Da staunte nicht nur die Finanzbranche: Schon vor, aber vor allem während der Corona-Pandemie hatten junge Anleger vermehrt Trading-Apps für sich entdeckt und waren Vorreiter, was die Geldanlage und den Umgang mit Aktien und Kryptowährungen angeht. Von "Zocker-Mentalität" war allenthalben die Rede. Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) wollte wissen, ob die Jungen mit Geld "spielen" oder ob substanzielle Trends erkennbar sind.
Ein nach Altersklassen differenzierter Blick auf den aktuellen Geldanlage-Index (DIVAX-GA) gibt Aufschlüsse: Mit 47,9 Indexpunkten ist die Haltung der 18- bis 29-Jährigen zu aktienbasierten Geldanlagen signifikant positiver als die der 50- bis 64-Jährigen (19,4 Punkte). Dasselbe gilt auch für den tatsächlichen Besitz von Aktien: Auch der Anteil der Besitzer aktienbasierter Anlagen liegt in der jungen Generation mit 45,1 Prozent knapp zehn Punkte vor dem ihrer Elterngeneration (35,3 Prozent) - wenngleich nach der Anzahl der Depots und sicher nicht nach ihrer Höhe.
Trading-Apps fördern Aktienkultur
Für Michael Heuser, den Wissenschaftlichen Direktor des DIVA, sind die Ergebnisse folgerichtig und aufschlussreich: "Jüngere Anleger haben einen ganz anderen Zeithorizont als die Älteren, können deshalb höhere Risiken eingehen und Rücksetzer an der Börse einfach aussitzen. Sie haben ihr Berufsleben vor sich und oft noch keine Kinder, die nun mal Geld kosten. Aber das war auch bei deren Eltern so. Es muss also weitere Gründe geben."
Es sei zu beobachten, dass auch Trading-Apps eine gewichtige Rolle für den Wandel spielen, so Heuser weiter. Keiner müsse mehr in der Sparkassenfiliale ein Depot eröffnen. Die Apps beseitigen Barrieren, sparen Zeit und machen "Börse" einfach und kostengünstig. Beschleunigt werde das Ganze noch durch die sozialen Netzwerke, in denen Influencer Tipps und - wenn auch oftmals nur vermeintlich richtige - Börsenweisheiten verbreiten.
Da stellt sich naturgemäß die Frage, ob die Jungen, wenn sie in Sekundenschnelle Einzelwerte oder Bitcoins kaufen und verkaufen, immer wissen, was sie tun. "Ganz sicher nicht", meint Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater (BDV), eines der Trägerverbände des DIVA.
"Wir sehen diesen Trend dennoch sehr positiv. Die jungen Menschen haben noch keine größeren finanziellen Verpflichtungen und nutzen deshalb ihre Freiheit, um Dinge auszuprobieren. Wie immer wird es dabei Gewinner und Verlierer geben. So lernen die Jungen, was es mit Chancen und Risiken von Geldanlagen auf sich hat. Und spätestens wenn sich der eine oder andere damit eine "blutige Nase" in Form größerer Verluste holt, wächst die Einsicht, dass man sich mit der Materie beschäftigen sollte", so Lach. Dies untermauert die Befragung: 79,3 Prozent der 18 bis 29-Jährigen schätzen persönliche Beratung.
Nachhaltigkeit bei privater Vermögensbildung noch nicht angekommen
Geht es um Nachhaltigkeit in der Geldanlage, zeigen sich auch dabei große Generationenunterschiede. Für 59,4 Prozent der Jüngeren spielt sie eine Rolle bei Geldentscheidungen. Bei den Älteren sind es nur 26 Prozent. Für Heuser sind die Ergebnisse keine Überraschung: Es sei vielen jungen Menschen wichtig, das Klima in allen Lebensbereichen und damit auch bei der Geldanlage im Fokus zu haben und somit sei Nachhaltigkeit das dominierende Thema dieser Generation. Bei den über 50-Jährigen rücken hingegen auch Altersvorsorge und Ruhestand in den Blick, weiß Heuser.
Verbandschef Lach ergänzt: "Gerade bei den Älteren, die naturgemäß die deutlich größeren Anlagesummen bewegen und halten, sind offensichtlich das Bewusstsein und die Bereitschaft für nachhaltige Geldanlage und Altersvorsorge noch nicht angekommen. Wir werben schon lange dafür, finanzielle Anreize zu setzen, um die privaten Ersparnisse schneller im Sinne des Green Deal zu lenken. Ohne solche Anreize wird es noch Jahrzehnte dauern."
Staatsfonds und Obligatorium nicht notwendig
Mit Blick auf die im Auftrag der Bundesregierung aktuell arbeitende Fokusgruppe Private Altersvorsorge sind die Ergebnisse der Umfrage politisch hoch relevant. Dazu Lach: "Wenn es darum geht, private Altersvorsorge verstärkt ins Produktivvermögen zu lenken, was einige aus der Politik mit Staatsfonds und Obligatorien erreichen wollen, ist dies absolut nicht notwendig. Die Aktienkultur in Deutschland entwickelt sich gut. Die Jungen machen es vor."
Die Anzahl der Fondssparpläne und fondsgebundenen Lebensversicherungen erreiche immer neue Höchststände, so Lach. Diesen Trend durch Förderung zu beschleunigen, wäre allemal besser, als schon wieder den Staat ins Spiel zu bringen. Zumal es für die Politik in der gesetzlichen Rente genug zu tun gebe, befindet der Verbandsvorsitzende.
Die Umfrage ist Teil der aktuellen Ausgabe des Deutschen Geldanlage-Index (DIVAX-GA) und wurde im Auftrag des DIVA von INSA-CONSULIERE mit ca. 2.000 Teilnehmern durchgeführt.
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Überregulierung behindert Aktienkultur
Die Aktienkultur in Deutschland entwickelt sich klar weiter: Mehr als ein Drittel der Bürger investieren derzeit aktienbasierte Geldanlagen. Wobei die große Mehrheit eine professionelle Beratung als notwendig erachtet. Viele Berater sehen sich aber von überbordender Bürokratie behindert.
Derzeit kein Rückenwind für die Aktienkultur
Die „Schaukelbörse“ der letzten zwei Jahre beeindruckt die Anleger offensichtlich relativ wenig. Denn der Deutsche Geldanlage-Index DIVAX-GA zeigt sich auf gutem Niveau und nahezu unverändert.
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