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Derzeit stehen Zentralbanken weltweitunter enormem Druck. Wirtschaftliche Schocks, ausgelöst durch die Coronakrise sowie den Krieg in der Ukraine, haben dazu geführt, dass der globale Inflationsdruck weiter gestiegen ist. In der Eurozone ist die Europäische Zentralbank für Preisstabilität verantwortlich. Aber sollte ihr Kernmandat gerade mit Blick auf Krisenzeiten enger gefasst sein?
In einem gemeinsamen Policy Web Seminar des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE und des Centre for Economic Policy Research (CEPR), moderiert von SAFE-Professorin und CEPR Research Fellow Loriana Pelizzon, plädierte Enrico Perotti von der University of Amsterdam dafür, dass sich ein eng gefasstes Mandat von Zentralbanken auf die Wahrung von sicheren und quasi-sicheren Vermögenswerten beziehen sollte. „So kann die Entstehung von Risiken verhindert werden und Panikreaktionen lassen sich begrenzen“, sagte der Professor für International Finance.
Die wichtigsten Triebkräfte bei dieser Überlegung seien die Nachfrage nach Liquidität und Sicherheit. Demnach, so Perotti, müsse die Marktnachfrage nach verlässlicher Liquidität von der risikointoleranten, preisunempfindlichen Nachfrage nach einem sicheren Weg der Wertaufbewahrung getrennt werden: „Zentralbanken haben ein Monopol auf gesetzliche Zahlungsmittel, daher braucht es entsprechende öffentliche Verantwortung.“
Perottis Thesen zufolge, die er in einem SAFE Policy Letter darlegt, stellt sichere Wertaufbewahrung eine stetige Nachfrage dar, die relativ unelastisch auf Zinssätze reagiert und risikoavers ist, während Liquidität preiselastischer ist, vor allem von Unternehmen stark nachgefragt und von Transaktionshebeln wie dem Bruttoinlandsprodukt oder von Schocks bestimmt wird: „Die meisten sicheren Vermögenswerte sind liquide, aber viele liquide Forderungen sind nicht sicher und sollten auch nicht als solche behandelt werden - das muss Anlegern klar sein.“
Es dürfe aber keine Liquidität ohne grundlegende Sicherheit geben. Als Beispiel für eine wichtige Sicherheitsquelle nannte Perotti Bankeinlagen. Sogenannte Bank-Runs, bei denen Einlagen schnell und in großer Höhe abgezogen werden, unterschieden sich fundamental von Liquiditäts-Runs.
„Die Flucht in die Liquidität sind Zuflüsse in das Bankensystem, während Sicherheits-Runs Abflüsse aus den Banken sind, da Menschen ihr Geld aus den Kreditinstituten holen“, erklärte Perotti. Ein eng gefasstes, auf Sicherheit abzielendes Kernmandat von Zentralbanken begrenze das Risiko, indem es panikartige Reaktionen wie Bank-Runs minimiert würden.
Zwar könne es keine umfassenden Sicherheitsgarantien geben, öffentliche Anleihen seien aber langfristig sicher. Ein enges und sicheres Kernmandat schließe zudem die Gewährleistung der Liquidität öffentlicher Schulden ein und stelle damit auch Finanzstabilität her.
Wie sollten Zentralbanken in einer Krise handeln?
In der Diskussion im Anschluss an Perottis Präsentation warf Arvind Krishnamurthy, Professor für Finance an der Stanford Graduate School of Business, die Frage auf, wie sich Zentralbanken als Krisenmanagementinstitutionen Perotti zufolge verhalten sollten.
Laut den zwei Hauptthesen nach Perotti – die preisunempfindliche Sicherheitsnachfrage wird nur durch wirklich sichere Vermögenswerte bedient; die Liquiditätsnachfrage ist preiselastischer und kann auf unterschiedliche Weise bedient werden – sollten Zentralbanken einen Kernbestand an sicheren Vermögenswerten aufrechterhalten. „In einer Krise explodieren allerdings die Spreads zwischen sicheren und weniger sicheren Vermögenswerten, sodass es nicht genügend sichere Vermögenswerte geben kann“, befand Krishnamurthy.
Perotti hielt dem entgegen, dass sich die Lage verbessere, wenn Regierungen das Angebot an sicheren Vermögenswerten in einer Krise ausweiteten. Zentralbanken verpflichteten sich dann, Bankaktiva liquide zu machen, wodurch Banken keine illiquiden Aktiva liquidieren und die Einleger*innen sich keine Sorgen um die Sicherheit ihrer Einlagen machen müssten.
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