Es sind schon schwierige Corona-Zeiten, in denen wir uns gerade befinden. Für umsatzbasierte Versicherungsverträge der „Sachmakler“ wird der unvermeidliche Courtagerückgang erst zu einem späteren Zeitpunkt spürbar. Aufgrund der häufig anberaumten Kurzarbeit sind viele Kunden hinsichtlich der Altersvorsorge sicherlich sehr zurückhaltend.
In der Regel sind auch viele Selbstständige hart getroffen. Der Großteil der Betriebsschließungsversicherungen beabsichtigt nicht, eine vollständige Versicherungsleistung zu erbringen. Diese und viele weitere Aspekte führen dazu, dass Kunden versuchen, an Liquidität zu kommen.
So ist es vielleicht auch naheliegend, dass Versicherungsmakler angesprochen werden, in welchen Bereichen es einen „Zweitmarkt“ gibt. Dies kann zum einen die Kapitalanlagen betreffen, zum anderen aber auch Lebensversicherungen.
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Anbieter, die Versicherungspolicen aufkaufen. Zumeist wird auch von dem Policenaufkäufer eine Courtage an den Vermittler gezahlt.
In der Regel sollte für den Kunden der Vorteil dabei rauskommen, dass der Policenaufkäufer mehr bezahlt, als der Versicherer als Rückkaufswert anbietet.
Der Rechtsanwalt Stephan Michaelis bewertet die haftungsrechtliche Frage, ob dem Kunden, wenn er danach fragt, angeraten werden sollte, Lebensversicherungspolicen zu verkaufen und an einen Käufer zu vermitteln.
Berufsbild
Zunächst einmal stellt sich wohl die Frage, ob die Vermittlung eines Policenaufkäufers eigentlich vom Berufsbild nach § 34d GewO gedeckt ist? Ohne dies aber größer zu problematisieren, entschied sowohl das OLG Dresden als auch das OLG Köln, dass es zu dem Aufgabenbereich eines Versicherungsmaklers gehöre. Dementsprechend dürften Versicherungsmakler auch über den „normalen Versicherungsschutz“ aus der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung verfügen, sollte hier einmal etwas schief gehen.
Aus meiner persönlichen Sicht ist die Vermittlung eines Policenaufkäufers aber keine Versicherungsvermittlung. Deshalb stellt sich die Frage, ob die gesetzlichen Regelungen (§§ 59 ff. VVG), die für die Versicherungsvermittlung geschaffen wurden, auch hier gelten.
Dokumentationspflicht
Hier kommt sodann aus der Rechtsprechung die zweite Überraschung. Die Haftungsgrundlage des § 63 VVG soll unter Einbeziehung der Beratungs- und Dokumentationspflicht auch für die Vermittlung an einen Policen-Aufkäufer Anwendung finden.
Andere Produkte
Dann stellt sich für mich natürlich die Frage, ob andere Beratungsleistungen auch den gleichen Grundsätzen unterliegen sollen? Sind nun alle nicht zulassungspflichtigen Produkte, wie Versicherungspolicen, Gold, andere Edelmetalle oder auch Gas- und Energielieferungsverträge, die vermittelt werden, intensiv zu beraten und auch gleichzeitig zu dokumentieren? Haftet der Makler wirklich nicht nur für die Versicherungsvermittlung, sondern auch für alle anderen beruflichen Vermittlungsleistungen nach den §§ 61, 63 VVG?
Der Fall
Zur großen Überraschung von Stephan Michaelis präsentiert er kurz die Entscheidung des Oberlandesgericht Dresden vom 8. Januar 2019 (Az. 4 U 942/17).
Das OLG war der Auffassung, dass auch die Vermittlung an einen Policenaufkäufer dokumentationspflichtig ist. Würde eine solche Dokumentation nicht erfolgen, dann ist der Makler für die richtige und vollständige Beratung beweisbelastet. Gelingt der Nachweis nicht, ist zugunsten des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass er sich bei ordnungsgemäßer Beratung gegen den Verkauf seiner Lebensversicherung entschieden hätte. Fassen wir also zunächst einmal zusammen:
Es ist vorstellbar, dass der Versicherungsmakler, der außer Versicherungen auch anderweitige Produkte vermittelt, hierfür beratungs- und dokumentationspflichtig ist. Daher der dringende Apell, dass auch bei der Vermittlung anderweitiger Produkte stets eine Beratungsdokumentation analog § 61 VVG angefertigt werden sollte.
Im Weiteren beschäftigte sich das Oberlandesgericht Dresden natürlich mit der Frage, ob der Versicherungsmakler gegenüber seinem Kunden in der Haftung ist, wenn der Policenaufkäufer nicht mehr in der Lage ist, den Kaufpreis an den Verkäufer zu leisten. Immerhin ging es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Betrag von 54.256,01 Euro zuzüglich Zinsen.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes war es wohl so, dass der Policenaufkäufer Insolvenz anmelden musste, sodass für den Verkäufer hier offensichtlich nichts mehr zu holen war. Dem Versicherungsmakler wurde vom Kunden der Vorwurf entgegengehalten, er habe nicht auf das einhergehende Risiko des Totalausfalls bei Insolvenz des Policenaufkäufers während der Wartezeit hingewiesen.
Entscheidung
Das Gericht erkannte, dass ein Versicherungsmakler auf das Totalausfallsrisiko bei Insolvenz des Policenaufkäufers hinzuweisen hätte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den Einlassungen des Beklagten (Versicherungsmakler) sei aber nicht im erforderlichen Maße auf dieses Insolvenzrisiko hingewiesen worden. Wegen der „Umkehr der Beweislast“ bei fehlender Beratungsdokumentation sei der Makler hierfür beweisbelastet. Er habe den Nachweis nicht erbringen können, dass er seinen Kunden ordnungsgemäß beraten und auch auf das Insolvenzausfallrisiko hingewiesen habe.
Fazit
Vermutlich ist dem Versicherungsmakler zu empfehlen, dass er in jeder Beratungsdokumentation auf ein mögliches Insolvenzrisiko hinweist, welches seinen Kunden treffen kann, wenn der vermittelte Partner Insolvenz anmelden könnte. Der Makler hat zwar keine „Glaskugel“ aber dieser Hinweis über den künftigen Vertragspartner gegenüber dem eigenen Kunden kann vermutlich nie schaden. Offensichtlich halten Richter einen solchen Hinweis für erforderlich.
Aus dieser Entscheidung wird wieder der Merksatz bestätigt: „Die Pflichten des Versicherungsmakler gehen sehr weit.“
Noch bedeutsamer empfindet der Rechtsanwalt aber die Erkenntnis, dass ein Versicherungsmakler auch besser alle Vermittlungsleistungen dokumentiert, auch wenn es sich nicht ausdrücklich „nur“ um die Vermittlungsleistung einer Versicherung handelt. Seines Erachtens nach falsch, aber wohl wegen der Rechtsprechung erforderlich!
Auch die Vermittlung eines Kaufvertrages an einen Policenaufkäufer wird als Versicherungsmaklertätigkeit (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 24.07.2015, Az. 20 U 44/15) und als dokumentationspflichtig – mit Hinweisen auf die Risiken und bei der Abwicklung bereits bestehender Verträge zu sein (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.09.2011, Az. 12 U 56/11). Aufgrund diesen zitierten weiteren Entscheidungen scheint das OLG Dresden auch nicht ganz allein mit seiner Meinung dazustehen.
Deswegen also besser jeden Vermittlungsvorgang – egal was – dokumentieren – und das immer.
Autor: Stephan Michaelis LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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