Ist es sinnvoll, sich auf Ereignisse vorzubereiten, die zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich sind? Durchaus – zumindest wenn sie gravierende Auswirkungen auf Märkte und Portfolios haben können.
Ein Beitrag von Christopher Teschmacher, Fondsmanager bei Legal & General Investment Management (LGIM)
Im Gegensatz zu den sogenannten schwarzen Schwänen – wirklich unvorhersehbare Ereignisse, gegen die man sich nur schwer absichern kann – sind graue Schwäne Risiken, die bei der Strukturierung eines Portfolios durchaus berücksichtigt werden können.
2022 war ein außergewöhnliches Jahr: Ein Jahr der grauen Schwäne, wenn es je eines gegeben hat! Wir erlebten aggressive Zinserhöhungen, Krieg in Europa, die Abschottung Chinas, eine Energiekrise und hohe Inflation.
Viele Ereignisse, die 2022 eintraten, waren Anfang des Jahres zwar als unwahrscheinlich einzustufen gewesen, aber sie waren nicht unvorhersehbar: ein Rückgang der Covid-Impfungen, Russlands Einmarsch in der Ukraine, die Wechselkurs-Parität zwischen Euro und US-Dollar, zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem US-Wachstum, der Zusammenbruch des Kryptowährungsmarktes auf unter eine Milliarde US-Dollar und nicht zuletzt: die Verbreitung einer neuen Covid-Variante.
Die Kombination der dramatischen Ereignisse führte 2022 zu einer negativen realen Performance in allen wichtigen Anlageklassen mit Ausnahme von Rohstoffen, wobei die Korrelation zwischen Anleihen und Aktien so positiv ausfiel wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
2023: ein dystopisches Jahr?
Die grauen Schwäne dieses Jahres haben einen stärker dystopischen Charakter als in den Vorjahren. Cyberangriffe kommen immer öfter vor und verschaffen ihren Urhebern oft Zugang zu sensiblen Informationen. Wenn sie sich häufen, ist es nicht schwer vorstellbar, dass die Auswirkungen auf die Finanz- und Realwirtschaft übergreifen.
Ein weiteres Risiko ist die Beschädigung lebenswichtiger unterseeischer Internetkabel. Sie könnte dazu führen, dass große Finanzinstitute oder Börsen vorübergehend ausfallen und alternative Quellen für den Internetzugang finden müssten.
Wie geht es auf der geopolitischen Bühne weiter? Im Ukrainekrieg scheint leider vieles denkbar. Auch eine Beteiligung der NATO am Ukraine-Russland-Krieges kann – zumindest theoretisch – nicht ausgeschlossen werden. Die Spannungen zwischen China und Taiwan könnten ebenfalls zunehmen und in einen offenen Konflikt münden.
Anleger sollten die potenziellen Auswirkungen derartiger Ereignisse auf ihr Portfolio analysieren und Strategien zur Risikominderung prüfen. Weitere graue Schwäne, die wir für 2023 ins Auge fassen:
- Stagflation in den USA in mindestens einem Quartal: Sowohl der Verbraucherpreisindex als auch die Arbeitslosigkeit stehen bei mehr als fünf Prozent
- Rohöl der Sorte Brent kostet 200 US-Dollar pro Barrel
- Die Immobilienpreise in Großbritannien fallen um mehr als 15 Prozent von ihrem Höchst- auf den Tiefststand
- Mehr als 500 Börsengänge bringen den US-Primärmarkt zurück auf Höchstwerte
- Nordkorea tritt in einen bewaffneten Konflikt mit Südkorea/Japan ein
- Eines oder mehrere Länder stoßen einen EU-Austritts-Prozess an
- In mindestens einem europäischen Land setzt die Regierung eine Lebensmittelrationierung durch
Themen:
LESEN SIE AUCH
Korrektur auf dem Aktienmarkt zu erwarten
Die aktuellen Bewertungsunterschiede von Growth- und Valueaktien sind nicht nachhaltig. Eine anstehende Marktkorrektur könnte dazu beitragen, die derzeit extreme Performance-Streuung und Marktkonzentration zu bereinigen. Besonders Small-Cap-Value-Aktien haben großes Aufholpotenzial.
DIVA-Umfrage: Sparer sind bei der Geldanlage überfordert
Die Inflation macht sich inzwischen für viele direkt im Geldbeutel bemerkbar. Aber auch die Zinsen für Geldanlagen und Kredite sind in Bewegung gekommen. Wie die Bundesbürger mit ihrer Geldanlage auf die stark veränderten Rahmenbedingungen reagieren.
Hört endlich auf, Immobilien zu kaufen!
Angesichts der steigenden Bauzinsen erscheint es derzeit als großer Fehler, einen Immobilienkauf anzustreben. Es empfiehlt sich, andere Märkte zu erschließen, denn in Krisenzeiten lässt sich mit der richtigen Strategie besonders gut Vermögen aufbauen.
Die Fed wird den Kurs ändern – aber wann?
Jetzt, da die Anleger davon überzeugt sind, dass die Fed und die EZB die Zinsen stärker als erwartet anheben werden, stellt sich die Frage, wie lange sie diese Position halten können und welche Auswirkungen dies auf die Märkte haben wird.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Goldpreis erreicht neuen Rekordwert
Der Goldpreis hat mit 3.600 US-Dollar je Feinunze ein neues Allzeithoch erreicht. Welche Faktoren die Rallye treiben – und warum Analystin Sarah Schalück von der apoBank den Trend noch lange nicht am Ende sieht.
Globale Renditeanstiege: Langläufer geraten unter Druck
Die Renditen 30-jähriger Staatsanleihen steigen weltweit auf neue Höchststände. Der Kapitalmarkt signalisiert: Die Phase fiskalischer Schonung ist vorbei. Emissionsdruck, politische Unsicherheiten und strukturelle Zweifel an der Schuldentragfähigkeit erzwingen eine Neubewertung. Was Anleger jetzt erwarten – und Staaten herausfordert.
KI-Aktien: Ist der Hype überschritten – oder beginnt Europas Chance?
Die KI-Euphorie hat die Börsen im Griff – doch wie tragfähig sind die Bewertungen von Nvidia, Microsoft & Co.? Während US-Tech dominiert, eröffnen sich in Europa Chancen abseits des Rampenlichts. Mike Judith, Partner und Chief Sales Officer bei TEQ-Capital, ordnet den Markt ein – und zeigt, wo Anleger jetzt genau hinschauen sollten.
Depotbanken verwahren fast 3 Billionen Euro
Die Verwahrstellen in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2025 fast 3 Billionen Euro für Fonds verwahrt – ein neuer Rekord. Doch hinter dem Wachstum steht auch eine deutliche Marktkonzentration: Fünf Anbieter dominieren fast 70 Prozent des Geschäfts.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.