Franke und Bornberg hat in der fünften BU-Leistungspraxisstudie unter anderem untersucht, wie hoch tatsächlich die Ablehnungsquote von BU-Versicherern im Leisungsfall ist und welche Erkrankungen berufsunfähig machen.
Dafür haben die Experten von Franke und Bornberg Zahlen und Prozesse in den Bereichen Risikoprüfung, Leistungspraxis und Controlling analysiert und untersuchten die Regulierungspraxis sogar vor Ort bei den Gesellschaften.
Michael Franke, Mitgründer und Geschäftsführer von Franke und Bornberg, erläutert das Verfahren:
„Wir sind keine BU-Polizei und recherchieren auch nicht als verdeckte Ermittler. Die untersuchten Versicherer stellen sich unserem aufwendigen Verfahren freiwillig. Ihre und unsere Motivation: Qualität transparent zu machen und die Regulierung und damit auch die BU insgesamt noch zu verbessern.“
Die Regulierungsstudie 2020 basiert auf Untersuchungsdaten für das Geschäftsjahr 2018. Diese Daten werden durch Stichproben vor Ort validiert, die im November 2019 erfolgten – also noch „vor Corona“.
Teilgenommen haben:
- Generali Deutschland (ehemals AachenMünchener)
- ERGO Vorsorge
- HDI
- Nürnberger
- Zurich
Sie bieten rund 3,9 Millionen Kunden Versicherungsschutz bei Berufsunfähigkeit.
BU-Versicherer leisten in den meisten Fällen
Die Analysten von Franke und Bornberg konnten bei keiner der untersuchten Gesellschaften Anhaltspunkte für Leistungsverweigerung mit System finden. So endeten knapp 80 Prozent aller abgeschlossenen Regulierungen mit einer Anerkennung der Leistungspflicht.
Zieht man nur Fälle heran, bei denen die versicherte Monatsrente mindestens 300 Euro beträgt, liegt die Leistungsquote bei 76,4 Prozent. Dass Versicherer knauseriger werden, wenn die Rente eine bestimmte Höhe erreicht, bestätigt sich auch oberhalb der 300 Euro nicht. Das zeigt die detaillierte Auswertung der Leistungsquoten nach Rentenhöhe. Allerdings sind Monatsrenten über 2.700 Euro selten anzutreffen.
Laut der Analyse erfolgen die meisten Ablehnungen, weil der vertraglich vereinbarte BU-Grad nicht erreicht wird. Auf diesen Sachverhalt entfallen 55 Prozent aller negativen Entscheidungen.
Besonders häufig bewilligt werden Berufsunfähigkeitsrenten für Versicherte zwischen dem 46. und 58. Lebensjahr. Bei jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 35 Jahren liegt die Ablehnungsquote deutlich über dem Durchschnitt. Das ist vor allem auf die Wirkung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückzuführen. 47 Prozent aller Ablehnungen wegen Verletzung der Anzeigepflicht sind in dieser Altersgruppe.
Was sind Ursachen für Berufsunfähigkeit?
Genau wie da Jahr zuvor waren 2018 psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen der Leistungsauslöser Nummer eins. Sie stellen mehr als ein Viertel aller Anerkennungen (26,6 Prozent). Es folgen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (23,8 Prozent). Krebserkrankungen, in Statistiken als „Bösartige Neubildungen“ geführt, rangieren auf Platz drei.
Unsicher ist die Datenlage übrigens für Unfälle. Hier gibt es nicht immer eine eindeutige Abgrenzung zu Krankheiten, die aus einem Unfall resultieren.
Kaum digitale BU-Regulierungen
Für Versicherer stehen bei der Digitalisierung neben mehr Effizienz bei internen Prozessen insbesondere Vertriebsaspekte wie Kundengewinnung und TAA-Prozess (Tarifierung, Angebot, Antrag) im Vordergrund.
Die digitale Unterstützung im BU-Leistungsfall hingegen sei in der Regulierung noch ein knappes Gut, so Michael Franke. Etabliert habe sich mittlerweile das Telefoninterview zwischen Sachbearbeiter und Anspruchsteller und sorge damit in der schwierigen Situation der Kunden für ein deutliches Plus an Unterstützung.
Allerdings blieben Video-Chat, Desktop-Sharing oder Telefonkonferenz zumindest in der Zeit vor Corona hinter ihren technischen Möglichkeiten zurück. Ein Schritt nach vorne sei das bereits praktizierte Online-Tracking des Leistungsfalles, vergleichbar mit der bekannten Paketverfolgung. Im besten Fall sehe der Kunde hier sogar den konkreten Bearbeitungsstand, teilweise aber auch nur den Posteingang.
Michael Franke dazu:
„Die Versicherer haben die Chancen der Digitalisierung für den Leistungsfall zwar erkannt. Sie müssen aber zunächst die oft betagten Bearbeitungssysteme modernisieren, um überhaupt für neue Techniken offen zu sein. Kostbare Zeit, die jetzt fehle. Seit Corona ist beispielsweise die traditionelle Außenregulierung kaum noch möglich.“
Videochatfunktionen und weitere digitale Werkzeuge seien nicht nur „nice to have“, sondern für eine kundenorientierte BU-Leistungsprüfung unabdingbar.
Fakten zur Studie
Die BU-Leistungsstudie und das verbundene BU-Unternehmens- oder Leistungspraxisrating geben Teilnehmern ein kritisches Feedback zu eigenen Prozessen und der eigenen Regulierungspraxis und erlauben den Vergleich mit qualitätsbewussten Mitbewerbern.
Der BU-Leistungsbestand betrug 73.475 Verträge zum Jahresende 2018 und es gab 21.722 BU-Leistungsfall-Neuanmeldungen.
Für die Studie wurden mehr als 625 Leistungsfälle (je Versicherer mindestens 125) herangezogen. Der Schwerpunkt liegt auf komplizierteren Regulierungen, denn diese bergen ein vergleichsweise hohes Konfliktpotential. Dazu zählen Anfechtungen wegen verletzter Anzeigepflicht, BU-Grade unter 50 Prozent, das Unterschreiten des bedingungsgemäßen Prognosezeitraums, Individualvereinbarungen sowie Vergleiche.
Ablehnungen sind für Verbraucher und Vermittler besonders problematisch. Aus diesem Grund hat Franke und Bornberg Ablehnungen bei der Auswahl der Stichprobe mit 60 Prozent systematisch übergewichtet, obwohl diese nur knapp ein Viertel aller Leistungsentscheidungen ausmachen.