Attest des Arztes verspätet: Versicherter erhält trotzdem Krankengeld

Krankenversicherte sind grundsätzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihre Krankmeldung der Krankenkasse pünktlich zugeht. Erhalten sie vom Arzt das Attest nicht rechtzeitig genug, tragen sie hierfür nicht die Verantwortung. Das berichtet die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und verweist auf eine Entscheidung des Sozialgerichts München vom 17. Juni 2020 (AZ: S 7 KR 1719/19).

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Der Mann litt unter einer depressiven Störung und war arbeitsunfähig erkrankt. Am Montag, den 15. April 2019, suchte er am späten Nachmittag seinen behandelnden Arzt auf, um eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Da um diese Zeit keine Schreibkräfte mehr in der Praxis waren, konnte der Patient die Krankschreibung nicht direkt mitnehmen.

Er erhielt die Bescheinigung am darauffolgenden Samstag, den 20. April, per Post und leitete sie ebenfalls per Post umgehend weiter. Sie lag der Krankenkasse am Mittwoch, den 24. April, vor. Diese lehnte Krankengeld für den Zeitraum vom 16. bis zum 23. April 2020 ab.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei nicht wie vorgeschrieben innerhalb einer Woche bei ihr eingegangen. Daher habe der Versicherte für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Krankengeld.

Verzögertes Attest hat keinen Einfluss auf Krankengeldanspruch

Die Klage des Mannes hatte Erfolg. Der Versicherte hat zwar grundsätzlich die Pflicht, seine Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse zu melden. Tut er dies nicht, muss er die Folgen tragen. Anders ist es allerdings, wenn bestimmte Umstände die Meldung der Arbeitsunfähigkeit verhindern oder verzögern, die nicht er zu verantworten hat, sondern die Krankenkasse.

Genau das war hier der Fall. Die unzureichende Büroorganisation des Arztes falle in die Risikosphäre der Krankenkasse, so das Gericht. Schließlich bediene sich die Krankenkasse ausdrücklich dafür zugelassener Kassenärzte. Sie müsse sicherstellen, dass der Vertragsarzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unverzüglich aushändige.

Dem Arzt gegenüber habe sie Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten, die dem Versicherten nicht zur Verfügung stünden. Der Versicherte habe hier alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, indem er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 20. April 2019 zur Post gegeben hat.

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