Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 25.09.2019, Az. IV ZR 99/18) hatte sich mit der Lebensversicherung eines Versicherungsnehmers (VN) zu befassen, der 1993 nach einem Unfall ins Koma gefallen war. Widerruflich bezugsberechtigt war die Ehefrau gewesen, welche 1994 geschieden wurde. Der Vater des VN teilte dem Versicherer (VR) „als Betreuer“ mit, das Bezugsrecht solle auf ihn geändert werden – was der VR ihm bestätigte.
Der VN verstarb 2011. Alleinerbin wurde die (minderjährige) Tochter; der VR zahlte die Todesfall-Leistung an den vermeintlich Bezugsberechtigten aus. Jahre später wurde diese vom VR zurückgefordert, denn die (Ex-)Ehefrau verlangte 2013 ihrerseits als Begünstigte die Versicherungsleistung mit Erfolg vom VR.
Versicherer fordert die ausbezahlte Versicherungssumme erfolgreich zurück
Der VR hatte vor dem BGH Erfolg, denn zur Bezugsrechtsänderung lag keine Einwilligung des VN in der Eigenschaft als Versicherte Person (VP) vor – weder in schriftlicher noch notarieller Form, § 126 BGB. Dem Vater und Laienbetreuer waren oder sind – vielleicht bis heute - nicht alle Gestaltungsoptionen und Fallstricke bekannt gewesen. Bei einer besonderen Art des Komas mit beschränkten Kommunikationsmöglichkeiten hätte man einen Notar als Krankenbett rufen können.
Zudem wird man Verfügungen über Lebensversicherungen im Zweifel doppelt absichern, indem es auch mit Inhalt des letzten Willens wird – um damit späteren Widerruf durch Nichtbegünstigte auszuschließen; oder auch durch rechtzeitige Unwiderruflichkeit es konkursfest zu gestalten.
Schutzzweck der Einwilligung der Versicherten Person
Der BGH stellt darauf ab, dass wenn auf meinen Kopf gewettet wird, ich dem (etwa als Versicherte Person) zuzustimmen habe. Schließlich gebietet dies der Schutzzweck des § 159 VVG: „Das Einwilligungserfordernis zielt nach der Senatsrechtsprechung darauf ab, die Spekulation mit dem Leben anderer zu unterbinden.
Es soll insbesondere der Gefahr entgegenwirken, die sich daraus ergeben kann, dass der Versicherungsnehmer oder ein sonstiger Beteiligter in der Lage ist, den Versicherungsfall herbeizuführen. Die zu versichernde Person soll sich der Gefährdung bewusst werden und das Risiko abwägen können, das sie mit der Einwilligung auf sich nimmt (Senatsurteil vom 27. Juni 2018 aaO Rn. 24 m.w.N.)“. Der im Todesfall Begünstigte weis, dass der VN noch vor Ablauf sterben muss, damit er und nicht der VN das Geld bekommt.
Laienbetreuer kannte weder nötige gerichtliche Genehmigungen, noch Formvorschriften
Für seine Erklärung „als Betreuer“, eine sogenannte Verfügung als Rechtsgeschäft, hätte er rechtzeitig die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen müssen – was jedoch mangels qualifizierter Beratung und Umsetzungsbegleitung nicht erfolgt war, §§ 1812, 1813, 1831 BGB. Daher war die Bezugsrechtsänderung insgesamt von Anfang an unwirksam gewesen. Durch das Auftreten „als Betreuer“ schied aus, dass er nur „als Bote“ tätig gewesen ist, § 164 BGB.
Gut gemeint ist nicht zwangsläufig gut gemacht
Der Vater dachte als Laienbetreuer altruistisch – er wollte das Geld für die Tochter des Verstorbenen, die Alleinerbin „retten“; indem erst er die Versicherungsleistung bekommt – erst später bei Volljährigkeit sein Enkelkind von ihm. Dass dies unnötige „doppelte“ und zudem potentiell höhere Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auslöst war ihm offenbar auch nicht in den Sinn gekommen?
Schließlich hätte man auch gleich die Tochter und Alleinerbin begünstigen können – absehbar jedoch dann nicht ohne Genehmigung durch das Familiengericht. Werden solche Genehmigungen übersehen, droht häufig bei „Steuerspar- oder Steuerverlagerungsmodellen“ mit Kapitalanlagen für Kinder sogar Jahre später die rückwirkende Nichtanerkennung durch das Finanzamt.
Wer nur den Hammer kennt – für den ist jedes Problem ein Nagel
Für echte Steuersparer ist die bloße Gestaltung des Bezugsrechts nur der müde Anfang einer zielführenden Gestaltung. Wenn VN und Bezugsberechtigter zwei unterschiedliche Personen sind, fällt häufig vermeidbar eine Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer an. Mag es bei Ehegatten und Kindern noch sechsstellige Freibeträge geben, so beträgt er beim nichtehelichen Partner lediglich 20 TEUR.
Auch bei Gesellschaftern eines Unternehmens, die sich wechselseitig absichern wollen, kommt es darauf an, wer als VN fungiert – und auf wessen Kopf mit dem VR gewettet wird. Die Unterschiede im Versicherungsfall, aber auch zuvor, bei Einkommen- und Schenkungsteuer sind in der Regel enorm – zumal eine Steuerfreiheit bei Auszahlung winken kann, wenn alles sorgsam gestaltet wurde.
Über Einbeziehung von Unterhaltsfragen - egal ob es um Kinder, Ehegatten oder nichteheliche Partner geht – lassen sich weitergehende Steuerfreiheiten erreichen. Zu betrachten sind stets die Ein- sowie die Auszahlungsphase.
Das „ewige“ Widerrufsrecht hatten Betreuer und Alleinerbin (noch?) nicht gekannt
Als Alternative zum Widerruf des Bezugsrechts wäre auch in Frage gekommen, dass der Vater des VN, in seiner Eigenschaft „als Betreuer“ den Versicherungsvertrag widerruft. Nötigenfalls nicht ohne Prüfung, ob ein Gericht dabei etwas zu genehmigen hätte.
Und natürlich hätte die Erbin, ggf. vertreten durch ihren Sorgeberechtigten, womöglich ebenfalls nicht ohne gerichtliche Genehmigung, den Widerruf selbst noch als Minderjährige erklären können – bestenfalls bevor „erst der Falsche und später der Richtige“ das Geld als Bezugsberechtigter erhält. Vielleicht hätte ein Widerruf sogar dem eigenen Großvater und Ex-Laienbetreuer einen viele Jahre dauernden Rechtsstreit erspart – und dafür eine weit höhere Zahlung durch den VR an sich selbst zur Folge gehabt; denn der Widerruf kann wirtschaftlich weitaus höhere Beträge bedeuten, als eine normale vertragliche Auszahlung von Versicherungsleistungen durch den VR.
Selten hilfreiche notarielle Absicherung bei später überschuldetem Nachlass
Den Gang zum Notar konnte man sich sparen, etwa um ein Testament errichten zu lassen oder eine Schenkung des Vermögens in der Lebensversicherung abzusichern, wenn später ein Insolvenzverwalter dieses Vermögen erfolgreich zur Masse zieht. Ob dem Insolvenzverwalter das Vermögen aus der Lebensversicherung wirklich zusteht, lässt sich gut gestalten – auch ohne Notar.
Die optimale Situation ist für den Bezugsberechtigten, wenn er das vom VR erhaltene Geld nicht Jahre später an VR oder Insolvenzverwalter wieder abliefern muss. So passiert es immer wieder, dass über einen Widerruf eine „gefühlt gute Sicherheit“ sogar der eigenen Bank des Erblassers auch noch Jahre nach dem Todesfall (wirtschaftlich und faktisch rückwirkend) durch Widerruf entzogen wird.
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