Die Beratung zur Berufsunfähigkeitsversicherung ist vielschichtig und birgt Fallstricke Versicherungsmakler. Beginnend mit dem Neuabschluss der Versicherung, der Umdeckung von Verträgen und der Frage, ob ein Vertrag aufgestockt, gekündigt oder ergänzt werden soll oder inwieweit überhaupt Bedarf besteht. Eine Herausforderung kann auch die Beratung im Versicherungsfall sein, wie die Praxis zeigt.
Ein Beitrag von Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht bei der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft,
Liegt ein Versicherungsfall vor, werden Leistungen beim Berufsunfähigkeitsversicherer beantragt. So einfach? Nein, ganz so einfach ist dies in der Praxis nicht. Schon der Eintritt von Berufsunfähigkeit ist mitunter schwer zu erkennen. Der Regelfall ist eine schleichende Entwicklung von Leistungseinschränkungen. Nicht selten stellt noch nicht einmal der Versicherungsnehmer selbst fest, dass er berufsunfähig ist.
Aufmerksamkeit Außenstehender kann vonnöten sein. Der in seinem professionellen Blick geschärfte und erfahrene Versicherungsmakler erkennt oft eher zufällig, etwa bei Durchführung des jährlichen Beratungsgesprächs zur Prüfung der etwaigen Versicherungs- oder Änderungsbedarfs, dass der Versicherungsnehmer sich immer mehr aus dem Arbeitsleben zurückzieht. Die Frage „wie geht es dir“ ist keine leere Floskel.
Entscheidung des OLG Hamm
Wie schwierig allein die Feststellung einer Berufsunfähigkeit sein kann, zeigt eine Entscheidung des OLG Hamm vom 7 20.4.2018, Az. 20 U 75/17:
Die Versicherungsnehmerin und spätere Klägerin hatte ein Unternehmen von ihrem Vater übernommen. Es handelte sich um eine Unternehmensgruppe aus mehreren Gesellschaften mit über 500 Mitarbeitern. Über das Vermögen des Unternehmens wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Kurz darauf beantragte die Versicherungsnehmerin Leistungen aus ihren Berufsunfähigkeitsversicherungsverträgen wegen Depression.
Die berufliche Tätigkeit hatte sie fortgesetzt. Ein vom Versicherer beauftragter Gutachter kam zunächst zu dem Ergebnis, dass die Versicherte zwar nicht in der Lage sei, einen normalen Arbeitsalltag zu bewältigen, dies jedoch „eine normale Reaktion auf den erlittenen Verlust“ sei, womit die Insolvenz des Unternehmens gemeint war.
Diese Einschätzung hatte letztlich vor dem OLG Hamm keinen Bestand.
Raubbau an der Gesundheit
Grundsätzlich schuldet ein Selbstständiger – anders als ein Angestellter - bei krankheitsbedingter Einschränkung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit zunächst einmal die Umorganisation seines Unternehmens. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte die Versicherte im Unternehmen eine „Klammerfunktion“ mit Letztentscheidungskompetenz, das heißt jegliche grundlegende unternehmerische Entscheidung wurde ausschließlich von ihr in Person getroffen.
Aufgrund ihrer Erkrankung war es ihr jedoch nicht mehr möglich, Tätigkeiten mit unternehmerischem Anspruch auszuüben. Sie tat dies dennoch, jedoch nach den Feststellungen des Sachverständigen nur unter Raubbau an ihrer Gesundheit. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass eine erkrankte Person ihren Arbeitsalltag nach außen hin durchaus noch eine Zeit lang „durchhalten“ kann, ohne dass Außenstehenden eine Beeinträchtigung auffällt.
Eine weitere berufliche Tätigkeit, wenn das Motto nur noch „Durchhalten“ ist, also Tätigkeit unter Raubbau an der Gesundheit, spricht nicht gegen Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen. Eine solche Tätigkeit ist nicht mehr zumutbar.
Die Praxis zeigt, dass es eine Vielzahl von Grenzfällen und Unsicherheiten gibt, die in der Beratung des Versicherungsnehmers von Bedeutung sind. Ein Leistungsantrag in der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt bereits wichtige Weichen für die Bearbeitung und Entscheidung des Versicherers. Damit kann unter anderem die Dauer der Bearbeitung, die Dauer und Höhe der Leistungen und nicht zu vergessen auch die zukünftige Abwicklung des Versicherungsfalles beeinflusst werden. Professionelle Unterstützung kann hilfreich sein.
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