Die deutschen Kreditversicherer verzeichnen für das Jahr 2023 einen massiven Anstieg der Zahlungsausfälle bei Unternehmen. Das zeigt eine Hochrechnung des GDV. Betroffen ist auch eine bisher unauffällige Branche.
In einem von Wachstumsschwäche, hoher Inflation und schwer kalkulierbaren Energiepreisen geprägten Umfeld verzeichnen die deutschen Kreditversicherer für 2023 einen massiven Anstieg der Zahlungsausfälle bei Unternehmen. Das zeigt eine Hochrechnung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (Gesamtverbandes ).
„Wir sehen in diesem Jahr deutlich mehr und deutlich höhere Schäden durch Insolvenzen und Zahlungsverzögerungen als im Vorjahr“, sagt der Vorsitzende der GDV-Kommission Kreditversicherung, Thomas Langen. „Aktuell gehen wir für das Gesamtjahr 2023 von Leistungen der Kreditversicherer von über 1,2 Milliarden Euro aus. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um rund 44 Prozent.“ Schon 2022 waren die Zahlungsfälle um rund 50 Prozent gestiegen.
Hintergrund dieser Entwicklung ist die schwierige wirtschaftliche Lage, in der sich Deutschland derzeit befindet, wie die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach erläutert. Sie nennt neben der konjunkturellen Schwäche weitere Wachstumsbremsen wie etwa den Fachkräftemangel. „Natürlich gibt es diese Probleme überall. Gerade Deutschland ist aber von vielen dieser Faktoren besonders betroffen“, so Käfer-Rohrbach. „Jetzt, da Energie dauerhaft teurer sein wird, stehen ganze Wirtschaftszweige, wie etwa die Chemieindustrie, vor großen Herausforderungen.“
Deckungssummen steigen auf fast 590 Mrd. Euro
Ungeachtet der Rahmenbedingungen haben die Kreditversicherer ihre Deckungszusagen für etwaige Zahlungsausfälle auf einen Rekordwert erhöht. Warenkredit- und Kautionsversicherer – mit denen die Versicherer Bürgschaften und Garantien zur Verfügung stellen – decken derzeit Ausfallrisiken deutscher Unternehmen von 587 Milliarden Euro ab.
Das sind 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings fiel der Anstieg aufgrund der schwächeren Konjunktur geringer aus. „Das zeigt: Auch in herausfordernden Zeiten wie diesen kann sich insbesondere die exportorientierte deutsche Wirtschaft darauf verlassen, dass ihre Geschäfte abgesichert sind“, so Langen.
Inflation treibt Insolvenzen weiter
Mit Blick auf die anhaltend hohen Energie- und Materialpreise erwarten die Kreditversicherer für 2024 einen Anstieg der Insolvenzen um rund zehn Prozent, nachdem die Zahl der Firmenpleiten bereits 2023 um 20 bis 25 Prozent auf 17.400 bis 18.200 angezogen haben dürfte.
„Nach Jahren sinkender Insolvenzzahlen hat sich der Trend gedreht“, sagt Langen. „Für viele Betriebe werden die großzügig verteilten Staatsgelder der Vergangenheit jetzt zum Bumerang. Die Rückzahlungen der Hilfen und teils verschleppte Anpassungen des Geschäftsmodells führen bei dauerhaft steigenden Zinsen in die finanzielle und wirtschaftliche Sackgasse.“
Die meisten Firmenpleiten zählten die Kreditversicherer 2023 in der Baubranche, im Dienstleistungssektor und im Handel. Betroffen war aber auch der bislang eher unauffällige Gesundheitssektor: Mehr als 30 Krankenhäuser meldeten nach Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in den vergangenen zwölf Monaten Insolvenz an.
„Krankenhäuser fahren immer häufiger Verluste ein“, so Käfer-Rohrbach. „Die Ursachen sind auch hier steigende Energie-, Personal- und Materialkosten, bei gleichzeitig sinkender Auslastungsquote. Diese Entwicklung macht mir Sorgen.“ Ob sich die Lage mit der Krankenhausreform verbessert, die zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt, müsse abgewartet werden.
In diesem Zusammenhang kritisierte Langen die von der EU geplante Zahlungsverzugsverordnung. Der entsprechende Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen Rechnungen künftig spätestens nach 30 Tagen begleichen müssen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das durchschnittliche Zahlungsziel bei 32 Tagen, in anderen EU-Ländern zum Teil erheblich darüber. Wer die Frist überschreitet, soll künftig automatisch hohe Strafzinsen zahlen.
„Viele Unternehmen stellt das vor erhebliche Liquiditätsprobleme und steigert ihr Insolvenzrisiko“, so Langen. „Die Versicherer setzen sich deshalb für eine Beibehaltung der geltenden Zahlungsverzugs-Richtlinie ein, die flexible und interessengerechte nationale Regelungen ermöglicht.“ Ansonsten drohten noch mehr Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste.
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