Solvenzquoten der Lebensversicherer erreichen Höhepunkt

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Die Versicherer haben turnusmäßig ihre Berichte zur Solvabilität und Finanzlage (SFCR) unter Solvency II veröffentlicht. Erwartungsgemäß sind die Solvenzquoten der Lebensversicherer im Zuge der stark gestiegenen Kapitalmarktzinsen gegenüber dem Vorjahr weiter deutlich gestiegen. Die Auswirkungen sind bei den einzelnen Unternehmen jedoch unterschiedlich.

Neben den Lebensversicherern werden dort auch die privaten Krankenversicherer sowie die Schaden-/Unfall- und Rückversicherer aufgeführt. Die Solvenzquote (SCR-Quote) gibt an, ob ein Versicherer auch in modellhaften Extremszenarien genügend Eigenmittel hat, um seinen Verpflichtungen gegenüber Versicherten und anderen Leistungsempfängern nachzukommen.

Nach aufsichtsrechtlichen Vorgaben sollte die Quote stets bei mindestens 100 Prozent liegen. Eine Gesellschaft hat dann ausreichend Eigenmittel, um auch unter widrigen Entwicklungen alle Verpflichtungen in den unter Solvency II definierten Rahmenbedingungen zu erfüllen. In folgender Tabelle sind die Solvenzquoten von 75 deutschen Lebensversicherern zusammengestellt, welche Assekurata bis zum11. April 2023, 18:30 Uhr vorlagen.

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Solvenzquoten profitieren von Zinsanstieg

Bereits im Jahr 2021 hatte sich das Zinsniveau gegenüber den historischen Tiefständen im Zuge der Corona-Pandemie etwas erholt. Infolgedessen konnten Lebensversicherer eine erste Entlastung bei der Bedeckung der Solvenzanforderungen feststellen.

Die restriktive Geldpolitik der Zentralbanken zur Bekämpfung der Inflationsentwicklung führte in den vergangenen Monaten dann zu einem rasanten Anstieg der Marktzinsen, so dass etwa zehnjährige Bundesanleihen mittlerweile mit über zwei Prozent rentieren. Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei der Versicherungs-Ratingagentur Assekurata, kommentiert:

Der rapide Zinsanstieg hat zu völlig neuen Rahmenbedingungen auf den Finanzmärkten geführt.

Insbesondere die Solvenzquoten von Lebensversicherern, die im Schnitt um 139 Prozentpunkte gestiegen sind, profitieren seines Erachtens von den gestiegenen Marktzinsen. So belief sich zum 31.12.2022 die aufsichtliche Solvenzquote nach bisherigen Erhebungen von Assekurata auf durchschnittlich 613 Prozent. Im Vorjahr hatte die Quote bei den in der Tabelle erfassten Versicherern bei durchschnittlich 474 Prozent gelegen.

Bei näherem Hinsehen große Unterschiede

Die Spannweite zwischen den einzelnen Anbietern ist allerdings beachtlich. So verteilen sich die SCR-Quoten im regulatorischen Nachweis von unter 200 Prozent bis weit über 1000 Prozent. Den Spitzenwert erzielt dabei die SIGNAL IDUNA Lebensversicherung a.G. mit 1.442 Prozent, gefolgt von der R+V Lebensversicherung a.G. mit 1.416 Prozent. Branchenweit konnten 56 Unternehmen ihr Solvenzniveau gegenüber dem Vorjahr erhöhen, während es bei 18 niedriger ausfällt.

Ein ähnlicher Trend ist für die Solvenzquote ohne Übergangsmaßnahmen sowie die Basis-Solvenzquote (ohne Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassung) festzustellen. Auch hier gehen die Werte mehrheitlich, aber nicht bei allen Anbietern nach oben.

Bei der Basis-Quote weisen 23 und bei der Quote ohne Übergangsmaßnahmen 20 Gesellschaften geringere Werte auf als im Vorjahr. Im Übrigen fallen die Solvenzquoten ohne die Übergangsmaßnahmen noch immer deutlich geringer aus und liegen bei durchschnittlich 347 Prozent (mit Volatilitätsanpassung) beziehungsweise 310 Prozent (ohne Volatilitätsanpassung).

Inzwischen schaffen es nur noch drei Gesellschaften mit ihrer Basis-Solvenzquote nicht über die Marke von 100 Prozent, während unter Berücksichtigung der Volatilitätsanpassung zwei Gesellschaften die einhundert-Prozent-Marke nicht erreichen.

„Gerade bei traditionellen Lebensversicherungsbeständen, die sensibel auf Marktzinsen reagieren, lassen sich sehr große Anstiege beobachten“ erläutert Lars Heermann. „Auch wenn die Wirkung der Übergangsmaßnahmen bis 2032 jedes Jahr abnimmt, können fast alle Gesellschaften ihre Kapitalanforderung mittlerweile komfortabel bedecken. Die zum Teil äußerst hohen Quoten könnten künftig sogar die Frage nach der Kapitaleffizienz aufkommen lassen.“

Allerdings gibt er zu bedenken, dass die überwiegend deutliche Überbedeckung der Kapitalanforderungen nach Solvency II die Sicht nunmehr wieder stärker auf die HGB-Bilanzen verlagert, wo der rasante Zinsanstieg zu teils beträchtlichen stillen Lasten geführt hat. Auch wenn die deutschen Lebensversicherer insgesamt vom Zinsanstieg profitieren, gelte es weiterhin, beide Rechnungslegungswelten im Blick zu behalten.

Unter www.solvencydata.com/ticker finden Interessenten die kontinuierlich erfassten Solvenzquoten tabellarisch zusammengestellt.

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