starker Finanzplatz soll Deutschland zudem für die Ansiedlung von EU-Institutionen attraktiver werden.

Die SPD bekennt sich zu einem leistungsfähigen, sicheren und fairen Finanzmarkt, in dem Wettbewerb herrscht. Dazu soll er ordentlich reguliert und überwacht werden. Finanzierungsdienstleistungen sollen kostengünstig angeboten und Investitionen in nachhaltige, klimafreundliche Produkte und Produktionsverfahren gefördert werden.

Im Rahmen der europäischen Fusionskontrolle soll darauf geachtet werden, dass der Wettbewerb im Finanzsektor erhalten bleibt und staatliche Rettungsschirme für einzelne Banken unnötig werden.

FDP und Grüne wollen das beschädigte Vertrauen in den Finanzplatz zurückgewinnen, indem die BaFin zu einer handlungsfähigeren und schlagkräftigeren Behörde entwickelt wird.

Für die Grünen geht von Banken noch immer eine Gefahr für die Wirtschaft aus, da Steuerzahler für Insolvenzen haften müssten. Sie wollen daher zurück zum „Boring Banking“, in dem Banken nicht spekulieren, sondern die Realwirtschaft finanzieren.

Zudem soll ein Trennbankensystem eingeführt und große Banken entflochten werden. Statt der immer undurchsichtigeren Regulierungsflut sollen einfache, harte Regeln gelten. Regulierungslücken bei Schattenbanken, Zahlungsdienstleistern und Fintechs sollen geschlossen werden.

Bei der Digitalisierung befürworten fast alle Parteien die Einführung eines digitalen Euros, verknüpft mit dem Hinweis, dass Bargeld uneingeschränkt nutzbar bleiben muss und es keine Privatisierung von Währungen geben darf.

CDU/CSU und Grüne verlangen, dass beim Umtausch von Kryptowerten in Bargeld die wirtschaftlich Berechtigten bekannt sind. Die FDP will darüber hinaus Krypto-Währungen und die Blockchaintechnologie fördern. Die AfD fordert die Wiedereinführung nationaler Währungen.

Bewertung

Für die Förderung des Finanzplatzes Deutschland werten wir den Ansatz von CDU/CSU, Wettbewerbsanalysen durchzuführen und „Goldplating“ zu verhindern, sehr positiv. Es ist Zeit für eine Regulierungswende. Die überbordende Regulierung behindert Europas Assetmanager im globalen Wettbewerb. Sie bindet enorme Ressourcen, die für Investitionen in Technologie und die Erschließung neuer Märkte fehlen.

Deutschland und die EU müssen globaler denken und neben Verbraucherschutz und Finanzmarktstabilität auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzwirtschaft als Regulierungsziel verankern.

Im Gegensatz zu den USA werden hierzulande bei aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Abwägungsentscheidungen nicht die Folgen für die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Assetmanagement-Branche berücksichtigt.

Dem entgegen setzt die SPD sehr stark auf Verbraucherschutzmaßnahmen. Bei den Grünen überwiegt das Misstrauen. Die vor über zehn Jahren angestellten Überlegungen, ein Trennbankensystem in Deutschland einzuführen, wirkt aus der Zeit gefallen.

Auch die undifferenzierte Diskussion über die Regulierung von Schattenbanken ist auf internationaler Ebene bereits seit Jahren abgearbeitet und in eine zielorientierte Diskussion überführt. Die Regeln würden eher verkompliziert, als, wie von den Grünen gewünscht, vereinfacht.

Die Einführung eines digitalen Euros unterstützen wir. Er ist ein wesentlicher Baustein für den Handel mit digitalen Vermögenswerten. Durch den Einsatz der „Distributed-Ledger“-Technologie (DLT) könnten Transaktionen schnell und sicher abgewickelt werden.

Finanzwirtschaft, Politik und Aufsicht sollten gemeinsam die technische Architektur für den Handel mit digitalen Vermögenswerten erarbeiten.

Eine direkte Unterstützung, das Verständnis für den Kapitalmarkt zu fördern, findet sich in keinem Parteiprogramm. Dabei wäre die Zeit günstig. Inzwischen nutzen schätzungsweise 20 Millionen Deutsche Fonds zum Vermögensaufbau. Die Bundesregierung sollte die Menschen ermutigen, diesen Weg weiter zu gehen.

Forderung an den Koalitionsvertrag

Der Brexit und die Digitalisierung verschärfen den Wettbewerb der globalen Finanzzentren auch in der Finanzmarktregulierung. Das ist grundsätzlich positiv. Der Brexit kann ein Korrektiv zur Überregulierung in der EU sein. Einen Regulierungswettbewerb nach unten wollen wir allerdings nicht.

Von der neuen Bundesregierung erwarten wir eine höhere Wertschätzung der Finanzwirtschaft als wichtigen Standortfaktor für Deutschland und mehr Einsatz für einen Abbau der Überregulierung in der EU.

Wenn Deutschland eine führende Rolle im europäischen und weltweiten Finanzmarkt spielen soll, muss die Regierung eine positivere Grundeinstellung zur Finanzwirtschaft entwickeln und die Weichen für mehr Wettbewerbsfähigkeit stellen.

Um den Anschluss an den digitalen Wandel und die technologische Wettbewerbsfähigkeit der Finanzwirtschaft zu gewährleisten, brauchen wir eine nationale Blockchain-Initiative im Assetmanagement. Wesentlicher Baustein ist die Einführung eines digitalen Euros als DLT-Zahlungsmittel.

Zudem brauchen wir eine digitale Marktinfrastruktur nach EU-Recht, um Krypto-Wertpapiere handeln zu können, und einen Rechtsrahmen für tokenisierte Sachwerte.

BVI-Forderungen:

  • Höhere Wertschätzung der Finanzwirtschaft als wichtigen Standortfaktor für Deutschland
  • Kapitalmarktverständnis in Deutschland fördern
  • Überregulierung in der EU abbauen
  • Nationale Blockchain-Initiative im Assetmanagement gründen
  • Digitalen Euro als DLT-Zahlungsmittel einführen

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