Zu wenig Hilfe für den Mittelstand

In Deutschland gibt es rund 7,5 Millionen Unternehmer (KMU: 3,5 Millionen, Selbstständige: 4 Millionen). Sie bilden das Herzstück der deutschen Wirtschaft und sind von der Corona-Krise am stärksten betroffen. Die Bundesregierung hat mit den Krediten der Corona-Hilfe, die über die bundeseigene Förderbank KfW ausgegeben werden, große Hilfsprogramme aufgelegt.

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Erstmals hat jetzt eine Studie die Corona-Kreditvergabe eingehend analysiert und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Hilfe kommt nicht dort an, wo sie benötigt wird. Nur etwa jeder hundertste Unternehmer in Deutschland hat Corona-Kredite beantragt. Knapp neun von zehn Unternehmer sind von den Schnellkrediten, die besonders unbürokratisch an den Mittelstand verteilt werden sollten, komplett ausgeschlossen. Das sind die ernüchternden, zentralen Ergebnisse einer Analyse von Barkow Consulting und FinCompare, der führenden digitalen Plattform für KMU-Finanzierung.

Für die Liquiditätssicherung von Unternehmern sind insbesondere die Corona-Kredite der KfW, die Mitte März von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurden, von entscheidender Bedeutung. Die KfW übernimmt hier einen Großteil des Kreditrisikos, die Anträge laufen über die Geschäftsbanken. Obwohl die absolute Anzahl von knapp 80.000 Corona-Kreditanträgen (Stichtag 31.7.) und mehr als 52 Milliarden Euro beantragtes Kreditvolumen in wenig mehr als vier Monaten auf den ersten Blick beeindruckt, relativiert sie sich jedoch schnell bei genauerer Analyse: So hat bundesweit mit 1,01 Prozent bislang nur jeder hundertste Unternehmer einen entsprechenden Antrag auf Kredite der Corona-Hilfe über die KfW gestellt.

Erkenntnis 1: Bedarf an Liquidität vorhanden, relative Zahl der Anträge verschwindend gering

"Die bürokratischen Hürden sind eine Katastrophe, sie sind der Grund, warum nur ein Prozent der Unternehmer die Corona-Kredite beantragt haben. Wir merken täglich in Gesprächen mit Unternehmern, dass der Bedarf an Fördermitteln massiv vorhanden ist, die Politik aber nicht gelernt hat, dem Mittelstand die richtigen Hilfen bereitzustellen", fasst Stephan Heller, Gründer und Geschäftsführer von FinCompare, das Ergebnis zusammen. Anfang April hat die Bundesregierung das Corona-Kreditprogramm um ein weiteres Instrument ergänzt: Den KfW-Schnellkredit. Hier übernimmt die KfW das vollständige Ausfallrisiko und die Hausbank führt nur eine vereinfachte Prüfung durch. Begründet wurde die Einführung der Schnellkredite mit der Notwendigkeit, dem Mittelstand zu schneller Liquidität zu verhelfen.

Erkenntnis 2: Knapp neun von zehn Unternehmer sind von den Schnellkrediten ausgeschlossen

"Das uneingeschränkt sinnvolle Ziel, 99,5% der deutschen Unternehmer des Mittelstandes schnell und unbürokratisch zu unterstützen, läuft in der Praxis allerdings fast vollständig ins Leere", so Peter Barkow von Barkow Consulting. "Dies lässt sich auf eine Begrenzung des Corona-Schnellkredits auf Unternehmen und Selbstständige mit mehr als zehn Arbeitnehmern zurückführen, denn knapp 90 Prozent der deutschen Unternehmen und Selbständigen erfüllen dieses Kriterium eben gerade nicht. Sie sind damit faktisch von dem Kreditprogramm ausgeschlossen, das genau für sie bestimmt sein sollte."

Von den 7,5 Millionen Unternehmern in Deutschland haben 6,6 Millionen (88 Prozent) nicht mehr als zehn Mitarbeiter. Obwohl diese Kleinunternehmer von den Schnellkrediten ausgeschlossen sind, konnte hier die Anzahl der Kreditanträge innerhalb eines Monats (Juni auf Juli 2020) um 14 Prozent zulegen. Das Wachstum für kleinere Kredite (bis 800.000 Euro) betrug 15 Prozent, während sich die Wachstumsdynamik von größeren Krediten in diesem Zeitraum deutlich abschwächte.

"Der Bedarf gerade an Schnellkrediten ist da, die Nachfrage steigt, aber zu viele Unternehmer sind ausgeschlossen. Die Bundesregierung ist insofern aufgerufen, bei den Schnellkrediten im Zusammenspiel mit anderen Fördermitteln noch mal nachzujustieren. Zusätzlich würden wir es als Fintech natürlich begrüßen, wenn die Bundesregierung die Vorzüge der Digitalisierung bei der Verteilung von Fördermitteln stärker in den Vordergrund stellt. Wir sind uns sicher, dass damit mehr Unternehmen geholfen werden könnte und sich vor allem die Bearbeitungszeit reduzieren würde", so Dr. Luv Singh, Geschäftsführer von FinCompare.

Erkenntnis 3: Regionale Unterschiede sind bei der Zahl der Anträge ist groß

Die Nachfrage nach Corona-Krediten der KfW ist regional sehr unterschiedlich und zeigt ein Ost-West-Gefälle: Die relativ höchste Nachfrage nach Corona-Krediten kommt aus Rheinland-Pfalz, wo 1,35 Prozent aller Unternehmer einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Danach folgen Nordrhein-Westfalen (1,29 Prozent) und das Saarland (1,27 Prozent), die damit noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 1,01 Prozent liegen. Die verhältnismäßig geringste Nachfrage kommt aktuell aus Sachsen, wo mit 0,50 Prozent nur jeder 200. Unternehmer einen Corona-Kredit beantragt hat. Danach folgen Brandenburg (0,66 Prozent) und Sachsen-Anhalt (0,76 Prozent).

"Wir appellieren an Peter Altmaier und Olaf Scholz, ihr Versprechen einzulösen: 99,5 Prozent der Unternehmer, die dem Mittelstand zuzurechnen sind, mit Schnellkrediten und weiteren Hilfsprogrammen unbürokratisch zu helfen. Werden diese Hilfen nicht sofort wirksam umgesetzt, wird es in diesem Jahr eine dramatische Insolvenzwelle in Deutschland geben", erklärt Heller.

Statistische Basis und Redaktionsschluss

Die Analyse der Corona-Kredite von Barkow Consulting und FinCompare: "Wie stark sprudeln sie wirklich?" wurde in Kooperation mit Barkow Consulting erstellt und analysiert die Entwicklung der Corona-Kredite der KfW. Die zugrundeliegenden Daten werden wochentäglich mit der Ausnahme von Feiertagen auf der Website der KfW veröffentlicht. Unternehmer im Sinne der Analyse sind Unternehmen gemäß Definition des Instituts für Mittelstandsforschung und Selbstständige nach Definition des statistischen Bundesamtes. Daten-Redaktionsschluss der Analyse war der 31. Juli 2020.

Original-Content von: FinCompare GmbH übermittelt durch news aktuell

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