Im Zuge der Einführung der sogenannten „EU-Kleinanlegerstrategie“ wird derzeit auf EU-Ebene die Frage kontrovers diskutiert, ob provisionsbasierte Beratung bei Finanzprodukten stärker reguliert oder gar verboten werden sollte. Begründet wird die Forderung eines Verbots dabei mit Ergebnissen der sogenannten Kantar-Studie.
Das Institut für Aktuarwissenschaften ifa legt die Schwächen in den Argumenten der Kantar-Studie offen und findet diese in doppelter Hinsicht problematisch:
1. Kostenargumente nicht aus der Studie ableitbar
Tatsächlich hat die Kantar-Studie weder irgendeine Aussage in Bezug auf Provisionen bei Versicherungs- und Altersvorsorgeprodukten getroffen noch überhaupt Analysen hierzu durchgeführt. Der Kostenvergleich in der Studie umfasst vielmehr nur Fonds und schließt Versicherungsprodukte explizit aus. Es wird auch kein Vergleich vorgenommen, ob die Kosten bei einer provisionsbasierten Vergütung der Beratung höher oder niedriger sind als bei anderen Formen der Beratung.
2. Ausblendung von Argumenten jenseits einer reinen Kostenbetrachtung
Das Provisionssystem bewirkt wünschenswerte gesamtwirtschaftliche Umverteilungseffekte, da größere Verträge stärker belastet werden als kleinvolumige Verträge. Ferner kann in Ländern mit Provisionsverbot beobachtet werden, dass diejenigen Verbraucher, die Beratung am dringendsten benötigen, nicht bereit beziehungsweise in der Lage sind, alternative Beratungsvergütungen wie Honorare zu bezahlen.
Quantitative Argumente für eine Koexistenz von Provision und Honorar
Um eine Indikation abzuleiten, für welche Typen von Verbrauchern welche Form der Beratungsvergütung kostengünstiger ist, haben wir anhand typischer Beispiele verschiedener Vergütungsmodelle quantitative Analysen durchgeführt und dabei jeweils die Beitragshöhe ermittelt, unterhalb der eine provisionsbasierte Beratung günstiger ist als eine Honorarberatung.
Hier hat sich deutlich ergeben, dass für Verbraucher, die regelmäßig eher kleine Summen sparen (die also im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie besondere Beachtung erhalten müssten) provisionsbasierte Modelle meist kostengünstiger sind als Honorarmodelle.
In einem Praxisbeispiel zeigt sich, dass der Verbraucher bei monatlichen Sparraten von unter 100 Euro mit der Provision stets günstiger abschneidet. Bei in der Altersvorsorge durchaus typischen Vertragslaufzeiten von 20 beziehungsweise 30 Jahren war das Provisionsmodell sogar bis zu einem monatlichen Beitrag von 186 beziehungsweise 129 Euro günstiger.
Im Übrigen hat sich im Rahmen unserer Analysen gezeigt, dass nicht nur im Provisionsmodell, sondern auch in der Honorarberatung Gebührentransparenz oft schwierig herzustellen ist und dass bei Honorarmodellen die Bandbreite von eher günstigen bis zu teilweise sehr hochpreisigen Modellen sehr groß sein kann.
Selbst wenn man also ausschließlich mit Kosten der Beratung argumentiert und alle anderen Argumente außer Acht lässt, unterstreichen unsere quantitativen Ergebnisse eindrucksvoll, dass eine Koexistenz von Provisions- und Honorarmodellen erstrebenswert ist.
Download der Studie und weiterer Informationen
Die gesamte Studie, die im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater e.V. (BDV) erstellt wurde, steht hier zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Für weitere Aspekte jenseits einer rein kostenbasierten Betrachtung steht die Studie „Regulierung von Provisionen: Ziele, Risiken und Nebenwirkungen provisionsbegrenzender Regulierung in der Lebensversicherung in Deutschland“ aus dem Jahr 2018, hier zum Download zur Verfügung.
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