Der deutsche Fondsverband BVI fordert die EU-Gesetzgeber auf, die bereits für Ende 2019 geplante Überprüfung der Verordnung über verpackte Anlageinstrumente für Kleinanleger (PRIIPs) umgehend zu starten. Die letzten Monate haben gezeigt, dass sich die eklatanten Mängel bei den Vorgaben zur Wertentwicklung und Berechnung der Kosten im PRIIPs-Informationsblatt (PRIIPs-KID) nur mit Korrekturen in der ursprünglichen Verordnung sinnvoll beseitigen lassen.
Eine Überarbeitung der technischen Regulierungsstandards (RTS) allein reicht dafür nicht aus. Der BVI plädiert dafür, die bis Ende 2021 geltende Ausnahme für Publikumsfonds erneut zu verlängern, und zwar bis zur Verabschiedung der neuen Detailvorgaben.
„Wir brauchen die Verlängerung der Ausnahme, weil die EU-Kommission es versäumt hat, rechtzeitig Vorschläge zur Überprüfung der PRIIPs-Verordnung vorzulegen“, sagt BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter.
„Statt den Verordnungstext anzupacken, hat die Kommission die EU-Behörden mit der Überarbeitung der technischen Regulierungsstandards beauftragt. Das ist aber krachend gescheitert. Nun ist es unwahrscheinlich, dass das Verfahren rechtzeitig vor 2022 abgeschlossen werden kann.“
Es sei nicht sinnvoll, den Fondssparern zwischenzeitlich mangelhafte PRIIPs-KIDs zur Verfügung zu stellen, so Richter weiter. Bis zur endgültigen Überarbeitung sollten die Fondsgesellschaften deshalb unverändert die bewährten „wesentlichen Anlegerinformationen“ nutzen dürfen.
Die EU-Kommission und die EU-Behörden für Banken, Wertpapiere und Versicherungen (ESAs) hatten zuletzt monatelang versucht, die von Finanzwirtschaft und Verbraucherschützern gleichermaßen kritisierten Mängel im PRIIPs-KID durch Änderungen in den RTS zu beheben. Im Fokus der Kritik standen die zukunftsgerichteten Wertentwicklungsszenarien, die zu absurden Ergebnissen führen können.
Die EU-Kommission sperrte sich allerdings gegen den Vorschlag der ESAs, für Publikumsfonds die vergangenheitsbezogene Wertentwicklung in das PRIIPs-KID aufzunehmen. Auch EU-Parlamentarier lehnten den Vorschlag der ESAs ab, da der Verordnungstext keine vergangenheitsbezogene Wertentwicklung, sondern ausschließlich Zukunftsszenarien im PRIIPs-KID zulässt. Deshalb haben die ESAs im Juli 2020 der EU-Kommission mitgeteilt, keine neuen RTS zur Behebung der Mängel im PRIIPs-KID vorschlagen zu können. Zudem verweisen die ESAs auf die geplante PRIIPs-Überprüfung durch den Gesetzgeber.
Zum Hintergrund
Der BVI setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, die Mängel im PRIIPs-KID zu beseitigen. Er fordert unter anderem, die derzeit vorgesehenen Wertentwicklungsszenarien in den PRIIPs-KIDs um die vergangenheitsbezogene Wertentwicklung zu ergänzen. Sie ist eine bewährte und die einzig objektive Methode, um Anleger über die Wertentwicklung zu informieren. Die EU-Kommission selbst hat in einer Verbraucherstudie herausgefunden, dass Sparer die künftige Wertentwicklung der Produkte besser einschätzen können, wenn die zukunftsgerichteten Szenarien durch Angaben zur vergangenen Wertentwicklung ergänzt werden.
Zudem fordert der BVI, die fehlerhafte Berechnungsmethode („arrival price“-Methode) zu den Transaktionskosten nachzubessern. Dabei werden Marktbewegungen in die Kosten eingerechnet, was zu Verzerrungen führt und Widersprüche zur EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II verursacht, die Marktbewegungen als Kosten ausschließt. Als Lösung plädiert der BVI dafür, bei Einhaltung bestimmter qualitativer Anforderungen alternative Berechnungsmethoden zuzulassen, etwa unter Rückgriff auf standardisierte Tabellen.
Darüber hinaus besteht Klärungsbedarf bei der Kostenberechnung für PRIIPs, die in Immobilien und andere Sachwerte investieren. Hier sollten nur Kosten berücksichtigt werden, die mit der Management-Leistung zusammenhängen. Die EU-Behörden haben die meisten dieser Vorschläge in ihren Empfehlungen zur Änderung der RTS berücksichtigt.
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